Warum hat Hindenburg das Ermächtigungsgesetz von Hitler zugelassen, obwohl er dadurch Macht verloren hat?

6 Antworten

Es gab sicherlich schon öfters Minderheitsregierungen. Allerdings muss eine Minderheitsregierung sich Mehrheit suchen. Wenn der Reichstag dann alle Gesetzesinitiativen ablehnt, ist eine Minderheitsregierung am Ende.Sie ist am Ende handlungsunfähig.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

Zugegeben: eher eine der leichteren Etappen deutscher Geschichte, wenn man es mal überrissen hat.
Grundproblematik der Weimarer Republik war, dass es eine Demokratie ohne Demokraten war. Dem Deutschen Reich wurde die Demokratie mit dem Versailler Vertrag quasi aufgezwungen, ohne dass sich wirklich jemand damit beschäftigt hat, wie so eine Demokratie funktionieren soll oder aussehen soll. Ende vom Lied war, dass diese Republik den Charakter einer „Ersatzmonarchie“ hatte.
Nichtsdestotrotz gab es Wahlen und bis 1930 funktionierte die Demokratie (vgl. die sog. goldenen 20er der Weimarer Republik). Letzten Endes gab es aber zu viele, die die Republik ablehnten. Die Republik war nicht langsam gewachsen sondern übern Winter vom Himmel gefallen und quasi ein Diktat der Entante, ohne das sie den Gewaltfrieden von Versaille nicht angenommen hätten. Fakt war, dass es zuwenig überzeugte Demokraten gab und zu viele die Republik als Ergebnis der Niederlage im Ersten Weltkrieg ablehnten. Mit dem Hintergrundwissen kann man jetzt an deine Punkte herangehen:

Zu 1.: In Art. 53 der Weimarer Reichsverfassung heißt es: „Der Reichskanzler und auf seinen Vorschlag hin die Reichsminister werden vom Reichspräsidenten ernannt und entlassen.“ Also ja, Hindenburg entscheidet einfach welche Parteien im Reichskabinett sind. Damit die Reichsregierung aber Regierungsfähig ist braucht sie eine parlamentarische Mehrheit im Reichstag, die durch Wahlen zustande kommt.

Zu 2.: Das ist eben genau der Punkt, dass es auf lange eben nicht funktioniert. Bis 1930 gab es eine große Koalition, was in Weimar meint, dass sowohl die Linke SPD als auch die Rechte DVP in die Regierung eingebunden war. In Weimar regierte meistens eine Koalition aus DDP und Zentrum, erweitert durch SPD oder DVP. 1930 zerbrach diese große Koalition, die Regierung trat zurück. Zwar hätten die demokratischen Parteien auch ohne die DVP eine Mehrheit, allerdings unterstützten die bürgerlichen Parteien für eine neue Regierung weder die DVP noch die SPD, sondern lieber die Zentrumspartei unter Brüning, was dann zwar eine Minderheitsregierung war, die aber von der SPD mitgetragen wurde. Diese ungeschriebene Kooperation zwischen Regierung und SPD war aber sehr wackelig und als die Sozialdemokraten nicht mehr mitzogen, hat Hindenburg Brüning entlassen und das Parlament aufgelöst. Neuwahlen 1932 und jetzt war die demokratische Mehrheit dahin, denn jetzt hatten NSDAP und KPD, die Radikalen an den Rändern zusammen die Mehrheit - eine negative Mehrheit, da die zusammen niemals eine Regierung gebildet hätten. Also kamen jetzt die Präsidalkabinette, die alle nach dem selben Muster funktionierten: Minderheitsregierung beschließt ein Gesetzt, Mehrheit im Reichstag stimmt dagegen, Reichspräsident drückt die Gesetze mit Notverordnungen durch, Mehrheit im Reichstag beschließt die Aufhebung der Notverordnung, Reichspräsident ordnet Neuwahlen an. Dieser Teufelskreise wieder holte sich unter Papen und unter Schleicher, denn eine parlamentarische Mehrheitsregierung war nur mit entweder den Nationalsozialisten oder den Kommunisten möglich. Also: Präsidialkabinette funktionieren nicht, Hindenburg konnte aber nicht machen was er wollte, solange er sich nicht mit einer der beiden Radikalen zusammen tat.

Zu 3.: Hindenburg war Monarchisten, nicht Nationalsozialist! Hindenburg hat Hitler verabscheut und ihn gehasst, diesen „Böhmischen Gefreiten“. Er wollte weder eine Regierung der Nazis noch der Kommunisten, musste sich aber mit einem Einlassen. Zur damaligen Zeit war die Angst vor den Kommunisten extrem groß und Hitlers Rechte versprachen die Tilgung der „Schande von Versailles“ und „die Rückkehr zu einstiger Größe“. Kurz: Hindenburg wollte Hitler nicht, empfand ihn aber als „kleineres Übel“ und sah einige deckungsgleichen Ziele und hoffe, dass die anderen Parteien ihn in Schranken hielten ...

Zu 4.: Der Preußenschlag war die Absetzung der Landesregierung in Preußen durch Notverordnungen, wodurch Preußen - größtes Land im Deutschen Reich - direkt der Reichsregierung unterstellt wurde. Für die andern Länder erfolgte selbiges dann in der sog. „Gleichschaltung der Länder mit dem Reich“: Landesregierungen weg, statt derer Reichskommissariate, die direkt der Reichsregierung unterstanden. Der Föderative Charakter war damit quasi abgeschafft.

Zu 5.: Ich vermute du meinst den Kronprinzen. Den hat sich Hitler quasi zum Zweckfreund gemacht, indem er ihn quasi verkauft hat, die Monarchie wiederherzustellen. Er hat in quasi instrumentalisiert, um die Monarchisten auf seine Seite zu ziehen.

Zu 6.: Hindenburg - aus welchen Beweggründen auch immer - war nunmal der Mann, der Hitler in den Sattel half und viele Kommunen der Nachkriegszeit sahen solche Ehrenbürgerschaften als NS-Belastung. Berlin ist da nur die Aktuellste, auch Dortmund, München, Köln, Leipzig und noch andere haben ihn streichen lassen. Allerdings gab es auch Orte, wo sich diese Initiative nicht durchsetzte.

Zu 7.: Hoffe ich ist unter 3. schon dabei. Minderheitsregierungen fußen darauf, dass sie genügen Unterstützung aus der Opposition kriegen, andernfalls ist sie regierungsunfähig. Als die Radikalen die Opposition bildet, war dieser Machtpoker ohne Präsidialunterstützung nicht mehr zu machen.

Hindenburg war 1933 bereits 86 Jahre alt und dazu bereits totkrank. Der wollte eine parlamentarische Mehrheitsregierung, die so viele wie möglich von seinen eigenen Wünschen vertrat. Als Monarchist waren diese Überschneidungen bei den Nationalsozialisten und nicht den Kommunisten. Hitlers Ermächtigungsgesetze fußten ja bereits wieder auf Parlamentarischer Mehrheit und Hindenburg hatte damit schon gar nichts mehr zu tun.

Hoffe, das hilft dir etwas weiter und ich bin nicht zu sehr ins Fachchinesische abgedriftet:

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung

earnest  24.02.2020, 13:57

Weimar war keineswegs eine "Demokratie ohne Demokraten". Auch wenn das einige Historiker so behaupten mögen.

Und die Demokratie wurde auch nicht lediglich durch den Versailler Vertrag aufgezwungen: Sie war das Ergebnis der Revolution von 1918/19.

Selbstverständlich hatte "man" sich darüber Gedanken gemacht, wie es weitergehen könne - zum Beispiel in der SPD. Die Monarchie war abgewirtschaftet, Willi hackte Holz in Holland.

Für ein weiteres Durchgehen deiner Ausführungen fehlt mir gerade die Zeit.

Udo107  24.02.2020, 14:11
@earnest

Das System, das am Ende 1919 herauskam war ein aus der Not geborenes. Sowohl die SPDler, als auch die Zentrumsleute wollten eine parlamentarische Monarchie mit dem Kaiser als Regent. Für eine nicht Monarchische Staatsform lagen keine Pläne und nichts auf dem Tisch, die Beibehaltung der Monarchie lehnte die Entante aber ab und sagte, einen Frieden gibt es nur, wenn der Kaiser geht. Für das System „Republik“ gab es aber, wenige, die sich damit auskannten, noch weniger die es wollten und erst recht keinen der damit was anfangen konnte, weil die Republik nun mal nicht von den Deutschen gewählt, sondern vom Versailler Gewaltfrieden diktiert wurde. Die Revolutionäre von 1918/19 wollten natürlich die Demokratie und den Umsturz, für die Zeit danach hatten sie aber ebenso keine Pläne.

earnest  24.02.2020, 14:21
@Udo107

Ebert und die rechts SPD wollten eine parlamentarische Monarchie, aber keineswegs die gesamte SPD. Du lässt unzulässigerweise die Linke außen vor.

Deine Ausführungen, dass es nur wenige gegeben haben solle, die sich mit einer Republik auskannten, ist belanglos: Denn es gab in Deutschland ja nur eine extrem kurze Periode, in der dieser Begriff im Schwange war. Dass noch weniger es wollten, ist eine reine Behauptung. Dass niemand damit etwas anfangen konnte, ist eine Leerfloskel.

Der Ausdruck "Versailler Gewaltfrieden" stammt aus der Nazi-Propagandakiste.

Damit erledigt sich für mich jede weitere Diskussion.

Udo107  24.02.2020, 14:45
@earnest

Der Ausdruck „Versailler Gewaltfrieden“ ist ein historisch anerkannter Begriff, den du gerade mit „Schand- und Knechtfrieden“ sträflicher verwechselst. „Gewaltfrieden“ ist darüber hinaus ein zutreffender Begriff, da dieser ohne deutsche Beteiligung ausgearbeitet und der Deutschen Regierung dann vorgelegt wurde, ohne Spielraum für Verhandlungen. Wenn die provisorische Regierung Ebert nicht unterschreibt, würden die Entante Einmarschieren. Wie auch immer du es nennen willst, das hier sind die Fakten.

Wie du bei näherer Recherche ohne weiteres feststellen wirst, hatte sich die SPD bereits während des Weltkrieges gespalten in eine USPD und eine (M)SPD. Letztere - angeführt von Ebert - wollte die monarchische Kontinuität waren und die Entscheidung, ob Monarchie oder Republik, der verfassungsgemäßen Nationalversammlung überlassen. Der Versailler Vertrag, der jedweden Frieden mit einer monarchischen Regierung ablehnte, machte das aber hinfällig.

SPD und Koalitionspartner wollten die parlamentarische Monarchie, USPD die Revolution nach russischem Vorbild mit einer Diktatur des Proletariats. Die Nationalen wollten die Monarchie so behalten wie sie ist. Wo verstecken sich denn die Republikbefürworter 1918/19?

Deine Argumentation baut null auf konstruktiver, faktischer Argumentation auf, sondern besteht lediglich aus „Nein, Nein, Nein“ ohne da jetzt Parallelen ziehen zu wollen. Aber, da sachliche Argumentation und konstruktive Diskussion ja nicht zu deinen Stärken zu zählen scheint, kann ich auch nachvollziehen, dass du davon Abstand nimmst, was natürlich nicht zielführend, aber dein gutes Recht ist.

earnest  24.02.2020, 15:03
@Udo107

Deine wortreichen erneuten Ausführungen, die sich zum Teil in ad-personam-"Argumenten" ergehen, sind nicht geeignet, eine sachliche Diskussion zu befördern.

Halten wir erstens fest: Die Weimarer Republik war (nicht nur, was ihren Anfang betraf) KEINE "Republik ohne Demokraten".

Zweitens: Der von dir verwendete Begriff "Versailler Gewaltfrieden" ist ein Propagandabegriff. Ein Propagandabegriff, mit dem die Nazis Schindluder trieben. Zum Schaden Deutschland, wie wir alle wissen.

Eine weitere Diskussion mit dir halte ich nicht für sinnvoll. Was du davon hältst, dass ich mir dir nicht weiter diskutieren möchte, ist mir, pardon, schnurzegal.

Ciao.

Udo107  24.02.2020, 15:06
@earnest

Der Begriff Gewaltfrieden ist ein gewöhnlicher Ausdruck der Deutschen Sprache, der - ob du es glaubst oder nicht - im Duden steht: https://www.duden.de/rechtschreibung/Gewaltfrieden

Definiert als: Frieden, der dem Besiegten mit für ihn besonders ungünstigen Bedingungen aufgezwungen wird.

Die Definition trifft ohne Weiters und mit Fug und Recht auf die Pariser Vorortverträge zu. Daneben auch auf den Frieden von Brest-Litowsk, den Frieden von Tilsit und den Frieden von Frankfurt.
Willst du die ganze Deutsche Sprache verbieten, weil die Nazis sie verwendet haben?

Udo107  24.02.2020, 15:15
@earnest

Es zwingt dich auch keiner weiter zu tippen :) Aber die von dir fälschlicherweise aufgestellten Behauptungen kann ich nicht einfach so stehen lassen. Was du selber davon hältst ... verzeihe mir wenn ich dir deine eigenen Worte zurück gebe ... ist mir schnurzegal, aber unkommentiert falsches stehen zu lassen, geht mir leider gegen die Prinzipien. Und wie gesagt, dein „Ciao“ ist zur Kenntnis genommen, es zwingt dich keiner hier weiter zu tippen und ich erwarte auch keine Antwort mehr ...

Zwar halte ich es für Schade, aber da die Diskussion mit dir nirgendwo hinführt, halte ich sie ebenfalls für sinnbefreit.

Nochmals: Niemand zwingt dich zu reagieren ;)

earnest  24.02.2020, 15:17
@Udo107

Ich danke dir für deine Großmut und wünsche dir einen friedvollen Nachmittag.

;-)

Wenn es den alten und schwer kranken Mann denn überhaupt noch interessierte, dann hat ihn sicher der Artikel 2 des "Ermächtigungsgesetzes" getröstet. Dort stand, dass die Rechte des Reichspräsidenten "unberührt" seien.

Das war natürlich nur ein Pro-forma-Zugeständnis auf dem Papier, das mit der neuen politischen Realität nichts mehr zu tun hatte.

Gruß, earnest

  1. und 2. Ab der Wahl vom 5.3. hatten Hitler/Papen eine Mehrheit. Es war kein Präsidialkabinett mehr. Die DNVP hatte sich gegen die Wahl gesträubt, Hitler hatte sie überspielt und Neuwahlen erzwungen. Die machten ihn dann unabhängig von Hindenburg. Er hatte Papen/Hindenburg versprochen, unabhängig vom Wahlergebnis die DNVP-Leute in der Regierung zu belassen. Dieses Versprechen brach er dann schnell.

3. Hindenburg misstraute Hitler. Er wollte Monarchie, nicht NS-Diktatur.


Appelgriebsch  24.02.2020, 14:35

War nicht Merkel schuld? Wenigstens ein bisschen?