Nummerierung der Nebengruppen?

1 Antwort

Vom Beitragsersteller als hilfreich ausgezeichnet

Ich bin kein Historiker, aber ich stelle mir das so vor:

Zum Aufstellen des PSE gab es nur zwei Hinweise: Erstens die Atommassen, die bis auf wenige Ausnahmen parallel zur Ordnungszahl ansteigen und damit die Elemen­te in eine lineare Reihe brachten (Ordnungszahlen konnte man im 19. Jahrhundert nicht direkt messen). Zweitens die Stöchiometrien der Verbindungen, also letztlich das, was wir heute die Oxidationszahlen nennen.

Und dabei stellte man jetzt folgendes fest: Irgendwo in der Liste gibt es ein Element, das nur in der Oxidationszahl +I vorkommt, z.B. Natrium. Das nächste ist dann in +II zu finden (Mg), weiter Al⁺ᴵᴵᴵ bis Cl⁺ⱽᴵᴵ. Dann sollte man ein Element mit +VIII erwarten, aber das gab es nicht — dafür hatten die Atommassen eine größere Lücke (Cl 35, K 39), also gab es da wohl noch ein Element zu entdecken.

Danach gibt es mit Kalium wieder bei +I los, dann Ca⁺ᴵᴵ, Sc⁺ᴵᴵᴵ, Ti⁺ᴵⱽ etc bis Mn⁺ⱽᴵᴵ, aber die nächsten Elemente gurkten alle bei +II oder +III herum. Das war verwirrend, aber an­de­rer­seits waren sich diese drei untereinander wieder sehr ähnlich, also hat man sich wohl gedacht „Hmm, dort wo wir +VIII erwarten, passiert immer was Komisches, da­mit müs­sen wir wohl leben“ und die drei Elemente einfach zu einer Triade zu­sam­men­gefaßt.

Danach gibt es wieder mäßig vernünftig weiter: Cu⁺ᴵ, Zn⁺ᴵᴵ, Ga⁺ᴵᴵᴵ usw. bis Br. Natür­lich gab es da auch Probleme: Cu⁺ᴵ gibt es zwar wirklich, aber es ist nicht die höchst­mög­liche Oxidationszahl, und nicht einmal die stabilste. Aber die anderen Elemente in der Nähe können alle gar kein +I, und in der nächsten Periode wird das dominant ein­wer­ti­ge Silber an derselben Stelle stehen, deshalb drückte man beide Augen zu. Beim Brom war es enervierend, daß man kein Br⁺ⱽᴵᴵ herstellen konnte (das gelang erst ≈1970), an­de­rer­seits paßte es in allen anderen Eigenschaften so perfekt zu Cl und I, daß man dar­über hinwegsehen konnte.

Das zeigt, wie man Wissenschaft rein empirisch betreiben muß, wenn man keine The­orie als Leitfaden hat: Man erfindet irgendwelche einfache Regeln, und wenn sie nicht klappen, dann muß man Ausnahme-, Zusatz- oder Augenzudrückregeln dazu­­er­fin­den, bis es entweder wieder klappt, oder die Sache so unverhältnismäßig kom­pli­ziert wird, daß man annehmen muß, am Holzweg zu sein (z.B. Epizykel).

Und um die ganzen Irregularitäten kümmert man sich später, oder schiebt sie auf die nächste Generation ab, die mit einem frischen Blick etwas findet, woran die alten Säcke nie gedacht hätten. Oft kommt dann der große Durchbruch aus einem ganz an­de­ren Wissenschaftsbereich, in dem Fall aus der Physik (Quntenmechanik).

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Chemiestudium mit Diss über Quanten­chemie und Thermodynamik

DedeM  17.09.2019, 19:39

Dafür, dass du kein Historiker bist und dir das „nur” so vorstellst, hast du es ziemlich präzise auf den Punkt gebracht. Kompliment...

0
DrJonasHeim 
Beitragsersteller
 17.09.2019, 21:41

Das klingt plausibel. Und in den meisten PSE Abbildungen ist ja auch in Klammern die "neue" Nummerierung von 1 bis 18 angegeben. Solange man noch keinen genauen Atomaufbau messen konnte, wäre die (maximale) Oxidationszahl auch ein gutes Ordnungskriterium.

Aber ich glaube die heutige Darstellung und Sortierung des PSE fand schon mithilfe der Ordnungszahl/der Protonenzahl statt. Nur warum hat man nicht einfach bis 10 weiter gezählt (Fe-Gruppe= 8. Nebengruppe ; Co-Gruppe= 9. NG; Ni-Gruppe=10. NG)? Oder es zumindest geändert, als man es besser wusste?

Eine Idee: Man wollte die Harmonie/Symmetrie zu den Hauptgruppen: Also genausoviele Nebengruppen wie Hauptgruppen.

Also wer noch eine Idee, oder echtes Wissen hat...

1
ThomasJNewton  17.09.2019, 22:03
@DrJonasHeim

Harmonie/Symmetrie zu den Hauptgruppen war auch meine Idee. Außerdem sind ja alle Elemente der 2. und 3. Reihe der Nebengruppen 8 - 10 Edelmetalle, analog zur HG 8, den Edelgasen.

0
indiachinacook  17.09.2019, 22:09
@DrJonasHeim

Nein, die Ordnungszahl war im 19. Jhd. nicht bekannt, es gab ja keine Methode, mit der man sie hätte messen können. Überhaupt war das ganze Konzept des Atom­kerns unbekannt (Rutherford’s Streuexperiment kam erst 1911), und die Entdeckung des Protons 1886 hatte niemand mit dem Atombau in Verbindung gebracht. Менделеев hatte sein erstes Perioden­system bereits 1869 publiziert.

Ich weiß nicht, ob OsO₄ und RuO₄ als bekannteste Verbindungen der Oxidations­stufe +VIII be­reits bekannt waren, was eine Einordung in der Gruppe VIII natür­lich weiter ge­recht­fer­tigt hät­te. Aber in der ganzen Triade beobachtet man im­mer, daß die Ele­men­te (Fe, Co, Ni) und (Ru,Rh,Pd) und (Os, Ir, Pt) einander sehr ähnlich sind. Und das ist be­mer­kens­wert, denn nor­ma­ler­weise sind die Elemente einander ähnlich, wenn sie in der gleichen Gruppe stehen und nicht, wenn sie aufeinanderfolgen.

Eine 8. Hauptgruppe gab es damals übrigens noch nicht, denn die Edelgase wur­den erst ≈1900 ent­deckt (vom Helium hatte man zwar 1868 bereits ein Spek­trum aus der Sonnen­atmo­sphäre gemessen, aber dazu gab es keine Atom­masse, also konnte man es nicht einbauen).

1