Warum wird nicht mehr im Gründerzeitstil gebaut? Gibt es Hoffnung, dass das zumindest zum Teil zurückkommt?
Hallo,
ein Aspekt könnten die Kosten und generell vielleicht die Wirtschaftlichkeit sein (höhere Zimmerdecken), ein weiterer evtl. die fehlenden Fachkräfte (Stuckateure). Und noch ein weiterer könnte der veränderte Geschmack der Architekten / Bauherren sein bzw. das Bedürfnis, sich selbst zu verwirklichen (wobei hier 95 % aller Gebäude gleich aussehen) und vielleicht auch die fehlende Fähigkeit der Architekten, sich solche verspielten Fassaden und Treppenhäuser auszudenken. Das wären einige Hypothesen.
Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, dass es immer am Geld liegt, denn manche Immobilien werden ja evtl. von so wohlhabenden Menschen in Auftrag gegeben, denen es möglicherweise egal ist, ob das am Ende 300.000 € mehr kostet oder nicht. Ich meine auch mal gehört zu haben, dass man in Deutschland gar keine Wohnhäuser mit hohen Decken mehr errichten darf - aber da bin ich mir unsicher. Ist das so?
Es gibt ein Architekturbüro, die sich so ein kleines bisschen an die Gründerzeitarchitektur anlehnen, aber ganz bescheiden. Also deren Gebäude sehen definitiv besser als die anderen Neubauten aus, aber es ist nicht vergleichbar mit der damaligen Fassadengestaltung und Deckenhöhe.
Ich finde es total schade, wie sich die Architektur verändert hat. Habe mal ein Vergleichsbild aus Berlin hochgeladen (ich besitze aber nicht das Urheberrecht).
7 Antworten
Das wäre heutzutage einfach zu teuer, unwirtschaftlich und unpraktisch.
Dann fahr mal nach Wuppertal in den Stadtteil Brill. Dort stehen fast nur Gründerzeitvillen. Sehen zwar imposant aus, aber dafür braucht man dann auch das nötige Personal, wenn man darin leben will. Geschweige denn, die Kästen auch noch zu beheizen. Normale Berufstätige brauchen auch noch einen Gärtner.
Ich habe schon gehört, dass viele Eigentümer dort die Kästen gerne abreissen würden, es aber nicht dürfen, weil die alle unter Denkmalschutz stehen. So kann man weiter dort spazieren gehen und die Pracht bewundern. Leider ist das Ganze aber auch noch an einen Hang gebaut und die Strasssen sind teilweise sehr steil. Nichts für alte Leute!
Vorschriften und Einschränkungen mach das willkürliche Bauen in D eher unmöglich. Einesteils ist es ja durchaus sinnvoll, bestimmte Bestimmungen einzuhalten, weil dadurch sowohl beim Bau, als auch im Betrieb einige Unfallquellen ausgeschlossen werden können und sich Risiken verringern.
Andererseits geht damit oft auch die Individualität unter; zumindest, was Funktionsbauten anbetrifft. Da sind dann oft Investoren die Eigentümer und die schauen auf die Rendite und nicht unbedingt auf Schönheit - zumindest nicht die Schönheit nach Art eines Ludwig II.
Ich kann Dir nur zustimmen; das fällt auch anderen auf. Wir leben leider in einer Zeit, in der man allseits meint, alles totoptimieren zu müssen.
Ketten überleben, obwohl sie keinerlei Individualität bieten, nur standardisierte Massenware. Der Einzelhandel mit einer breiten Angebotspalette geht vor die Hunde, weil sie keine vernünftigen Gewinne mehr machen, weil es ja ultrageil ist, seinen chinesischen Ramsch bei Amazon zu kaufen.
Und das gleiche Denken herrscht auch beim gewerblichen Bau vor. Schnell und billig bauen, schön darf es nicht sein, weil das ja mehr Aufwand bedeutet und damit rangiert man bei Ausschreibungen weit hinten. Der private Häuslebauer hat ohnehin schon Mühe, überhaupt etwas zu finanzieren und da sind Schnörkel unbezahlbarer Luxus geworden.
Wie schaut es denn in den Innenstädten aus? Lauter Dönerbuden, Kik, Aldi und nix mehr, was sich wirklich voneinander abheben würde. Ist echt traurig und ich denke, dass erst wieder ein Krieg mit erheblichen Zerstörungen Chancen auf ein Umdenken bringen würden. Aber welcher vernünftige Mensch will schon Krieg?
Na ja, jede Zeit hat ihren Baustil. Es macht auch keinen Sinn, alte Baustile zu kopieren. Das haben die Chinesen teilweise gemacht. Heraus kommt so eine Art Micky-Mouse Architektur, aber nichts Authentisches.
Wobei ich sagen muss, dass es mir persönlich (nach meinem Geschmack) gefallen würde. Rein optisch würde ich es persönlich bevorzugen. Die Neubauten sehen ja im Grunde auch alle sehr ähnlich aus (wie Quader mit Fenstern).
Es stimmt schon, es wäre immer noch besser als der Plattenbau oder die Bausünden der Nachkriegsjahre.
Du hast deine Frage doch bereits in deinem ersten Abschnitt schon beantwortet. Ein solcher Bau muss ins Ortsbild passen, könnte man noch ergänzen.
Außer das mit der Hoffnung, also ob es noch zurückkommen könnte, und ob die Raumhöhe in Deutschland gesetzlich begrenzt ist .
Die Raumhöhe ist nicht begrenzt, aber in Neubaugebieten oft die Trauf- und Firsthöhe und somit hat man eh meist nur ein kleines Fenster in dem man sich bewegen kann.
Kosten, unpraktisch, nicht zeitgemäß
Was so technische Aspekte wie die Treppenneigung usw. anbelangt, ist es natürlich gut, wenn man auf Sicherheitsaspekte achtet, aber das ließe sich theoretisch auch hinter einer verzierten Fassade realisieren. Ich persönlich finde sogar, dass heute vieles überhaupt nicht zusammenpasst - da hat man dann (aus meiner persönlichen Sicht) ein Sammelsurium an hässlichen Neubauten, die alle nicht aufeinander abgestimmt sind bzw. lieblos nebeneinander stehen. Damals - wie gesagt, ist nur meine persönliche Meinung - hat jedes Haus und jede Kirche zusammengepasst. Auf dem Foto oben sieht man das gut, finde ich. Heute wildes Durcheinander und hässlich (nach meinem Empfinden), oben gleiche Traufhöhe der Dächer, aber mit unterschiedlichen Fassadenausgestaltungen, aber alles im Gründerzeitstil; die Kirche als Mittelpunkt ragt darüber hinaus.