Waren die Leute früher (50er/60er) freundlicher?
Ist natürlich blöd zu sagen, früher war alles besser. Das war es bestimmt nicht.
Aber einmal hab ich ja die Erzählungen meiner Großeltern und momentan lese ich ein Buch mit Tagebucheinträgen aus dieser Zeit.
Und ins Auge fällt halt, dass Wörter wie "Gastfreundschaft", "Herzlichkeit", "Freundlichkeit" immer sehr häufig vorkommen. Z.B. im Bus lauter herzliche Männer kennengelernt.
Ich lerne heute auch viele Menschen kennen. Aber ich finde, heute sind die Menschen oft sehr egoistisch und aggressiv. Es kommt immer sehr oft zu Streitereien.
7 Antworten
Als jemand, der diese Zeit bewußt erlebt hat:
ja, man ging höflicher und freundlicher miteinander um. Der wirtschaftliche Druck war nach dem Krieg ungleich höher und die soziale Absicherung war bei weitem vom heutigen Pampern entfernt, aber man half sich.
Aber, vielleicht auch dadurch, war der gemeinschaftliche Zusammenhalt hilfsbereiter und rücksichtsvoller. Allein als Beispiel im Bus / Zug: selbstverständlich wurde Älteren der Platz angeboten, einer Frau die Tür geöffnet und all die anderen Sachen, die der Herr Knigge so aufgeschrieben hatte.
mfg Jens
Ich glaube nicht, dass es so grosse Unterschiede zwischen heute und früher gibt. Die früher antrainierte Höflichkeit war ja nicht unbedingt ein Zeichen von Freundlichkeit, sondern gesellschaftlicher Zwang - genauso, wie der Spruch der Eltern: „Sag mal Danke“…
Die Leute waren damals weniger / anders belastet.
Vor 150 Jahren gab es circa. 7 Milliarden Menschen weniger.
Heute kommst du aus dem Stress nicht raus.
Immer überall erreichbar sein zu müssen macht dich zwangsweise irgendwie unsozial.
wer muss denn überall erreichbar sein? Die meisten Leute gehen nie ans Handy und rufen nie zurück.
Allenfalls unter Ihresgleichen. Dort hat man eine aufgesetzte Freundlichkeit gepflegt.
Die Umgangsformen waren anders und man hat sich gewählter ausgedrückt, auf dem Land in kleinen Gemeinden war vielleicht der Zusammenhalt aus der Not heraus etwas besser - man musste man miteinander klarkommen. Vom Ding her war es aber nicht besser, man hat nur eher hintenrum durch Denunzieren gearbeitet als dass man persönlich miteinander geredet habe.
Ich kenne so ein Verhalten teilweise bis heute von Leuten, die in den 30er-Jahren geboren sind und nach außen hin ach so freundlich und gesellig und herzlich, gastfreundlich und lustig auftreten, aber eigentlich keinen dieser Werte von Herzen verkörpern ... das merkt man zu dem Zeitpunkt, wenn man sie näher kennen lernt oder mal was macht, was ihnen nicht passt. Besonders viel Ärger dieser Art hatte ich mit Sudetendeutschen, vor allem aus dem Böhmerwald.
Und ins Auge fällt halt, dass Wörter wie "Gastfreundschaft", "Herzlichkeit", "Freundlichkeit" immer sehr häufig vorkommen. Z.B. im Bus lauter herzliche Männer kennengelernt.
Da liegt's aber auch daran, wie man sein Umfeld wahrnimmt und damals wurden gewisse Begriffe noch anders eingesetzt als heute - und der Wortschatz war im Schnitt deutlich größer. Man präsentierte sich zudem nach außen meist bewusst freundlich und herzlich, vor allem weil man Angst hatte, sein Gesicht und seine Ehre bzw. das Ansehen zu verlieren - viele Menschen waren nicht so selbstbewusst und noch sehr unsicher und ein kleiner Fehltritt im Verhalten hätte gerade im Ländlichen Raum, dem man seinerzeit nicht einfach so entfliehen konnte (es hatte nicht jeder ein Auto und der Bus war auch nicht immer erreichbar oder erschwinglich), zum sozialen Exitus beigetragen.
Aber ich finde, heute sind die Menschen oft sehr egoistisch und aggressiv. Es kommt immer sehr oft zu Streitereien.
Das waren die früher auch schon, nur haben sie es nicht so gezeigt und waren immer bestrebt, die Wertevorstellungen zu erfüllen - der Rahmen in der seinerzeitigen Gesellschaft war so eng, dass der moralische Bogen schon bei geringsten "Fehlverstößen" überspannt war- und dann war es auch vorbei mit dem guten Ruf und dem Ansehen.