Semantische Bedeutung von kritischen Wörtern ändern oder verbieten?
Guten Abend ihr alle!
Ich beschäftige mich gerade mit der Idee, dass gesellschaftlich kritische Wörter wie das N-Wort zB durch eine neutrale Verwendung wieder in Gebrauch kommen können oder ob zur Vermeidung des Wortmissbrauchs diese Wörter verboten bzw. kritisch bleiben sollen.
Das Wort mit der lateinischen Ursprungsform ‚niger‘ bedeutet grundsätzlich schwarz, genauso wie die u.a. diabetesbedingte Hautveränderung ‚Acanthosis nigricans‘ die dunkle Verfärbung charakterisiert. Das Wort hat später dann durch die salonfähige rassistische Abgrenzung und Unterwerfungsmissbrauch seine neutrale semantische Eigenschaft eingebüßt.
In diesem Sinne frage ich mich, inwiefern das Wort seine Neutralität zurückgewinnen kann, indem man es durch eine gesellschaftlich stringente korrekte Nutzung wieder neutral besetzt (genau wie Homosexuelle die ehemalige Beleidigung ‚Schwule’ den Namen zueigen gemacht und somit die Bedeutung umgekehrt haben) oder ob zur Vermeidung dieses Missbrauchs das Wort eben kritisch weiter betrachtet werden sollte.
Da das Thema heikel ist, hoffe ich, dass ich mich richtig ausgedrückt habe 😄.
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Die Semantik lässt sich nicht einfach ändern. Hierzu müsste das Wort über einen langen Zeitraum von einer verhältnismäßg großen Gruppe intensiv semantisch anders genutzt werden; während dieser Zeit würde die Nutzung weiterhin diskriminierend bleiben. Zumal ich annehme, dass sich gerade bei Wörtern wie dem N-Wort, die so gut historisch und gesellschaftlich dokumentiert sind, kein großer einheitlicher semantischer Wandel herbeiführen lassen würde.
Ich sehe bei einem Wort wie N..... keinen Sinn darin, die ursprüngliche Bedeutung wiederzubeleben. Wir können schwarz sagen, wir können Schwarzer sagen, kurz - wir können das Wort vermeiden.
Daher wäre es in meinen Augen unsinnig, die ursprüngliche Bedeutung auf Teufel komm raus wiederherzustellen.
Außerdem bin ich wirklich kein Anhänger der Cancel Culture, aber das Wort ist wirklich eindeutig negativ behaftet - es geht hier nicht um ein Wort, das auf die schiefe Bahn geraten ist, es geht um ein Wort, das seit Jahrhunderten als Schimpfwort gebraucht wird.
Also, kurzgesagt: wenn wir keine anderen Probleme mehr auf der Welt haben, können wir uns der Wiederherstellung der Sprache widmen. Bis dahin sehe ich aber absolut keinen Sinn darin.
Sehe ich ähnlich. Würde die Idee auf andere Wörter zutreffen? Wie z.B. das aus der NS-Zeit stammende "asozial"?
Das ist das Problem bürgerlicher Denkweisen. Bewusstsein würde Sein bestimmen oder eben Semantik den Inhalt/Bedeutung eines Begriffs. Es ist umgekehrt, daher kann ich mit deinen möglichen Antworten nichts anfangen. Der Inhalt von Begriffen ist eine Spiegelung gesellschaftlicher Zustände und sozialer Verhältnisse. Wer die Bedeutung eines Begriffs geändert sehen möchte muss letzlich eine Veränderung dieser Zustände bewirken. Insofern werden solche semantischen Begriffsänderungen (etwas anderes sind Ächtrungen von bestimmten Begriffen faktisch ja nicht) nie das Resultat haben das sie sollen.