Was finden eigentlich alle an Nietzsche und Kafka?

7 Antworten

Was die Leute an Franz Kafka finden, weiß ich auch nicht; seine Literatur halte ich für schwer verdaulich und im Kontext arg übersteigert. Gerade das und auch der Umstand, dass er von "Literaturpäpsten" bis heute gefeiert wird, sowie sein Status als auf der ganzen Welt Gelesener, leisten den Beitrag zu jenem Mythos ----> es gibt zudem Leute, die der Meinung sind, sie gelten als intellektuell, wenn sie u.a. Werke von meinetwegen Franz Kafka lesen oder sich damit befassen & das trägt sicher auch zu diesem "Image" bei.

Friedrich Nietzsche ist mir von beiden der sympathischere, wobei ich auch hier nicht ganz klarkomme. Seine eigenartigen Ansichten mögen es jedoch sein, die die Gesellschaft noch heute nicht loslassen.

Gemeinhin bin ich kein Fan von Philosophie: Zwar wird einem stets Freigeistigkeit gepredigt, dennoch richtet man sich letztlich nach völlig subjektiven Gedanken und Richtlinien, die vor hunderten von Jahren jemand "festgesetzt" hat.


Halbrecht  08.03.2018, 15:56

nun , Philosphie im ganzen ist kein subjektive übung

2
loneAngel77 
Beitragsersteller
 08.03.2018, 13:28

dieser kommentar spiegelt wieder was ich denke.

1

Was dich depressiv stimmt , baut andere auf , finden sie geil , weil ungewöhnlich oder sie genießen die Tiefe der Gedanken.

Man muß sie ja nicht lesen, es sei denn man ist Schüler / in.

solch ein text ist doch eher bildend als schwarz machend :

Chemie der Begriffe und Empfindungen. – Die philosophischen Probleme nehmen jetzt wieder fast in allen Stücken dieselbe Form der Frage an wie vor zweitausend Jahren: wie kann etwas aus seinem Gegensatz entstehen, zum Beispiel Vernünftiges aus Vernunftlosem, Empfindendes aus Totem, Logik aus Unlogik, interesseloses Anschauen aus begehrlichem Wollen, Leben für andere aus Egoismus, Wahrheit aus Irrtümern? Die metaphysische Philosophie half sich bisher über diese Schwierigkeit hinweg, insofern sie die Entstehung des einen aus dem andern leugnete und für die höher gewerteten Dinge einen Wunder-Ursprung annahm, unmittelbar aus dem Kern und Wesen des »Dinges an sich« heraus. Die historische Philosophie dagegen, welche gar nicht mehr getrennt von der Naturwissenschaft zu denken ist, die allerjüngste aller philosophischen Methoden, ermittelte in einzelnen Fällen (und vermutlich wird dies in allen ihr Ergebnis sein), daß es keine Gegensätze sind, außer in der gewohnten Übertreibung der populären oder metaphysischen Auffassung, und daß ein Irrtum der Vernunft dieser Gegenüberstellung zugrunde liegt: nach ihrer Erklärung gibt es, streng gefaßt, weder ein unegoistisches Handeln, noch ein völlig interesseloses Anschauen, es sind beides nur Sublimierungen, bei denen das Grundelement fast verflüchtigt erscheint und nur noch für die feinste Beobachtung sich als vorhanden erweist.

http://www.zeno.org/Philosophie/M/Nietzsche,+Friedrich/Menschliches,+Allzumenschliches/Erster+Band/Erstes+Hauptst%C3%BCck.+Von+den+ersten+und+letzten+Dingen/1.+Chemie+der+Begriffe+und+Empfindungen


berkersheim  08.03.2018, 14:16

Tolle Stelle, die wieder zeigt, wie epikureisch Nietzsche dachte, denn diese Denkungsart nicht in polaren Gegensätzen sondern in Verläufen wird bereits bei Parmenides von der Göttin gefordert und ist bei Epikur gang und gäbe, warum ihn die Platoniker auch nicht verstehen, die immer alles in Gegensätze übersetzen.

1

Warum "alle"? Es fällt auf, das hier im Forum oft Fragen gestellt werden in denen verallgemeinert wird.

Ich bin mir sicher, das nur wenige Franz Kafka oder Friedrich Nietzsche gelesen haben, noch weniger werden beide gelesen haben und noch einmal weniger haben verstanden was sie bei diesen Autoren gelesen haben.

Einige wenige, die diese Autoren gelesen haben werden sie bestimmt auch Gut finden....ich glaube die passen alle zusammen in ein kleines Stadion.

Um Kafka mache ich einen Bogen; er ist mir zu düster, zu unheilvoll. In der Philosophie kann ich den Pessimismus ertragen (Schopenhauer!), nicht jedoch in der Poesie; hier darf man das Positive, das es doch im Leben zweifelsohne gibt, nicht ausblenden.

 Dagegen steht Nietzsche bei mir sehr hoch im Kurs, ja, ich sehe in ihm den größten Philosophen, der je gelebt hat.

Begründung: Nietzsche hat mit seiner Entdeckung des Willens zur Macht als Grundantrieb des menschlichen Handelns (und nicht nur des menschlichen Handelns) uns allen die Augen geöffnet, wie man menschliches Verhalten einzuschätzen hat. Wenn man sich oft fragt, warum Menschen so oder so handeln, warum sie unmoralisch sind, wo sie doch moralisch sein sollten, warum sie hochmütig sind, wo sie doch bescheiden sein müssten, da ihr Leben so kurz bemessen ist, warum sie verschlagen, gemein, schadenfroh, geldgierig, egozentrisch sind, wo sie doch das Gegenteil von alle dem sein sollten, wie uns z.B. die christliche Religion dringend empfiehlt – so verstehen wir das nur, weil wir Nietzsches Lehre vom Willen zur Macht kennen gelernt haben.

„Die Welt ist Wille zur Macht und nichts außerdem und ihr selbst seid Wille zur Macht und nichts außerdem!“ - so heißt es bei Nietzsche. Ich jedenfalls habe die Welt und die Menschen erst richtig verstanden, als ich mir diesen Satz Nietzsches so richtig klar gemacht habe. Der Wille zur Macht ist den Menschen eingepflanzt, sie müssen ihn bei sich zur Entfaltung bringen; tun sie es nicht, degradieren sie sich selbst zum „Herdenmenschen“ (wie Nietzsche formulierte) oder sie werden zum Herdenmenschen vom Schicksal herabgestuft, weil sie nicht genügend „Willen“ und nicht genügend „Macht“ mitbekommen haben.

„Macht“ ist von Nietzsche als Metapher gemeint, nicht wörtlich zu nehmen! Er versteht darunter alles, was einen Menschen „mächtig“ macht, z.B. Talente, Befähigungen, Geschicklichkeiten oder sonstige Fertigkeiten. Sie schlummern in uns (oder auch nicht!) und müssen - kraft des Willens - zur Entfaltung gebracht werden. Gelingt uns das, üben wir „Macht“ aus, Macht in dem Sinne, dass uns Anerkennung, Prestige, Geltung zuerkannt wird.

Man gucke sich in unserer Gesellschaft um! Was ist der entscheidende Antrieb in den Menschen? Moral, Humanität, Nächstenliebe? Nein, jeder will in seinem Leben an Macht gewinnen, das heißt seine Talente entfalten, seine Fähigkeiten ausspielen, besser sein als der andere, und dann möchte er seine Erfolge stolz herumzeigen. („Man befördert sein Ich stets auf Kosten des Andern“, sagt Nietzsche). Das mag moralisch nicht in Ordnung sein, aber es ist die Realität unserer Welt. Nietzsche hat das als einziger klar herausgearbeitet, und damit ist er für mich dem wahren Wesen der Welt und des Menschen am nächsten gekommen, er ist für mich - wie gesagt - der größte Philosoph! 

Nietzsche wird auch deshalb von vielen geschätzt, weil er die Welt und das Lebern positiv einschätzt. Er ist ein optimistischer Denker. Er sieht nicht die Risiken, sondern die Chancen im Leben. Die müssen wir kraft unseres „Willens“ und kraft unserer „Macht“ ergreifen; nur dann können wir glücklich werden; Glück nicht verstanden als das „grüne Weideglück der Lämmer“ (wie er einmal sagte), sondern als Glück im Sinne von Genugtuung, Stolz, innerer Zufriedenheit.

Die Moral schneidet bei Nietzsche schlecht ab (auch wohl deshalb, weil er Gott für tot erklärte). Sie behindert den Willen zur Macht bei seiner vollen Entfaltung, sie verführt den Menschen zur Gutmütigkeit, sodass er sich von anderen „Machtbewussten“ leicht die Butter vom Brot wegnehmen lässt. Außerdem zwingt die Moral den Blick auf das „niedergehende Leben“, auf Leid, Unglück, schweres Schicksal. Schon Schopenhauer sagte, wer seinen „Willen“ zu sehr dämpft und deshalb dem Mitleid zu großen Raum gibt, kann leicht in Depression verfallen. Deshalb sollte der willensstarke, optimistische Mensch - dekretiert Nietzsche - seinen Blick auf das „aufstrebende Leben“, auf die Erfolgreichen, Leistungsstarken, die Gewinner richten. Und tun das nicht die meisten? Alle blicken doch mit Hingabe auf die Leistungsstarken, Talentierten. Die vom Schicksal Niedergeknüppelten blendet man gerne rasch aus, und sie selbst, die Unglücklichen, versuchen krampfhaft, ihr Leid zu verbergen!

Das alles (von Nietzsche so Verkündete) klingt brutal, abstoßend. Viel lieblicher klingen dagegen die Worte, welche die Moralisten in den Mund nehmen: süße Weisen von Nächstenliebe, Mitleid, Rücksicht, ethischer Pflicht und sittlichem Bewusstsein.

Doch man schaue sich diese Edelmenschen, ihr Verhalten im Leben, genauer an. Garantiert sind das letztlich auch „Machtmenschen“ (im oben genannten Sinne), die nur ihren Willen zur Macht moralisch bemänteln.

Allerdings, man kann es drehen und wenden, wie man will, man kann behaupten: Es ist ja alles klar: Nietzsche hat Recht. Dessen ungeachtet mahnt uns unser Gefühl: er kann nicht Recht haben! Denn stirbt die Moral, landen wir in einer Eiszeit der Gefühle und der zwischenmenschlichen Beziehungen. Deshalb sagte Thomas Mann über Nietzsche: „Wer Nietzsche eigentlich nimmt, wörtlich nimmt, wer ihm glaubt – ist verloren!“

Also was Leute an Kafka finden, i dont know. Vielleicht das fehlende Happy-End.

Nietzsche hat dagegen ein paar schöne Gedichte geschrieben und auch sonst einige schlaue Sachen, wenn auch sehr anstrengend verpackt...