Kapitalismus = Vereinzelung des Individuums?

2 Antworten

Vom Beitragsersteller als hilfreich ausgezeichnet

Für mich ist es sonnenklar, dass der Kapitalismus auf Vereinzelung basiert. Und umgekehrt genauso: Er schafft die Vereinzelung, die ihn dann wiederum erhält. Das ist typisch für selbsterhaltende Systeme.

Die Vereinzelung fängt aber schon viel früher an, mit dem Patriarchat, das von Anfang an eine Kriegs- und Konkurrenzkultur war. Darin wird das Leben verstanden als „Kampf ums Dasein“, als überlebenswichtiger Wettkampf von jedem gegen jeden. Es ist durchzogen von ständigen Vergleichen, wer besser, höher, weiter usw. ist. Alles dreht sich um Sieg oder Niederlage, um Überlegenheit, um Ränge in einer Hierarchie, um Ruhm und Ehre.

All dies erfordert und fördert die Vereinzelung. Die matriarchale Sippe als typische Lebensgemeinschaft wurde ersetzt durch die kleinstmögliche reproduktionsfähige Einheit, die Familie.

Das Geld spielt bei der Vereinzelung eine zentrale Rolle, ich nenne es "Das Medium der Trennung". Es zerstört das Bewusstwerden der Verbundenheit von Allen und Allem und damit die Dankbarkeit.

Ich könnte hier noch viel dazu schreiben und schreibe auch gerade an einem Buch zu diesem Themenfeld. Es wird dir allerdings nicht viel helfen, da ich weder als seriös bekannt noch akademisch bin.

Hier noch ein paar Links, die ich eben ergurgelt habe:

https://www.deutschlandfunkkultur.de/martin-hecht-die-einsamkeit-des-modernen-menschen-wie-100.html

https://www.humanistische-union.de/thema/die-lautlose-vereinzelung/

https://www.sudelbuch.de/2019/12/13/oasen-der-differenz-in-der-w%C3%BCste-der-marginalisierung/


Internetmarie 
Beitragsersteller
 26.02.2022, 12:42

Vielen Dank für deine hilfreiche Antwort! Finde auch die Verbindung zum Patriarchat sehr schlüssig. Weißt Du schon wie das Buch heißen wird, an dem du gerade schreibst? Fände es spannend zu lesen wenn es rauskommt.
Lieber Gruß!

2

Ich denke, das liegt daran, dass Deine Theorie nicht stimmt. Mir fallen da sofort die Geißens ein, die zwar reich sind, aber nicht einsam. Dafür gibt es aber mit Sicherheit eine Menge arme Leute, die einsam sind. Ob wir "einzeln" sind, liegt doch an jedem selbst, wie er mit sich und seiner Umwelt umgeht. Es liegt nicht am Geld.


Internetmarie 
Beitragsersteller
 25.02.2022, 19:29

Danke für die Antwort!
Ich rede nicht von der persönlichen Ebene, also ob wir Freund*innen haben oder nicht, sondern eher davon, dass in kapitalistischen Systemen gern gesehen wird, dass einzelne Menschen durch zB. den Einsatz ihrer Arbeitskraft Geld verdienen und konsumieren, aber ein Zusammenschluss (Gewerkschaften, Kollektive, andere soziale Strukturen) in dem man sich gegenseitig trägt/unterstützt/ teilt eher nicht so erwünscht ist. Zum Beispiel weil zB durch geteilte Kleidung der Konsum der einzelnen Menschen minimiert wird. Das ist natürlich alles sehr generalisiert und vereinfacht, aber vielleicht weißt du was ich meine.

1
AriZona04  25.02.2022, 19:34
@Internetmarie

Das ist doch Quatsch! Wir haben in unserem kapitalistischem System in Deutschland doch auch Ehrenämter oder Leute, die sich sozial engagieren. Im Gegenteil: Diese werden hoch angerechnet! Wir haben Vereine, welche hohes Ansehen haben. Wir sind ja nicht nur kapitalistisch, sondern eben auch sozial. Nenne mir ein Land, in dem Kapitalismus pur gelebt wird!

0