Platons Urbilder?

3 Antworten

Platons Urbilder ist eine andere Bezeichnung für Ideen. An Platons Philosophie ist die Ideenlehre wichtig. Das Sonnengleichnis, Liniengleichnis und Höhlengleichnis in seinem Werk »Politeia« können nur unter Berücksichtigung der Ideenlehre richtig verstanden werden.

Nach der Lehre Platons sind die Ideen wirklich Seiendes, in sich selbst gleiche (mit sich selbst identische) Wesenheiten. Eine Welt der Ideen bildet einen Bereich für das Denken einsehbarer Dinge. An der Spitze dieses geistig erfaßbaren Bereiches steht die Idee des Guten (ἡ τοῦ ἀγαθοῦ ἰδέα Politeia 517 c).

Von diesem Bereich unterscheidet Platon eine Welt der Erscheinung, die durch die Sinne wahrgenommen werden, ein Bereich des Werdens und Vergehens (vergänglich). Die Einzeldinge haben zu den Ideen eine Verbindung, die in bildlich-übertragener Ausdrucksweise ein Urbild-Abbild-Verhältnis genannt werden kann (ein Muster/Vorbild [παράδειγμα] und ein Abbild [εἰκών; εἴδωλον]). Platon schreibt von einer Teilhabe (μέθεξις) der Einzeldinge an den Ideen. Im Einzelding gibt es eine Anwesenheit/Gegenwärtigkeit (παρουσία) der Idee. Zwischen Idee (ἰδέα) bzw. anders ausgedrückt Form (εἶδος) und ihr zugehörigem Einzelding gibt es eine Gemeinschaft (κοινωνία).

Letztlich gehören die beiden Welten/Bereiche zusammen.

Einzeldinge sind teils Idee, teils Nicht-Idee (etwas, das nicht dem Wesen nach notwendig zu dem bestimmten Etwas, welches die Idee ist, gehört). Ideen sind nur rein die bestimmte Sache selbst und stehen damit auf einer höheren Seinsstufe als die Erscheinungen.

Die Seele hat nach einigen Darstellungen Platons vor ihrer Existenz in einem einzelnen Menschen Ideen geschaut. Dieses Wissen ist beim Aufenthalt der Seele im Körper nur noch verborgen, der Möglichkeit nach vorhanden, kann aber durch einen geistigen Anstoß aktiviert werden. Daher sind Lernen und Erkennen in gewissem Sinn Wiedererinnerung/Anamnesis (ἀνάμνησις).

Ein Einzelding wie ein einzelner Stuhl ist ein konkreter Gegenstand, der mit Hilfe von Sinneswahrnehmung bekannt ist, aber nicht rein die Sache Stuhl selbst. Am wahrnehmbaren Einzelding Stuhl ist auch etwas, das nicht zum Stuhl-sein als solches gehört. So hat ein einzelner Stuhl eine bestimmte Farbe (z. B. braun oder weiß), besteht aus einem bestimmten Material (z. B. Holz oder Plastik), ist gepolstert oder nicht gepolstert. Diese bestimmten Eigenschaften hat nicht jeder Stuhl. Dies ist also nichts, was allgemein notwendig zum Stuhl gehört.

Im Unterschied dazu gibt es die Idee Stuhl, etwas, das bei jedem Stuhl vorliegt und mir der allgemeinen Frage „Was ist ein Stuhl?“ gesucht werden kann. Die Menschen Können es mit begrifflichem Denken erfassen. Beim Stuhl ist für die Idee seine Funktion wesentlich, nämlich zum Daraufsitzen geeignet zu sein.

Ebenso kann danach gefragt werden, was das Gerechte selbst ist, also etwas, das allen einzelnen gerechten Handlungen und Zuständen gemeinsam ist. Dies ist nach Platon die Idee des Gerechten/der Gerechtigkeit.

Die Welt der Ideen ist ein Bereich des Seienden, zeitunabhängig, unkörperlich, unwandelbar. Eine Idee kann als innere Form, die spezifische (besondere) Natur (das Wesen) einer Sache verstanden werden.

Ohne Ideen gibt es nach Platons Lehre kein Wissen, keine Erklärung der Wirklichkeit und kein begründbares moralisches Handeln. Das Denken kann nur etwas erfassen, das etwas Bestimmtes ist. Platon versteht diese bestimmte Wesenheit, die Idee (ἰδέα oder εἶδος genannt), als grundlegend. Die Idee ist vom Sein her vorrangig.

Platon hat nach antiken Zeugnissen eine Prinzipienlehre (griechisch ἀρχή = Prinzip) vertreten, zu der es in den schriftlichen Dialogen nur einige andeutende Hinweise gibt. Platon hat sie mündlich vorgetragen („ungeschriebene Lehre“) und mit anderen erörtert. Als Prinzip der Einheit verleiht das Eine (ἕν) als Idee des Guten allem Grenze und Bestimmung und damit Existenz und Erkennbarkeit. Zu diesem ersten Prinzip tritt – ihm auf gewisse Weise untergeordnet – als ein zweites Prinzip die unbegrenzte/unbestimmte Zweiheit (ἀόριστος δυάς), von der die Vielheit abgeleitet ist. Dieses Materialprinzip für Ideen und Sinnendinge wird auch als Groß – Kleines (μέγα καὶ μικρόν) bezeichnet.


Albrecht  07.11.2013, 23:32

In Büchern gibt es ausführlichere Darstellungen, z. B.:

Michael Erler, Platon. Beck : München, 2006 (Beck`sche Reihe: bsr - Denker; 573), S. 143 - 171

Michael Erler, Platon (Grundriss der Geschichte der Philosophie. Begründet von Friedrich Ueberweg. Völlig neu bearbeitete Ausgabe. Herausgegeben von Helmut Holzhey. Die Philosophie der Antike - Band 2/2). Schwabe : Basel ; Stuttgart, 2007, S. 390 – 430

Gyburg Radke, Platons Ideenlehre. In: Klassische Fragen der Philosophiegeschichte I: Antike bis Renaissance. Herausgegeben von Franz Gniffke und Norbert Herold. Münster ; Hamburg; London : Lit Verlag, 2002 (Münsteraner Einführungen - Philosophie; Bd. 3/I), S. 17 – 64

Jan Szaif, Epistemologie. In: Platon-Handbuch : Leben, Werk, Wirkung. Herausgegeben von Christoph Horn, Jörn Müller und Joachim Söder. Unter Mitarbeit von Anna Schriefl und Simon Weber. Stuttgart ; Weimar : Metzler, 2009, S. 112 – 130

Benedikt Strobel, Idee/Ideenkritik/Dritter Mensch. In: Platon-Handbuch : Leben, Werk, Wirkung. Herausgegeben von Christoph Horn, Jörn Müller und Joachim Söder. Unter Mitarbeit von Anna Schriefl und Simon Weber. Stuttgart ; Weimar : Metzler, 2009, S. 289 – 296

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Schau mal unter "Höhlengleichnis" nach. Alles was wir wahrnehmen ist nur ein Schatten/ Abbild des Ursprünglichen....


faro123 
Beitragsersteller
 07.11.2013, 23:27

hey ja ich habe das Höhlengleichnis verstanden:) also sind die Schatten sozusagen die Urbilder also etwas was vorgegeben wird aber von jedem Menschen anders interpretiert wird ?

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Larinka  08.11.2013, 04:36
@faro123

Das Urbild oder besser die Idee an sich können wir nicht sehen, wir sehen nur die Schatten. Diese sehen für alle Menschen so ziemlich gleich aus. Platon ging es nicht um die Wahrnehmung des Individuums, das ist eine sehr neumodische Idee, sondern um unsere Unfähigkeit, die Dinge an sich, also die Idee zu sehen.

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