Warum konzentrieren sich viele in ihren 20er nur noch auf Beziehung und vernachlässigen Freunde?

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Ich (m, 31) frage mich das auch immer wieder und habe trotz Beziehung und inzwischen Ehe nie meine alten Kumpels, die ich teilweise seit dem Kindergarten und in einem Fall seit der Krabbelstube kenne, vernachlässigt, ganz im Gegenteil. Die Kontakte sind alle geblieben und man schwimmt auch als Erwachsene auf der selben Welle - wobei ich noch nie sooo viele Freunde hatte, dafür aber ernsthafte Freunde, auf die ich mich teilweise von klein auf mehr verlassen konnte als auf meine Familie.

Was ich aber aus meinem gleichaltrigen Umfeld kenne sind mehrere Szenarien: Die Freundschaften schlafen ein, sobald einer Kinder hat und der andere (noch) keine, oder sobald jemand einen Partner hat und dieser bestimmt, was in der Freizeit gemacht wird - oder der Partner den Kontakt nicht wünscht, etwa aus Eifersucht oder weil es menschlich nicht klappt oder man die Freunde des Partners oder dessen Familie nicht mag. Es gibt dutzende Gründe. Die Fortsetzung dessen ist oft, dass der Partner sogar auswählt, wo man hinzieht und andere Dinge wie den Urlaubsort oder die Wahl des Autos oder den menschlichen Umgang mit anderen bestimmt - und meistens sind es Männer in meinem Alter, die ihren Freundinnen/Frauen blind Ja und Amen sagen. Habe so was erst wieder bei einem früheren Nachbarsjungen erlebt, der 32 ist (ein Jahr älter wie ich) und sich komplett von seiner *Luisa* fremdsteuern lässt. Sie schottet ihn mehr oder minder ab - aber wenn er als erwachsener Mann sich das ernsthaft bieten lässt, soll's mir recht sein. Wir waren mal echt befreundet. Der tut mir leid, aber andererseits scheint er damit klar zu kommen.

Teilweise passiert es auch, dass man sich schlicht menschlich auseinander lebt - viele "Freundschaften" ergeben sich in der Jugend aus ähnlichen Interessen, nachbarschaftlicher Nähe der Elternhäuser, Sitznachbarschaft im Klassenzimmer, Sportvereinen, Ministrantengruppen oder Sauf-/Tratschgemeinschaften - das geht solange gut, bis man "mehr" will und mehr kennt von der Welt, bis man weiß, dass es mehr gibt als dieses Geklüngel und erwachsener wurde, reifer wurde. Bei mir war es so mit den Vereinen gewesen; ich lernte da Leute kennen, die mir anfangs sympathisch waren und die nett zu mir waren, mit denen ich Spaß hatte einige Zeitlang, bis ich merkte, eigentlich ist das nicht meine Welt und ich fragte mich ... ob die auch nett zu mir wären und mich zum Sekt oder auf den Geburtstag usw. einladen würden, wäre ich nicht in dem Verein. Tja, Pfeifendeckel!

Ich habe auch zu meiner Schulklasse alle Kontakte abgebrochen aus diesem Grund. Ich will das nicht mehr, habe auch kein Problem damit dazu zu stehen und komme zurecht damit. Andere können sich dazu denken was man will - das ist auch so was: Man merkt mit der Zeit, wie "egal" einem diese falschen oder aufgezwungenen Freunde sind und wie wenig sie einem bedeuten, wie unwichtig sie für das eigene Wohlergehen sind. So war es bei mir auch mit Ende 20 - ich merkte, ich lebe auch ohne die ziemlich gut, wenn nicht sogar freier und daher besser.

Bei meinen "echten Freunden" muss ich das nicht, da muss ich mich nicht verstellen und kann ehrlich sein und muss mich nicht anbiedern. Da wird man auch im Jogging gern gesehen und es ist völlig okay, wenn man mal ein Glas zuviel getrunken hat oder wenn man auch mal eine Meinung nicht teilt, wenn man etwas anders sieht, wenn man mal wirklich keine Zeit hat und das begründet, wenn man krank ist und nicht kommen kann oder sonst was. Es ist denen egal, was ich für ein Auto fahre, ob ich Französisch spreche bspw. oder nicht, ob ich sonntags brav zur Kirche gehe oder nicht, welche Partei ich wähle und mit wem ich mich sonst so treffe. Es gibt kein Richtig und kein Falsch.

Bei den "Anderen" gab es immer Debatten, da reichte es schon, dass sie enttäuscht waren, wenn man mit Grippe im Bett lag und man merkte die sind etwas konsterniert, wenn sie einen mit Jogging und Langarmshirt gesehen haben statt mit Sakko und Hemd.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

Shokata 
Beitragsersteller
 22.04.2022, 16:24

Danke auf jeden Fall für die lange Antwort, war wirklich interessant zu lesen und auch gut zu lesen, das jemand die selbe Einstellungen zu diesem Thema hat.

Wenn ich mir hier gewisse Kommentare durchlese mit „Eine Person reicht“, wird mir schon ganz anders. Fast schon gruselig.

Das mit dem Abschotten ist mir auch besonders aufgefallen… ich frag mich nur, wie so viele Menschen zulassen können, das ein einziger Mensch ihr gesamtes Leben bestimmt. Das hat dann nichts mehr mit Liebe zu tun.

Mein Verlobter und ich sind sehr glücklich. Jeder hat seine eigenen Hobbys, eigene Freunde und solange kein komplettes A****loch dabei ist, hat es mich auch nicht zu interessieren mit wem er befreundet ist.

Ich kann mir schwer vorstellen, das man auf Dauer wirklich so glücklich bleibt, wenn man sich dermaßen isoliert.

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rotesand  22.04.2022, 16:34
@Shokata

Ich freue mich, wenn ich dir helfen konnte.. beantworte hier nur wenige Fragen, aber dafür auch nur die, wo ich wirklich was beisteuern kann in gutem Wissen und Gewissen - und dafür wende ich Zeit auf :-)

Mir geht es wie dir und ich finde es auch komisch, vor allem weil es ja in meinem Umfeld meist "starke und coole Männer" um die 30 sind, die angeblich soooo gut drauf und bärenstark sind, sich aber dann doch von ihren Frauen dermaßen kleinhalten lassen & sich sagen lassen müssen, mit wem sie Kontakt pflegen "dürfen" und mit wem nicht. Wer sich so isoliert, unterdrückt meist den Wunsch nach "mehr" und irgendwann mit 40-50 flippt er aus bzw. wird zum Best Ager, der ausbricht, sich außer der Ehe Bestätigung sucht, sich merkwürdige Klamotten anzieht, ein Cabrio braucht oder ähnliches und bei Facebook & Instagram debile Fotos hochlädt mit denen er zeigen will, was er noch so zu bieten hat... so was geht nie ewig gut. Oder man wird depressiv und kriegt psychische Probleme. Mit Liebe hat das wirklich nichts mehr zu tun.

Die Partner(innen), die so etwas verlangen, haben aber meist selbst Probleme im Bereich Eifersucht, Kontrollwahn, Verlustängste usw., die meist indirekt auf fehlende Selbstakzeptanz und Komplexe zurückzuführen sind.

Bei meinem Kindheitsfreund ist es so, dass diese *Luisa* noch nicht mal besonders sympathisch oder hübsch oder freundlich ist - die beherrscht ihn einfach nur. Meine Mam sagt immer, so eine hockt in jedem Aldi an der Kasse ;-). Geht aber mit meiner Erfahrung konform, dass die wirklich hübschen und attraktiven Frauen oft viel unkomplizierter und lockerer sind, selbst wenn sie für viele arrogant wirken ... man muss halt die Leute auch erstmal kennen lernen ;-) Ob er glücklich ist weiß ich nicht, ich sage dazu nur - zu einem Tango gehören immer zwei. Er lässt es halt mit sich machen. Er war schon als Kind (wie ich) sehr ruhig und gemütlich, wurde auch in der Schule oft von anderen überstimmt oder beeinflusst ... eigentlich war es abzusehen, dass er wahrscheinlich genau so eine Person kriegt, oder halt eine, die ihn aufbaut und ihn mit viel Wärme, Liebe, Rückhalt aber auch mal einem Tritt in den Hintern offener & selbstbewusster macht - wie ich es Gott sei Dank erfahren durfte. Ich wäre ohne meine *Melli* auch nicht so weit, wie ich heute bin ;-)

Bei uns ist es wie bei dir/bei euch - wir haben aber auch keine richtigen Deppen im Bekanntenkreis bzw. mit solcehn wären wir gar nciht erst befreundet bzw. würden stark auf Distanz gehen.

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Das ist noch harmlos, das wird noch schlimmer, wenn die Kinder in die Welt setzen. 😉

Das ist bei vielen tatsächlich so, besonders bei Frauen. Und wird mit den Jahren noch schlimmer wenn Kinder und später Enkel da sind. Könnte am "schlechten Gewissen" liegen, das diejenigen haben, die sich nicht um die Familie kümmern.


Shokata 
Beitragsersteller
 19.04.2022, 21:52

Was meinst du mit schlechtem Gewissen?

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Alles eine Sache der Prioriität...

Eine Art der Selbstverwirklichung.

Oft passen die Freunde nichtmehr richtig ins Pärchenleben, manchmal gelingt die Integration jedoch.

Ich kenn solches Verhalten von Teenies als auch von Leuten in der Adoleszenz.