warum gibt es zwei Schöpfungsberichte in der Bibel und woher weiß man das beide stimmen?

10 Antworten

warum gibt es zwei Schöpfungsberichte in der Bibel

Es gibt zwar noch mehr, aber für die zwei der Genesis hat man folgende Erklärung: Es gab wohl zuerst die Paradieserzählung, die darstellen sollte, wie der Mensch zu dem wurde wie er sich für den Autor präsentierte. Im babylonischen Exil dagegen wurde die israelitische Elite mit der weit fortschrittlicheren Astronomie (und Astrologie) der Babylonier konfrontiert, und man stellte fest, der JHWH-Glaube brauchte diesbezüglich ein Update. Daraus entstand der 7-Tage Text - und er ist eine Ohrfeige gegen die Babylonier!

woher weiß man das beide stimmen?

Was genau meinst Du mit "stimmen"? Dass haargenau passiert ist was sie beschreiben, das "stimmt" nicht. Aber sie sind stimmig darin, was sie uns als Literatur und Dichtung vom orientalischen Menschen der Eisenzeit ausdrücken. Und darin findet sich in diesen beiden recht kurzen Dichtungen so viel Stoff, um seit Jahrhunderten darüber zu sinnieren, forschen und zu diskutieren.

Traditionell wird die Paradiesgeschichte für die ,,eigentliche" Schöpfungsgeschichte gehalten, sie war halt besser mit den spätbabylonischen Mythen, an welchen sich die mittelalterlichen Bibeldeuter orientierten, in Einklang zu bringen. Diese lehren einhellig die Erschaffung des Menschen durch menschengleiche Götter aus nichttierischen Substanzen, wahlweise Erde, Blut oder sogar Holz. In diesem Fall einigten sie sich auf Ersteres, weil es am ehesten zur fraglichen Textpassage (Gen. 2.7) passt. Außerdem glaubte man in der Paradiesgeschichte viele ausschmückende Details zu finden, welche im kryptisch und unpersönlich anmutenden Sechstagewerk scheinbar fehlen: Ausgangsmaterial (Erde (und Rippen)) für die Schöpfung von Mensch und Tier, Namen (Adam und Eva), eine eindeutige Rangordnung für die Geschlechter und nicht zuletzt mehr ,,Action" (Bösewicht, Verführung, Sünde, Strafe, Vertreibung). Infolgedessen wurde das Sechstagewerk auf fatale Weise ausgehöhlt und untergraben, indem behauptet wurde, es wolle lediglich eine grobe Übersicht über das Schöpfungsgeschehen liefern, während die Paradiesgeschichte die Details beleuchte. Noch heute tischen das Theologen ahnungslosen Bibellesern als ,,typisch hebräischen Erzählstil" auf. Diese Lesart führt aber zwangsläufig zu inakzeptablen Folgerungen, die Frage nach der Herkunft von Kains Frau ist dann nur ein Problem von vielen.

Tatsächlich ist das Sechstagewerk kein schmückendes Beiwerk, sondern der erste und grundlegendste Teil des biblischen Handlungsfadens, ja, der Unterbau der ganzen Bibel! Folgerichtig ist die Paradiesgeschichte keine primitive Wiederholung. Alles was im Sechstagewerk passiert, wird danach als gegeben vorausgesetzt. Besonders wichtig dabei ist, dass die Welt längst mit Menschen bevölkert ist (Gen. 1.26-31), als Adam die Bildfläche betritt. Die Paradiesgeschichte setzt das Sechstagewerk in lokalem Rahmen fort und dreht sich um die neolithische Kultivierung eines konkret eingegrenzten Gebietes (siehe Edenbeschreibung). Nun treten zum ersten Mal einzelne Personen aus der prähistorischen Gesamtmenschheit in den historischen Vordergrund.

Woher ich das weiß:Recherche

Die Bibel und vor allem das alte Testament ist kein "Buch", in dem Sinne, dass es wie ein Roman wäre.

Vielmehr ist es eine Sammlung von Texten, die aus verschiedenen Sprachen übersetzt wurden, von vielen Autoren und aus vielen Epochen stammen.

Wenn man die Bibel liest, ist das zu bedenken. Man frage sich, wer hat es für wen in welchem Zusammenhang geschrieben? Wie dachte man damals, was war der Sinn? Wie verstanden es die Menschen und wie haben wir es heute zu verstehen?

Vor diesem Hintergrund ist die Frage, was "stimmt" eine relative. Denn wenn jemand ein anderes Weltbild hat, von dem er spricht, wird es dann "falsch"?

Beachte auch, dass "die Welt ist eine Scheibe" aus dem Europäischen Mittelalter stammt. Zur Zeit Jesu' war man da gar nicht so doof. Weil die Babylonier in Astronomie recht fortschrittich waren und die Ägypter erst recht.

In diesem Sinne: Es haben beide Berichte ihre Berechtigung. Doch die Details würden den Rahmen von GF bei Weitem sprengen.


earnest  10.11.2021, 19:48

Fakt ist: Bericht Nr. 1 widerspricht Bericht Nr. 2.

Daraus sollte ein denkender Mensch seine Schlüsse ziehen können...

Mauritan  10.11.2021, 19:51
@earnest

Diese Logik ist recht plump. Und scheint meine Antwort zur Vielschichtigkeit der Texte nicht ganz verstanden zu haben.

earnest  10.11.2021, 19:52
@Mauritan

Deinen ersten Satz finde ich recht plump. Genau wie die halbe Unterstellung in deinem zweiten Satz.

Mal wieder die persönliche Ebene...

Ciao.

user234781123 
Beitragsersteller
 10.11.2021, 19:46

also wenn ich es richtig verstanden habe, meinst du, dass beide stimmen aber jeweils zu einer anderen Zeit gehören bzw. passen?

Mauritan  10.11.2021, 19:50
@user234781123

Im Großen und Ganzen "ja".

Was ich am Schöpfungssbericht so wunderbar finde, ist, dass er im Grunde zur Evolutionstheorie ("die Tiere haben sich entwickelt") viel besser passt, als zur Kreationstheorie ("alles wurde in 7 Tagen geschaffen").

Wir können davon ausgehen, dass viel Symbolik in diesen Büchern zu finden ist. Also "ein Tag" das Symbol für "eine Periode" sein könnte.

Die "Wahrheit" freiliich habe ich nicht. Und wenn jemand behauptet, sie zu haben, dann laufe ich schreiend davon, smile. Wir bleiben stets bescheiden Suchende.

Die Schöpfungsgeschicht ist der Versuch, die Entstehung und das Werden der Erde und der Menschheit zu erklären, da im ersten vorchristlichen Jahrtausend die Evolution noch nicht bekannt war, ebensowenig wie der Urknall, die millarden Jahr alte Erdegeschichte und die Entwicklung des Lebens.

Man führte die Welt auf das unmittelbare Wirken Gottes zurück (er hat gemacht), weil man es nicht besser wusste und weil der Mensch immer irgendwelche Erklärungen für das braucht, was er sieht und was um ihn ist.

Inwieweit es tatsächlich eine göttliche Inspiration für unsere Erde gibt, darüber kann man sich auch heute noch trefflich streiten. Sicher ist nur, dass das nicht am 23. Oktober 4004 vor Christus geschehen ist.


Mauritan  10.11.2021, 19:59

Ach, der Hochmut des modernen Menschen! Im ersten vorchristlichen Jahrtausend wusste man eine Menge über Astronomie. Deutlich mehr als später in Europa.

Abgesehen davon, dass ich den Urknall für kaum besser halte als "die Welt ist eine Scheibe". Bei Wegener lesen wir Details, warum. Doch das würde zu weit führen.

Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass in Ägypten und Babylon das Weltall recht gut beobachtet und relativ gut verstanden wurde. Wenn Du die Genesis selbst liest, dann steht dort auch gar nicht so drin, was uns manche Christliche Fundamentalisten einreden wollen, dass dort stünde.

Das Spannenste an Deinem Beitrag ist der "23.10.4004 v Chr." - wie und warum rechnet das jemand? Sind das die Zeugen Jehovas?

Ich weiß nur, dass sie irgendwelche Zahlenmystik (weil es recht gut erkennbar kultische Zahlen sind wie 12 mal 12) wörtlich nehmen und damit rechnen.

Altersweise  10.11.2021, 22:54
@Mauritan

Das ist die fiktive Zeitrechnung des irischen Bischofs James Ussher.

https://de.wikipedia.org/wiki/James_Ussher

Ägypter und Babylonier hatten zweifellos ausgezeichnete Kenntnisse der Astronomie, aufgrund fehlender technischer Mittel hatten sie aber nicht die Möglichkeit, das Universum zu beobachten und die wahrlich bahnbrechenden Erkenntnisse der Astrophysik gibt es erst seit der Beschreibung der Relativitätstheorie.

Ich gehe deshalb davon aus, dass auch unsere Altvorderen nicht über das heliozentrische Weltbild hinaus gekommen sind.

Mauritan  11.11.2021, 10:55
@Altersweise

danke für das Link!

In der Optik und Antriebstechnik (Stichwort: Weltraumteleskop Hubble) waren sie zweifellos weniger potent.

Manche sagen über Einstein: "Er schrieb nur nieder, wofür die Zeit reif war."

Doch hier wird es für mich Zeit, bescheiden zu sein. Denn ich verstehe ihn nur mehr in Bruchstücken. Die Formel kennt jeder, doch wer begreift sie wirklich in der Tiefe.

Da gibt es mittlerweile Mathematiker, die die SCHWERKRAFT der Zeit errechnen. Ich begreife kaum, warum sie überhaupt Schwerkraft hat. Wenngleich ich auf diese Mathematiker stieß, als ich mir selbst die Frage mal stellte.

Ach, wenn unser Wissen im Vergleich mit dem verfügbaren Wissen wenigstens die Größe eines Atoms hätte....

Altersweise  11.11.2021, 14:33
@Mauritan

Da spricht der Philosoph. Auch ich habe Probleme, mir eine gestauchte Zeit und einen gekrümmten Raum vorzustellen. Indes, für den Alltag auf der Erde reicht es aus. Deswegen ist die Menschheit auch so lange mit dem ptolemäischen Weltbild so gut zurechtgekommen.

Es gibt zwei Schöpfungsberichte, die verschiedene Blickwinkel auf das Geschehen werfen und einander ergänzen. Auf keinen Fall handelt es sich aber um verschiedene Schöpfungsberichte, die sich widersprechen. Wie beide zueinander passen, wird beispielsweise hier recht gut erklärt: 

Sehr empfehlenswert und interessant zur Frage ist auch der folgende Artikel: Genesis 1 und 2: Zwei sich ergänzende Schilderungen vom Anfang (wort-und-wissen)