Warum wird immer gesagt das Schweden so fortschrittlich ist?

6 Antworten

Schweden gehört zu den demokratischsten Staaten überhaupt mit viel Pressefreiheit sowie einem sehr guten Sozialsystem.


DocPsychopath  06.03.2023, 01:38

Ach ja? Was ist denn an diesem Sozialsystem so "sehr gut"?

0
BelfastChild  06.03.2023, 01:42
@DocPsychopath

Wenn ich mich recht erinnere ist es recht großzügig. Aber nicht so gut wie in Norwegen.

0
DocPsychopath  06.03.2023, 02:46
@BelfastChild

Dann erinnerst du dich nicht an Erfahrungen oder Wissen, sondern nur an Klischees.

Die Sozialhilfe ist z.B. mit nicht mal 400 Euro geringer als "Hartz". Und das trotz deutlich höherer Kosten, für Lebensmittel z.B. 50 Prozent mehr Minimum. Das Fressen dürfte diesen Regelsatz schon allein auffressen. Für Monatstickets gibt es keine Ermässigung, sondern Vollpreis von über 90 Euro und auch sonst kenne ich keinerlei Sozialrabatte irgendwo. Mir ist schleierhaft, wie man ohne Suppenküchen und derlei erniedrigende Hilfsangebote überleben könnte.

Im Gesundheitssystem musst du auf alle möglichen Leistungen Monate lang warten. Sogar auf wichtige Operationen, bis zu denen du dann Monate lang mit Opiaten schmerzfrei gehalten eingeschläfert bist. Vorletztes Jahr war einer in den Zeitungen, der mit einem Knochenbruch schon drei Monate auf eine OP wartete.

Auf dem Arbeitsmarkt gibt es endlose Kettenbefristungen, wo du ein Leben lang mit sofort kündbaren Ein-Jahresverträgen gehiret und gefiret werden kannst. Mindestlohn gibt es nicht. Bei Krankheit gibt es am ersten keine Lohnfortzahlung.

Wo soll ich aufhören?

Sozialstaat sehe ich nur noch im Schulbereich irgendwie präsent. Sonst ist das Land amerikanisierter als alle deutschsprachigen Länder.

1
ADFischer  06.03.2023, 09:30
@DocPsychopath

Wobei man das durchaus als fortschrittlich klassifizieren kann. Die deutsche Vollkaskomentalität, nach der irgendeine ominöse "Kasse" alles zu bezahlen hat, worauf der Patient zeigt, sagt mir auch nicht zu. Vielleicht ließe sich da ein Mittelweg finden.

0
DocPsychopath  06.03.2023, 17:18
@ADFischer

Das ist aber nicht das Klischee vom fortschrittlichen Schweden. In Bezug auf Schweden wurde darunter immer Sozialismus/Wohlfahrtsstaatlichkeit verstanden.

Im Übrigen war in dem genannten Fall des Patienten die Notwendigkeit der OP nicht bestritten. Er war ja schon eingebucht. Es gibt einfach nur lange Wartelisten.

0
ADFischer  06.03.2023, 19:26
@DocPsychopath

Das ist mir durchaus bekannt. Meine Nachbarin wartete 13 Monate auf eine Rücken-OP und konnte in der Zeit keine Treppen benutzen. Das ist unpraktisch, wenn man im ersten Stock wohnt.

0
DocPsychopath  06.03.2023, 19:35
@ADFischer

Bei ihrem waren es massivste Schmerzen.

Und wenn du mit Opiaten ruhiggestellt wirst, bist du für die Zeit quasi weg vom Leben. Nicht nur vom Treppensteigen.

Ich finde das schon unhaltbar.

1
ADFischer  06.03.2023, 20:01
@DocPsychopath

Wenn man noch reisefähig ist und das Geld vorstrecken kann, kann man sich beispielsweise in Deutschland oder der Schweiz operieren lassen. Gut, optimal ist das nicht.

0
DocPsychopath  06.03.2023, 20:03
@ADFischer

Das stimmt. Man kann als deutsch Versicherter die Behandlungen in jedem anderen Land bekommen. Und wenn sie billiger ist, bekommt man sogar alles zurück.

Ich weiss nicht, ob das in Schweden geht. Wenn es geht, dürften die Kosten unproblematisch sein.

1
ADFischer  08.03.2023, 09:47
@DocPsychopath

Das geht in Schweden. Manche Dinge sind übrigens in der Tat besser. Ich beziehe einen Erwerbsminderungsausgleich in Höhe von 80 % meines letzten Gehalts. Außerdem mit automatischem Teuerungsausgleich, die Bezüge wurden im Januar um 10 % erhöht. Die Erwerbsminderungsrente, die man in Deutschland nach 14 Beitragsjahren erhält, ist ein schlechter Scherz. Ich weiß nicht, ob diese Deckungslücke allen Deutschen bewusst ist.

0
DocPsychopath  08.03.2023, 12:21
@ADFischer

Automatischer Ausgleich? 10 Prozent?

Damit bist du ja heftig privilegiert. Ich bekomme den gleichen besch... Lohn wie vor 1,5 Jahren. Ohne irgendeinen Ausgleich. Die Scheissbutter kostet 400 Kronen und da wird gar nix ausgeglichen :/

0
ADFischer  08.03.2023, 13:23
@DocPsychopath

Bestimmte Sozialleistungen werden automatisch angepasst. SCB bestimmt die Teuerungsrate Juni bis Juni und die Justierung erfolgt im darauf folgenden Januar. Ich weiß, dass Arbeitnehmer davon nur träumen können. Andererseits hatte ich als Angestellter einen Gehaltszuwachs von im Schnitt vier Prozent im Jahr, und die Inflation war erheblich niedriger. Jetzt bleibt ja die Kaufkraft konstant.

0
DocPsychopath  08.03.2023, 13:59
@ADFischer

Naja, in manchen Branchen mag das so sein. Die Lehrer sind nach meinem Eindruck nur ein Stiefkind der schwedischen Politik. Nach Berechnungen der Gewerkschaft sinkt der Lohn seit Jahrzehnten, gemessen an den allgemeinen Steigerungen. Man kommt immer weiter unter den Durchschnittslohn.

0
ADFischer  08.03.2023, 17:51
@DocPsychopath

Dafür musste ich Drittmittel einwerben, um die Büromiete zu zahlen. Das war im Beschäftigungsverhältnis nicht enthalten. Anteilig auch Korridor und Treppenhaus. Hat alles Vor- und Nachteile.

0
DocPsychopath  08.03.2023, 19:02
@ADFischer

Ach so. Und du warst mal Dozent an einer Hochschule, aber auch zeitweilig selbständig?

0
ADFischer  08.03.2023, 19:12
@DocPsychopath

Nein, nur Dozent. Die Räume werden ja von Akademiska Hus gemietet. Für die Miete müssen die Benutzer selbst aufkommen. Eine schwedische Universität ist ein "Forscherhotel", wie SULF das mal in der Mitgliederzeitschrift formulierte. Man mietet die Infrastruktur.

0
DocPsychopath  08.03.2023, 19:24
@ADFischer

Was? Ein Professor muss aus seinem privaten Einkommen die Räume für sein Seminar mieten??

0
ADFischer  08.03.2023, 22:32
@DocPsychopath

Nein, nicht aus den privaten Mitteln. Allerdings muss aus den eingeworbenen Mitteln der Hörsaal bezahlt werden. Wenn ich in einem Kurs eine extra Doppelstunde für angemessen hielt, wurde ich ökonomisch bestraft. Ich bekam nicht eine Krone mehr für den Kurs erstattet, musste aber mehr Miete zahlen. Nicht vom Privatkonto sondern von meinem dienstlichen Projektkonto.

0
DocPsychopath  08.03.2023, 22:34
@ADFischer

Moment: ich kenne Drittmittel für die Forschung. Denn, klar: daran sind Geldgeber aus der Industrie potentiell interessiert. Jedenfalls in manchen Fächern.

Aber in der Lehre? Wer zahlt denn für eine Vorlesung?

1
ADFischer  09.03.2023, 08:16
@DocPsychopath

Die Universität zahlt für einen durchgeführten Kurs Gelder auf das interne Projektkonto ein. Der Betrag richtet sich nach der Punkteanzahl und der Zahl der Studenten. Von dem Konto werden dann Kosten für die Durchführung des Kurses abgebucht. Also Saalmiete und Lohnkosten für die Aufsicht bei Klausuren (wenn die parallel in mehreren Räumen geschrieben wird, kann ich ja nicht selbst in allen sitzen). Mein Gehalt (Bruttogehalt + Arbeitgeberabgabe) wurde auch dort abgebucht. Das ist wohl eine Variante von New Public Management. Hätte ich nicht so große Freude an der freien Wahl der Forschungsgebiete und am Unterrichten gehabt, hätte ich mir eine andere Beschäftigung gesucht.

0
DocPsychopath  09.03.2023, 16:08
@ADFischer

Das ist eine Steigerung neoliberalen Unfugs ins Absurde. Da werden also Buchhalterstellen geschaffen, um zwischen Küche und Klo irgendwelche Gelder hin- und herzuberechnen.

Je mehr ich das so sehe, denke ich: Schweden hat den neoliberalen Zirkus ja noch besoffener konsumiert als Deutschland.

1
ADFischer  09.03.2023, 22:29
@DocPsychopath

Akademiska Bus hat 2022 eine Dividende von 9 Milliarden Kronen an den Eigentümer, den Staat, gezahlt. Die Universitäten sind also eine bedeutende Einnahmequelle.

0
DocPsychopath  10.03.2023, 12:39
@ADFischer

Ok. Wissenschaft ist kein Ausgabeposten, keine Investition, sondern eine direkte Einnahmequelle. Darauf wäre ich gar nicht gekommen.

Ist ungefähr so weitsichtig gedacht wie die Privatisierung der Schulen...

0

Schwedische Erfinder und Ingenieure waren stets sehr fleißig. Das fing mit der Temperaturskala an (Anders Celsius war Schwede). Die Seltenerdmetalle Scandium, Yttrium, Ytterbium, Terbium, Erbium und Holmium finden heute breite Verwendung. Ebenso Kühlschrank, Herzschrittmacher, Sicherheitsstreichholz, Tetrapak und Dreipunktgurt. Kameras von Hasselblad waren auch lange Zeit recht populär. Schweden nehmen generell neue technische Entwicklungen gerne auf. Stockholm war einmal die Hauptstadt mit der größten Telefondichte. Alle 290 Gemeinden hatten Internetpräsenz, als das in Deutschland noch ganz und gar nicht selbstverständlich war. Hat natürlich auch Nachteile: Wer ein neues Rezept vom Arzt braucht, muss das im Internet bestellen. Ob das Rezept ausgestellt wurde, sieht man auch im Internet. Wer kein Internet hat, ist auf stundenlange Telefonwarteschlangen angewiesen.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

DocPsychopath  08.03.2023, 17:56

"Wer kein Internet hat, ist auf stundenlange Telefonwarteschlangen angewiesen."

Also dass du Lebenserfahrung in Schweden hast, bestreitet keiner mehr :)

0
ADFischer  08.03.2023, 22:34
@DocPsychopath

Ich hatte das einmal bei der 112. So ziemlich die letzte Nummer, bei der man in einer Warteschlange landen möchte.

1
DocPsychopath  08.03.2023, 22:39
@ADFischer

Früher ein Thema für Satire. Hallervorden hatte da mal in den 90ern einen Spot über "Sani, das Rettungsdienst-Callcenter"...

0

Weil wir in der EU und Nato sind und Schweden ein potentieller Partner war nun ist und alles was gegen Russland oder Terroristen ist ,ist Fortschritt.

Der Feind meines Feind ist mein Freund

Julius Cäsar

Weil die Leute von der Welt nur Klischees kennen. Die sich vor einem halben Jahrhundert oder noch früher gebildet haben und die sie seitdem nicht verändert haben.

Wäre auch zu fordernd. Wie intelligent müsste man dafür sein?

gar nichts. Ich verstehe es auch nicht. Kalt und nichtmal das Brot schmeckt.