Kant und der Kannibale?

5 Antworten

Einleitung

Kannibale von Rotenburg (Armin Meiwes)

Meiwes Verteidigung pochte bis zuletzt auf die Einvernehmlichkeit des kannibalischen Kontrakts und plädierte auf Tötung auf Verlangen ("Sie haben einen Vertrag geschlossen, den beide erfüllen wollten. Jeder kann zu seinen Lebzeiten frei über die Verwendung seines Körpers entscheiden und so könne er sich auch aufessen lassen"). Dem folgte das Gericht nicht. Kannibalismus ist allerdings in Deutschland nicht strafbar.

Peter Sloterdijk:

"Der Gebrauchswert des kategorischen Imperatives liegt in seiner Erhabenheit, die seine Unanwendbarkeit sicherstellt."

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Rechtlich ist im Grunde alles klar - aber tatsächlich öffnet sich eine moralische oder ethische Dimension, die leicht in ein Dilemma führen kann.

Für Kant steht das autonome, mit Vernunft und Wille ausgestattete Individuum im Mittelpunkt, das dazu fähig ist, sein Handeln selbst zu bestimmen.

Demnach ist ein Handeln aber grundsätzlich nur dann ein moralisches, „wenn es aus einem guten Willen erfolgt, der aber Pflichten benötigt, die ihrerseits irgendwie allgemein oder regelhaft sein müssen, also Maximen einschließen.

Selbstzweckformel:

"Handle so, daß du die Menschheit sowohl in deiner Person, als in der Person eines jeden andern jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchest."

Zweck = das, was dem Willen zum objektiven Grunde seiner Selbstbestimmung dient

Relative Zwecke: werden empirisch gesetzt und sind ausschließlich Mittel zur Befriedigung unserer eigenen Bedürfnisse

Absolute Zwecke: die von allen vernünftigen Wesen notwendig bei ihren Handlungen zu verfolgen oder zu berücksichtigen seien (allgemein verbindliche Handlungsnormen)

Selbstbestimmung: A möchte sich töten lassen - A achtet B in seiner Würde und möchte den Wunsch von B erfüllen, Menschenfleich zu essen - ohne seine Mithilfe könne B das aber nicht machen.

Selbstbestimmung: B möchte Menschenfleisch essen - B achtet die Würde des A, weil er ihn nicht gegen seinen Willen umbringen möchte.

Hier handelt es sich eindeutig um relative Zwecke - sie sind daher individuell und nicht allgemeingültig - aus der Sicht eines relativen Zweckes, wäre das, wenn man großzügig wäre, ggf. zu rechtfertigen, wenn A+B ihre Verpflichtungen aus freiem Willen erfüllen und auch B nicht den A unter Druck setzt, sich töten zu lassen, um ausschließlich seinen eigenen Genuß zu erzielen. Ob ein solcher Vertrag des freien Willens tatsächlich in der Realität so vorliegen kann, ist im Einzelfall zu entscheiden - ggf. wäre das sogar niemals in "Reinform" möglich.

Wenn man den Fall hinsichtlich des absoluten Zwecks beurteilen würde, müsste man zu dem Ergebnis kommen, daß Kant das nicht rechtfertigen würde - es fehlt hier an der Allgemeinakzeptanz eines solchen Handelns.

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Auszug aus: Kannibalische Kontrakte. Der vernünftige Menschenfresser in Zeiten prekärer Aufklärung - Ideengeschichte des Zusammenhangs von Kannibalismus und Aufklärung - Elias Zimmermann 2018

Zwei Grundprinzipien der aufgeklärten Vernunft kollidieren: die Freiheit des rationalen (Aus-)Handelns einerseits und die Pflicht gegenüber einem impliziten Gesellschaftsvertrag, der Allgemeinheit keinen Schaden zuzufügen, andererseits. Im Idealfall ergänzen sich beide Prinzipien: Der Vernunftgebrauch fördert die Gemeinschaft und vice versa, denn was allen nützt, nützt auch dem einzelnen. Eine kannibalische Beziehung, wie die vorliegende, spottet diesem Humanismus und stellt in Frage, was ‚vernünftig’ und was ‚nützlich’ ist. Der (im Laufe des Prozesses zurecht angezweifelte) freie Wille zweier mündiger Bürger, die sich in einem gemeinsamen Vertrag über die Verfügung ihrer Körper einigen, die sich also nicht nur ihres Verstandes, sondern auch ihrer Leben auf freie und mutige Weise zu bedienen wagen, scheint unvereinbar mit der Idee einer Gesellschaft, deren Fortentwicklung und Verbesserung diese Individuen sichern sollen. Es ist, als ob Meiwes die doppelte Bedeutung von ‚Sapere aude!’ in einer zynischen Finte beim Wort genommen hätte: Sapere heisst nicht nur Wissen, sondern auch Kosten und Schmecken.

Gegen diese böswillige Buchstäblichkeit seiner Definition von Aufklärung kann man mit Kant einwenden, dass ein kannibalischer Vertrag der aufgeklärten Moral gerade spottet, denn hier scheint ein Mensch nur Mittel, nicht Zweck zu sein. Die Mittel-Zweck Relation selbst aber wird verunsichert durch den Genuss, der sich für den jeweiligen Vertragspartner aus dem Genuss seines Gegenübers ergibt: Erst das Wissen darum, ihm seinen größten Wunsch zu erfüllen, ja sein Leben (wenn auch durch Zerstörung) vollständig zu machen, habe den Vertrag als beidseitiges Genussversprechen ermöglicht. Erneut könnte man mit und gänzlich gegen die Intention von Kant argumentieren: Die persönliche Befindlichkeit, sei sie erregt oder angewidert, darf bei dieser Erfüllung der höchsten Pflicht, den anderen gänzlich als Zweck und darum als Mittel zu sehen, keine Rolle spielen.

Diese einleitende philosophische Provokation will nicht darüber hinwegtäuschen, dass der reale Fall des ‚Kannibalen von Rotenburg’ eine Tragödie war, in der Einsamkeit und Abhängigkeit zentrale Rollen spielten. Die aufgerufenen kantischen Modelle können diese psychologischen Abgründe nicht erhellen. Als das verletzte Selbstwertgefühl des Opfers und die menschenverachtende Obsession des Täters gänzlich zutage traten, bröckelte die Fassade einer freien und mündigen Übereinkunft. Meiwes Verteidigung aber pochte bis zuletzt auf die Einvernehmlichkeit des kannibalischen Kontrakts und plädierte auf Tötung auf Verlangen. Mit Recht wurde diese Sicht abgelehnt. Zuvor jedoch verunsicherte die aufgeklärte Rhetorik der Anwälte nicht nur die erste richterliche Instanz – deren Urteil auf Totschlag ihnen weit entgegenkam –, sondern auch die Öffentlichkeit. Die Argumentation der Verteidiger hätte eine Jury von der Legitimität der Tat wohl überzeugen können, wäre alles so geschehen, wie Meiwes es beschrieb und wie er wohl tatsächlich glaubte, dass es geschehen ist."

„Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“

Gibt verschiedene Sichtweisen:

1) Menschen töten und essen kann wohl kaum eine allgemeingültige Maxime sein, oder?

2) Menschen töten und essen, wenn alle Beteiligten das genau so wollten und sich bewusst waren, was das bedeutet? Das könnte schon eine Maxime sein.

Gruß

Nach dem kategorischen Imperativ Kants darf ein Mensch niemals als bloßes Mittel zum Zweck behandelt werden, weil dies gegen seine Menschenwürde verstößt.

Danach ist z. B. Sklaverei ausgeschlossen, ebenso Prostitution, weil unabhängig davon, ob das Verhältnis freiwillig oder gezwungen eingegangen wird, der Mensch dabei nicht als Person geachtet, sondern lediglich als ein Werkzeug verwendet wird.

Demnach ist klar: Der Kannibale und sein Opfer verstießen ganz klar gegen den kategorischen Imperativ Kants.

Hast Du die Menschheitszweckformel Kants zum lesen da sonst such online • die Menschheitsformel Kant • such Dir eins . Schreib dir auch Stichpunkte raus das Du vergleichen kannst ja da ist kein Verstoss aber da sind Verstösse .

Nicht wenn sie ihre Tat als etwas nicht böses angesehen haben. Schließlich stellt Kant nur das Werkzeug um Gesetze zu schaffen und formt selbst keine mit seinem Kategorischen Imperativ