Wer kennt sich aus mit russischer Kultur? Gibt es wirklich den russischen Fatalismus und die beinahe sprichwörtliche russische Leidensfähigkeit?

4 Antworten

Vom Beitragsersteller als hilfreich ausgezeichnet

Na klar, wobei die Leidensfähigkeit diesmal bei weitem noch nicht an ihre Grenzen gestoßen ist. Gestorben wurde schon immer viel und schnell in Russland, meistens sinnlos und vor allem umsonst, aber jetzt gibt es umgerechnet ca. 80000€ pro Nase an Entschädigung für die Hinterbliebenen dafür. Damit lässt sich mancherorts schon ein komplett neues Leben anfangen. In der Kleinstadt hinter dem Ural, in der ich das nicht ganz unzweifelhafte Glück hatte vor fast einem halben Jahrhundert das Licht dieser Welt zu erblicken - das typische sprichwörtliche, sibirische Muchosransk, scheint gerade ein regelrechter Bauboom ausgebrochen zu sein. Überall wird gesägt und gehämmert, Dächer werden neu gemacht, ganze mehrstöckige Häuser hochgezogen, Straßen asphaltiert. Der Stadtpark, das Theater, der zentrale Platz, das Stadion - alles wurde vor kurzem saniert und aufgehübscht, und das nach einem fast 30-jährigen Dornröschenschlaf. Keine Ahnung was da los ist, und wie lange das noch anhält, aber von Fatalismus und Hoffnungslosigkeit jedenfalls sehe ich keine Spur.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

letatlin  04.12.2024, 08:17

Danke für's Sternchen! 😊

GotLost929 
Beitragsersteller
 02.12.2024, 23:55

Ist Muchosransk so ein Schimpfwort für Hinterwäldler-Ortschaften, wie bei uns "Hintertupfingen", wo der sprichwörtliche Hund verfroren ist und die Bürgersteige hoch geklappt werden?

letatlin  03.12.2024, 00:04
@GotLost929

Ja, nur noch schlimmer: es gibt keine Bürgersteige, und der Hund wird im Winter gegessen und aus dem Fell eine Mütze gemacht.

letatlin  03.12.2024, 00:11
@GotLost929

Ne, die kenne ich nicht. Zu uns nach Muchosransk drang in den 80ern nur Modern Talking durch. War eine große Nummer damals und hat vermutlich mehr zum Untergang der Sowjetunion beigetragen als die Ölpreiskrise und der Afghanistankrieg zusammen.

GotLost929 
Beitragsersteller
 03.12.2024, 00:22
@letatlin

Warum nur ist ausgerechnet Modern Talking in der Sowjetunion so beliebt gewesen? Weil es zum minimalistisch solzialistischem Tanzstil passte?

letatlin  03.12.2024, 00:33
@GotLost929

Keine Ahnung, weil vielleicht Dieter Bohlen in jungen Jahren bei der sozialistischen Jugend Deutschlands und kurze Zeit sogar Mitglied der KPD war? Sozusagen Bruder im Geiste? Jedenfalls war Modern Talking die erste westliche Popband, die ganz offiziell bei der staatlichen sowjetischen Plattenfirma "Melodija" eine Platte herausbringen durfte. Diese beiden scheinbar ewig lächelnden und gut gelaufen Typen schlugen mit ihrer Musik in die graue, sowjetische Tristesse ein wie eine Granate. Danach war nichts mehr wie früher. Ich glaube nicht, das die Leute, die das entschieden haben, das so gewollt haben.

Das ist Unfug.

Sowas können nur Leute daherbrabbeln, die die reale Geschichte nicht kennen.

Die Russen haben sich 1917 gegen ihre Regierung aufgelehnt und sie gestürzt, weil die am Krieg festhalten wollte.

Schon vorher, 1905, gab es gleich gerichtete Unruhen.

1995 zerbrach das Sowjetsystem und wenige Jahre darauf kamen die Jelzin-Unruhen.

Russland ist seit mindestens zwei Jahrhunderten instabil, weil es ständig durch Unruhen bis hin zu Revolutionen erschüttert wird.

Das muss man schon absichtlich übersehen, weil man Klischeebildern von anderen Völkern steif und stur festhalten will.

Ansatzweise politisch liberal war Russland nur während Gorbatschow und Jelzins Regierungszeit. Das waren letztlich nur wenige Jahre.

Das heißt für die meisten Russen ist es normal sich mit politischen Äußerungen zurückzuhalten. Kontroverse Ansichten ängstigen und wirken bedrohlich. Man möchte nicht damit in Verbindung gebracht werden.

Mehr als andere europäische Völker haben die Russen fast durchgehend politisch repressive Zeiten erlebt zusammen mit materiellem Mangel wie Hungersnöte.

Joa....irgendwie schon. Wobei es eher eine grundsätzliche Gelassenheit gegenüber allem ist. Man kann es ja sowieso nicht ändern, sonst hätte man es ja schon getan. Also kann man sich ja auch entspannen und der Situation was gutes abgewinnen. Und wenn es nicht gutes gibt dann muss man sich davon auch nicht die Laune verderben lassen.


DocPsychopath  09.12.2024, 17:30

Lies mal meinen Beitrag dazu.,

GotLost929 
Beitragsersteller
 02.12.2024, 18:43

Das ist ja das Fatale. Man KÖNNTE ja Putin abwählen. Aber man tut es nicht

WerteSchuetzer  02.12.2024, 18:49
@GotLost929

Die Leute glauben der propaganda. Bei uns auch. Man könnte die ampel und die grünen volksverräter abwählen, aber es gibt Leute die sie trotzdem wählen.

letatlin  02.12.2024, 23:59
@GotLost929

Abwählen? Man wählt in Russland keine Herrscher ab. Man vertreibt sie, erschießt sie, vergiftet sie, sprengt sie in die Luft, oder wartet geduldig bis sie von selbst das Zeitliche segnen und zettelt dann eine kleine Palastrevolte an. Aber abwählen. Das ist doch langweilig. Das ist was für Westler!

GotLost929 
Beitragsersteller
 03.12.2024, 00:00
@letatlin

Hahahaha

Als Jossip Wissarionowitsch starb hat sich auch keiner getraut den Arzt zu rufen

Denn für Stalin waren Ärzte alle Juden-Pack

letatlin  03.12.2024, 00:20
@GotLost929

Die Ärzte durften nicht ran, weil es mehrere Prinzen gab, die ganz ungeduldig auf den Thron wollten. Durchgesetzt hat sich letztendlich ein gewisser Nikita Chrustschow. Er ließ die anderen Thronfolger erschießen und wurde 10 Jahre später selbst von Leonid Breschnew abgesägt.