Pferd klebt plötzlich an der Herde. Was tun?
Wir haben vor gut 2 Monaten eine neue Stute gekauft. Sie war zuvor 10 Jahre bei ihrer Vorbesitzerin und wurde dort nachts in der Box und tagsüber auf dem Paddock gehalten, jedoch alleine. Bei uns steht sie im Offen-/Laufstall.
Bis jetzt war alles gut, sie war brav, hat sich gut händeln lassen, auch wenn wir alleine ausgeritten sind. Sie wurde ca. 6 Wochen lang in diese Herde eingewöhnt, d. h. mehrere Stunden tagsüber in ihrer Herde und nachts dann in einer Eingewöhnungsbox. Seit ca. 1 Woche steht sie endgültig in der Herde und scheint auch angekommen zu sein (frisst, liegt, etc.) Nun macht sie aber seit ein paar Tagen Schwierigkeiten, wenn wir mit ihr rausgehen. Sie hat sich beim Spaziergehen total aufgeführt und es war nicht leicht sie zu händeln. Ich bin mit Knotenhalfter raus.
Da sie jetzt ein paar Tage eine Verletzung hatte, konnten wir sie nur in Schritt bewegen . Wir sind mit ihr im Schritt ausgeritten und es war ne echte Diskussion, sie vom Stall zu bekommen. Beim Ausritt (zusammen mit unserem anderen Pferd) war sie dann aber brav und machte auch keinen Ärger mehr.
Ich habe gestern einen neuen Spaziergehversuch gestartet und es war nicht so wirklich schön. Ich habe mich in einer kleinen Entfernung vom Stall bewegt, bin viel stehen geblieben, habe gewartet, bis sie abschnaubt oder den Kopf senkt und bin dann erst weitergelaufen. Sie hat dann ein paar Schritte gut gemeistert und dann fing sie wieder an.
Ich habe nun Sorge, dass sich das auch auf das Reiten auswirkt (vor allem in der Halle).
Wir machen regelmäßig Bodenarbeit mit ihr und da ist sie auch meistens eine coole Socke, d.h. sie kennt das von früher auf jeden Fall. Zwar disskutiert sie manchmal ein bisschen, aber das geht dann schon immer, wenn wir konsequent bleiben.
Bei ihrer Vorbesitzerin wurde sie in letzter Zeit nur im Gelände geritten, also sollte es nicht daran liegen, dass sie das nicht kennt.
Meine Vermutung ist nun, dass sie Gefallen an ihrer "Herdenhaltung" gefunden hat und nun Angst hat, dass sie da nicht wieder reinkommt. Wir versuchen immer wieder vom Hof zu gehen und dann wieder zurück, dass sie merkt, dass sie immer wieder zurückkommt. Wir arbeiten daran, dass sie Vertrauen zu uns aufbaut, denn daran hapert es auf jeden Fall noch.
Hat jemand da Erfahrung mit so einer Situation und könnte uns noch weitere Tipps geben?
Vielen Dank!
8 Antworten
- ist die Stute vielleicht rossig? Da sind einige besonders anhänglich
- ja, Angst, wieder in der Isolation zu enden, kann natürlich gegeben sein. Evtl ist professionelle Hilfe nötig. Ich würde, wenn es ein paar nette Mitreiter gibt, mal einfach versuchen, dafür zu sorgen, dass bei zunächst kleinen Ausritten immer ein vierbeiniger Freund hinter jeder Ecke oder „am Ziel“ wartet.
Nein, rossig war sie erst. Da war das alles gar kein Problem. Wir haben zum Glück 2 Pferde, sodass wir immer zu 2 sein können.
Ersten ist es absolut im Rahmen, dass Pferde nach ein paar Wochen beim neuen Besitzer, im neuen Stall etc. anfangen, die Dinge in Frage zu stellen. Das ist wirklich nicht ungewöhnlich. Zweitens darf das Tier nun endlich ein normales Sozialleben haben, was ihm die Trennung von den anderen aktuell sicher noch schwerer macht. Es kennt euch noch nicht und weiß nicht, ob ihr euch (auf Dauer) vertrauenswürdig erweist und die - in Pferdeaugen - richtigen Entscheidungen treffen könnt. Daher sagt sie erstmal klar und deutlich, dass sie gerne bei ihren Kumpels bleiben möchte - und somit in Sicherheit.
Das Pferd hat viel zu verarbeiten: Besitzerwechsel, Stallwechsel, andere Haltungsform. Also gib ihm bitte Zeit, bleib ruhig, geduldig und konsequent, dann kapiert sie am schnellsten, dass es ihr nicht schadet, was der Mensch von ihr möchte. Du bist auf dem richtigen Weg, wenn du das kleinschrittig angehst. Erstmal nur ein paar m vom Hof weg, gemeinsam mit anderen Pferden raus, etc. Bleib entspannt und versuche bitte, aus Pferde- nicht aus Menschensicht zu handeln. Für dich ist klar, es ist nur ein Spaziergang und ihr seid in absehbarer Zeit zurück - für dein Pferd nicht. Es ist geprägt von jahrelanger falscher Haltung, es kennt dich nicht bzw. noch nicht gut genug, also fragt es nach. Das meint es keineswegs böse, es ist an dir dem Tier zu zeigen, dass es sich auf dich verlassen kann.
Danke für die tolle Antwort. Das bestätigt auch meine Vermutung. Wir haben jetzt begonnen, nur ein paar Schritte vom Hof zu gehen und dann wieder zurück.
Heyyy
es ist vollkommen normal, dass es solche „Rückfälle“ gibt und okay.
Ich würde dir folgende Sachen empfehlen:
1) Bodenarbeit/Horsemanship um das Vertrauen zu stärken
2) kleine Runden gehen und sich immer steigern
3) Andere Pferde mitnehmen
Das wären jetzt die Besten Methoden. Sollte es sich nach ein paar Wochen nicht gebessert haben würde ich dir empfehlen einen Trainer zu kontaktieren, der mit ihr arbeiten kann.
Häufig wird dabei folgendes gemacht: Man macht es dem Pferd „ungemütlich“ bei der Herde und gemütlicher je weiter weg man ist. Der berühmte Pferdemann Buck Brannaman macht das z.B. so. In seinem Buch wird das nochmal sehr schön erklärt. Ungemütlich bedeutet natürlich nicht Schmerzen!! Es bedeutet einfach, dass von dem Pferd etwas gefordert wird.
Diese Methode sollten allerdings nur Profis vollziehen.
Ich würde nochmal ein paar Wochen so weitermachen. Wenn es schlimmer wird, dann solltet ihr mal die genaue Ursache suchen. Ist es die Herde, ein bestimmtes Pferd, welcher Radius ist OK usw... Dann fängt ihr da auch mit dem Training an. Wenn sie es völlig übertreiben sollte, macht ihr das auch. Dh, ihr schnappt euch das Pferd und sobald es damit anfängt geht ihr zurück auf den Hof und bewegt es da. Und zwar ordentlich. Es muss gleichzeitig verstehen, dass es immer mit euch geht, als auch, dass es im Stall quasi anstrengender als draußen ist.
Ich denke das sind ganz normale Trennungsängste, das ist okay und durch den Stallwechsel auch natürlich. Lässt ihr erst noch ein bisschen Zeit, bevor ihr mit dem Training anfangt. Im Notfall professionelle Hilfe suchen, die haben oft noch mehr Ideen und Input als du hier bekommst.
Was mir noch einfällt ist, dass ihr übty euch mit einem anderen Pferd vom Stall zu entfernen (ausreiten, Spazierengehen) und das sich dann trennt, ihr es aber nach kurzer Zeit wieder trefft. Die Zeitspanne verlängert ihr dann, bis ihr das Pferd quasi nur noch beim abritt und Ankunft braucht. Dann kannst du das auch antrainieren und fertig. Aber da muss man für jedes Pferd eine persönliche Variante finden 😉
Herzlichen Glühstrumpf... Das arme Tier konnte jahrelang seinem innersten Bedürfnis nicht nachgehen: Herde
Herde bedeutet Schutz, wer alleine ist (als Pferd), der wird mit ziemlicher Sicherheit gefressen! Klar, als domestizierte Hauspferde natürlich nicht mehr, aber das wissen Pferde nicht, denn das Bedürfnis nach einer Herde ist in der Bedürfnispyramide auf zweiten Platz gesetzt.
Jetzt hat sie eine Herde und natürlich hat sie jetzt Verlustängste.
Jedoch ist an der Herde kleben immer nur ein Symptom, das man alleine nicht angehen sollte, sondern die Ursache mit behandeln und hier ist die Ursache klar: Jahrelange Misshandlung durch fehlerhafte und tierschutzwidrige Haltung.
Gebt ihr bitte Zeit in der Herde, sich richtig einzleben, das dauert gern mal bis zu einem Jahr.
Erspart ihr den Stress erst mal, alleine raus zu müssen und arbeitet mit ihr daran, dass sie "bei euch" ist. Ihre Gedanken driften sofort ab Richtung Herde, ihr Fokus, ihr ganzes Wesen ist auf die Herde fixiert.
Jetzt müsst ihr dem Pferd klar machen, dass ihr genauso eine Herde sein könnt, sie kann sich genauso auf euch verlassen, wie auf ihre Pferdekumpels.
Agiert so, dass ihr a) ihre Aufmerksamkeit bekommt und b) ihr das Gedankenkarussell das sich nur noch um die Herde dreht, durchbrechen könnt.
Dies gelingt am besten mit einem guten (horsemanship) Trainer.