[LGBTQ+] Wieso akzeptieren viele nicht, dass man sein Geschlecht so oft und wann immer man will ändern kann?
Und wieso akzeptieren viele nicht, dass es weitaus mehr wie 2 Geschlechter gibt - sondern mindestens 30?
25 Stimmen
15 Antworten
In der BRD wird das Geschlecht eines Menschen in die Geburtsurkunde eingetragen und später in den Personalausweis. Dafür gibt es momentan vier Alternativen. Es ist ziemlich sicher nicht möglich dies so oft zu ändern wie man will. Das Geschlecht ist in diesem Fall eine katalogisierende Beschreibung. Das Geschlecht ist diesbezüglich keine naturgegebene Größe sondern nur ein Hilfsmittel zur quantitativen Erfassung einer sozialrelevanten Eigenschaft. Welche Merkmalsausprägungen dabei erfasst werden sollen, wird von der Gesellschaft und nicht vom einzelnen bestimmt.
Man kann sich aber mal mehr oder weniger unterschiedlich empfinden, und dies darf man natürlich auch seiner Umgebung mitteilen. Es scheint mir aber sehr zweifelhaft, ob es sinnvoll ist diese Mitteilung an die Umgebung häufig zu ändern. Man wird dadurch nicht unbedingt glaubwürdiger.
P.S.: Hinweis: Im Tierreich ist das Geschlecht eines Tieres manchmal nicht durch die Genetik vorgegeben (Lippfische, Nacktmulle). Die Eindeutigkeit eines Geschlechts eines Individuums im Sinne einer katalogisierenden Beschreibung ist in diesen Fällen nicht möglich. Da war der Biologieunterricht bei einigen Usern etwas zu wenig informativ.
Du hast recht. Ich hatte eine veraltete Darstellung bezüglich der Nacktmulle. Ich weiß nun nicht ob es eine Säugetierart gibt, bei der das Geschlecht nicht durch die Genetik bestimmt wird.
Ich vermute das liegt ganz pragmatisch vor allem daran, dass es unpraktisch und unbequem ist. Wenn wir einen Menschen das erste Mal sehen, dann bilden wir uns innerhalb von Augenblicken ein Urteil, welches Geschlecht dieser Mensch hat. Und mit diesem Urteil wenden wir auch gleich unsere Vorstellung davon auf diesen Menschen an, welche Eigenschaften Menschen dieses Geschlechts üblicherweise haben. Damit meinen wir dann schon viel über diesen Menschen zu wissen. Es mag nicht immer alles stimmen - aber Quantität schlägt in diesem Fall Qualität. Daran sind wer gewöhnt. Wenn nun Menschen unsere Vorstellung davon in Frage stellen, was die Eigenschaft eines Geschlechts sind, dann ist das unbequem. und ungewohnt.
Wenn man sich etwas tiefer mit der Thematik beschäftigt, dann wirft die Idee von wechselbaren Geschlechtern und mehr als den zwei biologischen Geschlechtern Fragen auf, die schwer zu beantworten sind:
Was ist (biologisches) Geschlecht?Historisch gesehen bezeichnet Geschlecht die Einteilung von Individuen einer Spezies in Gruppen, von denen aus jeder Gruppe genau ein Individuum erforderlich ist um gemeinsam Nachkommen zu zeugen. Das sind in der bisher bekannten Biologie immer genau zwei Gruppen. Diese nennen wir weiblich und männlich Beim Menschen sind dies Frau und Mann. Bei Hühnern Henne und Hahn, bei Pferden Stute und Hengst, etc. Dass wir insbesondere bei Nutztieren eigene Namen für weibliche und männliche Individuen einer Art haben zeigt schon, dass diese Einteilung eine hohe Relevanz hat. Bei Hühnern war es schon immer offensichtlich; bei Säugetieren dagegen wurde erst nach der Erfindung des Mikroskops erkannt, dass sich weibliche Individuen durch die Produktion von Eizellen, die männlichen durch Produktion von Spermien auszeichnen. Noch deutlich länger hat es gedauert bis erkannt wurde, dass bei den (meisten ?) Säugetieren das Geschlecht durch die Geschlechtschromosomen XX bzw XY determiniert wird, wobei das Y Chromosom eine männliche Entwicklung determiniert, die Abwesenheit des Y eine weibliche.
Was unterscheidet die Geschlechter?
Erwachsene menschen mit Eierstöcken (Frauen) und erwachsene Menschen mit Hoden (Männer) unterscheiden sich in vielerlei Weise. Diese Unterschiede sind aber zum größten Teil nicht binär, sondern statistisch. Einige Beispiele:
- Frauen haben im Durchschnitt größere Brustdrüsen
- Männer sind im Durchschnitt aggressiver
- Frauen sind im Durchschnitt sozialer
- Männer haben im Durchschnitt mehr Kraft und Ausdauer
- Frauen tragen häufiger Röcke
- Männer haben mehr Gesichtsbehaarung
- Frauen schminken sich
- Männer tragen Krawatten
- Frauen kümmern sich mehr um den Nachwuchs und die Pflege der Eltern
- Männer ergreifen Berufe mit höherem Einkommen
- Frauen haben weibliche Geschlechtsmerkmale
- Männer haben männliche Geschlechtsmerkmale
- Frauen sind kleiner
- ...
Dies alles sind, um es nochmals zu betonen, statistische Unterschiede. Sie entsprechen nicht immer dem biologischen Geschlecht. Es gibt Männer mit weiblichen Geschlechtsmerkmalen und umgekehrt. Manche dieser Eigenschaften sind biologisch determiniert, andere sind kulturell gewachsen.
Diese Unterschiede werden häufig klassifiziert in unter anderem: Geschlechterrollen, Geschlechtspräsentation, Geschlechtsmerkmale, Fremdwahrnehmung des Geschlechts
Kann man sein Geschlecht wechseln (und wie oft) ?Das kommt darauf an, was man damit meint. Man kann sehr einfach seine Geschlechtspräsentation wechseln indem man sich anders kleidet und frisiert. Durch anderes Verhalten kann man mindestens Teile der Geschlechtsrolle wechseln. Um Geschlechtsmerkmale zu wechseln sind Operationen und/oder langfristige Medikamenteneinnahme erforderlich - mit nicht immer überzeugendem Ergebnis. Das biologische Geschlecht lässt sich (bisher) nicht wechseln. Eine Frau kann nicht mit einer anderen Frau Kinder zeugen.
Geschlechtsbezogene Privilegien
Es gibt Bereiche in der Gesellschaft, die für ein Geschlecht reserviert sind: Frauensauna, Frauenhaus, Priesteramt, Herrensport, Damensport, Sammelumkleiden…
Dies hat mit jeweils unterschiedlichen Eigenschaften der Geschlechter zu tun:
- Sauna, Umkleiden: Sichtbare Geschlechtsmerkmale
- Frauenhaus: Aggresivität, Kraft
- Priesteramt: Kulturelle Prägung
- Sport: Kraft, Ausdauer, Größe
Wenn man diese Dinge verstanden hat, dann kann man differenziertere Fragen stellen und dann auch leicht beantworten. Zum Beispiel Sauna: Kann man an geraden Tagen in die Herrensauna und an ungeraden Tagen in die Damensauna gehen, weil man jeweils das passende Geschlecht annimmt? Nein das kann man nicht. Eine Anpassung der Geschlechtsmerkmale ist nicht so schnell und nicht so oft möglich.
Kann ich an geraden Tagen Damenkleiden und an ungeraden Tagen Herrenkleidung tragen? Selbstverständlich ist das möglich, auch wenn das Umfeld eventuell irritiert reagiert.
Hallo FrecherBubi,
kennt man traditionell phanotypologisch zwei biologische Geschlechter - und in neuerer Zeit auch einen genetischen Hinterrund (XX- oder XY-Chromosomen mit entsprechendem Inhalt), so bilden sich in noch jüngster Zeit aus einer eigenen Wahrnehmung geschlechtliche Identifikationen heraus.
Wir mögen diese Identifikationen geschlechtlich nennen, da sie sich sehr häufig an den biologischen Geschlechtern orientieren, dürfen sie aber von dem Begriff "Geschlecht" auch abstrahieren und einfach von Identifikationen sprechen.
Da die biologischen genetischen Geschlechter in der Gesellschaft etabliert und auch quasi-normativ wie religionistisch mit bestimmten Rollen und Verhaltensweisen identifiziert werden, diesen biologischen Geschlechtern es auch miteinander möglich ist, sich fortzupflanzen (Erhaltung der Art als sehr prominentes Bedürfnis), mag ihnen eine sehr hohe Bewertung anheim sein. Diese Bewertung kann für viele Menschen so bedeutend sein, dass sie eine Identifikation als etwas nicht von der "Geburt" an gegeben, ignorieren oder sogar diskreditieren.
Doch dürfen wir beides, Geschlecht und Identifikation, als etwas menschlich Natürliches betrachten: einmal die Biologie und Genetik mit einer Phänotypologie, dann die eigenen Wahrnehmung, die auf einer viel höhren Ebene mit unserem Bewusstsein einhergeht.
Das kann sehr viel mehr als die Biologie und Genetik so kann - und somit werden wir mehr als zwei Identifikationen antreffen - auch wenn die Identifikation im eigenen biologischen Geschlecht oder zumindest in einem der beiden darin sehr häufig sein mag.
Wir werden uns in dem Zuge auch von so manchem Paradigma verabschieden - und letztlich in den Identifikationen den Freiraum, den sie anbieten, einnehmen dürfen.
Ein Teil des Freiraums ist seine Variablilität. Wir könnten uns zu einem bestimmten Zeitpunkt mal so, dann auch mal anders identifizieren. Da mögen Lebensumstände und -erfahrungen eine Rolle spielen. Wir könnten in uns auch Dimensionen mehrerer Identifikationen neben einer "Hauptidentifikation" wahrnehmen - und auch diese Dimensionen mit unserem Leben erfüllen, ihnen den jeweiligen Ausdruck, wie wir sie wahrnehmen, schenken.
Die Wahrheit - wenn wir überhaupt von einer Wahrheit sprechen können - wäre dann alles das gemeinsam - und insbesondere, was die Menschen selbst wahrnehmen.
Mit vielen lieben Grüßen
EarthCitizen
Es gibt nur zwei Geschlechter. Daneben gibt es noch Menschen, bei denen es nicht eindeutig ist. Diese Uneindeutigkeit bedeutet aber nicht, dass es sich hier um ein weiteres Geschlecht handelt. Es bedeutet nur, dass es nicht eindeutig ist.
Mir ist es vollkommen Wurst, ob sich jemand heute als Frau verkleidet und morgen als Mann. Mir ist es auch Wurst, wenn jemand im falschen Körper geboren wurde und sein Geschlecht anpassen will. Doch selbst diese Anpassung erschafft kein neues Geschlecht. Gäbe es drei Geschlechter, dann bräuchten wir alle drei zur Fortpflanzung. Brauchen wir aber nicht und das bedeutet, es gibt nur zwei. Alles andere ist nicht eindeutig.
Gäbe es drei Geschlechter, dann bräuchten wir alle drei zur Fortpflanzung.
Nein, das Geschlecht wird durch Chromosomensätze bestimmt, nicht durch die Fähigkeit der Fortpflanzung.
Geschlecht, Sex ist ein Spektrum mit mehr als 2.
Yet the broad scientific consensus now looks different: Sex is a spectrum. If you want to stick with the picture, man and woman are at opposite ends, but there's a lot going on in between.
https://m.dw.com/en/why-sex-and-gender-arent-binary-issues/a-57062033
Das Fachmagazin Nature schreibt,
The research and medical community now sees sex as more complex than male and female, and gender as a spectrum that includes transgender people and those who identify as neither male nor female.
https://www.nature.com/articles/d41586-018-07238-8
Die National Library of Medicine meint,
Consequently, the binary division in male and female sex has been called into question and a more fluid understanding of sex has been proposed.
Some of the major textbooks teach anatomy, particularly of the urogenital system, as a male-female binary.
Anatomical sciences curricula need to adopt a more current approach to sex including the introduction of the category of "intersex"/"differences in sexual development" and present sex as a continuum rather than two sharply divided sets of characteristics
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/32735387
Zuletzt noch ein Zitat aus dem American Journal of Public Health,
Furthermore, despite the binary that is suggested by human reproduction, both sex and gender are fluid. Variations in chromosomes, hormone levels, and reproductive organs result in more than 2 sexes, reflecting complex processes of sex development across multiple levels, and suggesting that sex itself is culturally constructed.
Das überzeugt mich nicht. Das sind keine weiteren Geschlechter, sondern nur Vorlieben, Identitäten. Geschlecht ist etwas anderes. Mann und Frau, mehr gibt es nicht.
Mann und Frau, mehr gibt es nicht.
Eben doch, hier beschrieben durch Fachartikel.
Das sind keine weiteren Geschlechter,
Faktisch schon. XX Frau, XY Mann, alles andere weder noch.
Wie gesagt, das überzeugt mich nicht und wenn du dir die Texte genau durchliest, entdeckst selbst du Zweifel darin. Da wird im Konjunktiv gesprochen, es könnte, es wäre möglich, dazwischen passiert viel, es wurde in Frage gestellt, es wurde vorgeschlagen, es deutet darauf hin, dass....
Mich überzeugt dass nicht.
Schon wieder Copy-paste unpassende Quellen. Für selbst denkende und selbst lesende Menschen:
Nature: US proposal for defining gender has no basis in scienceDas ist ein Editorial. Der Autor bleibt anonym. Seine "Fachkenntnis" kann aus dem Bereich der Soziologie, Medizin, Biologie, Physik, Politikwissenschaft, Gender-studies, oder sonstwas sein.
Der Artikel kritisiert spezifisch einen Gesetzesvorschlag in den USA. Er beinhaltet keine neuen Forschungsergebnisse. Er ergibt im gegebenen Kontext durchaus Sinn. Die ganze Verwirrung entsteht erst dadurch, dass biologisches Geschlecht und Geschlechtsmerkmale durcheinandergeworfen werden.
Beyond the Sex Binary: Toward the Inclusive Anatomical Sciences EducationDieser "Viewpoint Commentary" ("Standpunkt Kommentar") ist in Anatomical sciences education (Wissenschaftspädagogik der Anatomie) erschienen. Nicht in der "National Library of Medicine". Diese publiziert nicht selbst. Sie archiviert nur. So auch das Journal "Anatomical sciences education".
Dieses Journal beschäftigt sich mit der Pädagogik der Anatomie. Nicht mit Anatomie. Der in der Rubrik für Kontroverses erschienene Kommentar berichtet keine neuen Forschungsergebnisse.
Ich stimme ihm dennoch großteils zu. Die Anatomie, auch die der Geschlechtsmerkmale ist variabel. Das habe ich auch selbst im Studium der Anatomie so gelernt. Das biologische Geschlecht dagegen ist es nicht.
Sex, Gender, Genetics, and HealthDas ist in der Tat ein Forschungsartikel. Die zitierte Aussage ist allerdings aus dem Kontext gerissen und wird von dir irreführend interpretiert:
Furthermore, despite the binary that is suggested by human reproduction, both sex and gender are fluid. Variations in chromosomes, hormone levels, and reproductive organs result in more than 2 sexes, reflecting complex processes of sex development across multiple levels, and suggesting that sex itself is culturally constructed.
[...]
We use the phrase “gender differences in health” to refer to differences between men and women.
Es wird Explizit von Hormonspiegeln, Chromosomen und Genitalien geschrieben. Diese fallen auch unter englisch "sex". Vom eigentlichen biologischen Geschlecht ist nicht die Rede.
Nun im Einzelnen:
Natürlich sind Hormonspiegel im Wandel. Eine Frau nach den Wechseljahren hat "männlichere" Hormonspiegel als eine Frau im geschlechtsreifen Alter. Hat eine postmenopausale Frau deshalb ein anderes Geschlecht ? Nein, natürlich nicht.
Chromosomen habe ich oben schon beantwortet. Und ja, auch hier gilt: Aus Chromosomen kann man nicht eindeutig das biologische Geschlecht ableiten. Heißt das, dass eine X0 Frau deshalb ein anderes Geschlecht hat ? Nein, natürlich nicht.
Es gibt, keine Frage, uneindeutig ausgeprägte primäre Geschlechtsmerkmale (reproductive organs). Aber heißt das, dass ein neugeborenes Mädchen mit Adrenogenitalem Syndrom und uneindeutig ausgeprägtem Genitale deshalb ein anderes Geschlecht hat ? Nein, natürlich nicht.
Der Artikel berschreibt also (zutreffend!) das weite Spektrum der Ausprägung geschlechtlich mitdeterminierter körperlicher Merkmale. (nebenbei: auch die Größe ist geschlechtlich mitdeterminiert. Männer sind im Durchschnitt größer als Frauen. Heißt das, dass ein Mensch von uneindeutigen 168cm Größe ein drittes Geschlecht hat? Nein, natürlich nicht) Der Artikel beschreibt im folgenden noch zahlreiche weitere biochemische Unterschiede zwischen Mann und Frau. Die sind meist nicht eindeutig ausgeprägt, sondern, so wie die Körpergröße nur statistische Unterschiede zwischen den Geschlechtern.
Der Artikel stellt nicht das klar definierte biologische Geschlecht in Frage. Er nennt es sogar explizit:
Furthermore, despite the binary that is suggested by human reproduction
Und das ist genau der Punkt. Das biologische Geschlecht ist klar definiert. Seine Funktion ist sexuelle Fortpflanzung und die funktioniert eindeutig binär. Hier gibt es kein Spektrum, keine nur statistischen Unterschiede. Um Kinder zu zeugen benötigt man einen Partner des anderen biologischen Geschlechts. Das ist eindeutig.
Die individuelle Ausprägung der verschiedensten Merkmale der Geschlechtsdichotomie ist dagegen sehr variabel und ist tatsächlich in vielerlei Hinsicht ein Spektrum. Das sind aber Geschlechtsmerkmale im weitesten Sinne. Nicht das biologische Geschlecht selbst.
Das akzeptiere ich auch nicht, da ein gewissermaßen tägliches Änderungsrecht doch zu viel Potenzial für Missbrauch böte. Ich denke, eine gewisse Karenzzeit, über deren Länge man sicher streiten kann, soll/muss es schon geben.
Das möchte ich deutlich unterstreichen, wobei Nacktmule ein schlechtes beispiel sind. Bei ihnen wird das Geschlecht genetisch determiniert. Passendere Beispiele sind Schildkröten und Krokodile, bei denen das Geschlecht von der Temperatur des Eis während der Embryonalentwicklung abhängt.