Kann mir jemand sagen, was es für Aristoteles Glück ist?

7 Antworten

Vom Beitragsersteller als hilfreich ausgezeichnet

Zwei Dinge betont Aristoteles:

1) Der Mensch ist ein soziales Wesen und ein gelingendes Leben gibt es auf Dauer nur in einer gut funktionierenden Gesellschaft. Niemand kann nach Aristoteles (und das sehen alle antiken Philosophen so) für sich alleine ein glückliches, gelingendes Leben haben.

2) Nach Aristoteles unterscheidet sich der Mensch vom Tier durch denken und ein vernünftiges Handeln. Das Tier handelt naturgemäß. Der Mensch muss entscheiden, was seiner Natur gemäß ist, was seinen Begabungen und Fähigkeiten entspricht. Glücklich und erfüllt wird ein Mensch, wenn er das tut, was seinen Begabungen und Fähigkeiten am meisten entspricht. Dabei ist es wichtig, immer das rechte Maß zu finden, weder nach der einen noch nach der gegenteiligen Seite zu übertreiben.


Lucky727 
Beitragsersteller
 06.06.2012, 00:20

Was würde er dan zu Doping/Gehirn-Doping sagen? Durch Doping bekommt man eine bessere Leistung, die Begabubng/Fähigkeit wird entfaltet, ist es dann für Aristoteles glücklich?

0
berkersheim  06.06.2012, 09:37
@Lucky727

Das ist Spekulation, denn das Menschenbild war zu Zeiten des Aristoteles ein anderes. Es gibt aber einen aktuellen Philosophen, Thomas Metzinger, Professor in Mainz, der sich mit den Themen Bewusstsein, Selbstbestimmung und Hirnforschung befasst und ausdrücklich davor warnt. Einmal besteht Suchtgefahr, zum andern haben alle künstlichen Eingriffe auch unbekannte Nebenwirkungen und langfristige Veränderung im hochsensiblen Gehirn, dessen Funktionen wir gar nicht alle kennen, sind vollkommen unbekannt. Gehirndoping ist ein Experimentieren mit dem Kern der eigenen Person mit der Gefahr, sich zu verlieren. Das sind auch meiner Meinung nach kurzfristige Pushes nicht Wert.

0
Lucky727 
Beitragsersteller
 06.06.2012, 11:20
@berkersheim

vielen Dank für den Link, aber ich muss demnächst einen Vortrag halten und muss Gehirndoping nach Aristoteles' Lehre beurteilen. Das ist auch das Problem, weil in der Zeit wo Aristiteles lebte gabs noch kein Doping:( deswegen kann ich es schwierig nach Aristoteles Glücklehre beurteilen.

0
berkersheim  06.06.2012, 16:49
@Lucky727

Gut, wenn es so ist, kann man heranziehen, dass von Aristoteles über die Stoa bis Epikur immer ein hoher Wert war, dass Menschen NATURGEMÄSS gelebt haben, z. B. satt essen, aber nicht Völlerei betreiben. Satt essen ist naturgemäß, Völlerei ist übertrieben. Aristoteles war ein Mann des Maßes, der Mitte. Ihm war selbstverständlich, dass ein Athlet trainiert, nicht aber, dass er dabei erhebliche Gesundheitsrisiken eingeht. Das herauskitzeln, was an Fähigkeiten in einem steckt, ist in Ordnung, Doping nicht. So halten wir es ja auch im Sport. Wir sind gesellschaftliche Wesen und immer im Wettbewerb, und wenn man Doping freigibt, entsteht die Gefahr, eines ruinösen Wettbewerbs. Das würde Aristoteles, da bin ich mir sicher, ablehnen, weil es in den Ruin führt und nicht in ein glückliches Leben.

0
Lucky727 
Beitragsersteller
 06.06.2012, 19:20
@berkersheim

Vielen Danke! Das mit Völlerei ist ein super Beispiel! Das ist doch ähnlich wie bei der Mesoteslehre dass man zwischen zwei Extremen Mittlere nehmen muss oder? Hat mir sehr geholfen!!

0

Seine wissenschaftliche Schulung bewahrte A. vor dem Predigen übermenschlicher Ideale und leerer Ratschläge zur Vollkommenheit. Autoren, die die aristotelische Ethik mit christlichen Auffassungen vergleichen, sind geneigt, sie als eine Moral für wohlhabende Bürger zu betrachten, die den Eigennutz zur Grundlage des Handelns macht. In der Tat ist das Streben nach dem Guten (bei A.“Gut“) keine moralische, sondern (bei A.) eine Nützlichkeitshandlung. „Das Gute ist das, wonach alles hinstrebt“, sagt A., also der Zweck des betr. Dinges: für die Heilkunst die Gesundheit z.B. Ein Gutes allerdings gibt es, das von allen Menschen um seiner selbst willen begehrt wird: die Glückseligkeit. A. denkt freilich hoch genug, um die Glückseligkeit nicht im Sinnengenuss oder im bloßen Besitz von Reichtum, Ehren und anderen äußeren Gütern zu erblicken, sondern in der »vernünftigen oder tugendhaften Tätigkeit der Seele.« Es gehören dazu: 1. die Entwicklung zur vollen Reife des Mannes (nicht des Weibes!), da nur der reife Mann zur sittlichen Einsicht fähig und die „Trefflichkeit“ seines Charakters entwickelt hat; beides ist für die Glückseligkeit zwingend geboten. - 2. gewisse äußere Güter wie Gesundheit, Wohlhabenheit, schöne Gestalt (s. hierzu Buch X der Nik. Ethik!) 3. das Leben mit anderen im Staate.(Zitate: „Glücklich ist, wer im Sinne vollendeter Trefflichkeit tätig und dazu hinreichend mit äußeren Gütern ausgestattet ist“; Nik. Ethik, Buch I, und „So gewinnen wir das Ergebnis, dass es unmöglich ist, ein wertvoller Mensch im eigentlichen (ethischen) Sinne zu sein – ohne sittliche Einsicht, und dass man sittliche Einsicht nicht haben kann ohne die Trefflichkeit des Charakters“ (Nik.Ethik, Buch VI). Nicht das Gute an sich ist also bei A. das Ziel seiner Ethik, sondern die guten Personen. Wie sie „gut“ (im ethischen Sinne) werden können, wird vom 2. bis 6. Buche der Nikom. Ethik beschrieben, sie müssen die folgenden ethischen Tugenden anstreben: Mannhaftigkeit, Mäßigkeit, vornehmer Sinn, Selbständigkeit, richtige Selbstschätzung, Milde, Wahrhaftigkeit, Fröhlichkeit, Freundschaft und Gerechtigkeit. Diese ethischen Tugenden werden definiert als diejenigen Handlungen und Einstellungen, welche die unserer Natur angemessene Mitte einhalten, gemäß einer vernünftigen Bestimmung, wie sie der Einsichtige geben wird (und wodurch er allein die Glückseligkeit erreicht!). Dazu zählen vor allem dauernde Fertigkeiten in der Beherrschung der Affekte, hervorgebracht durch eine vernünftige Betätigung der Seele, die von selbst zur Tüchtigkeit, zur Tugend und zum Glücke führt. Die vollkommenste der ethischen Tugenden und zugleich die Grundlage des staatlichen Lebens ist die Gerechtigkeit.. [Frei nach Karl Vorländer, Geschichte der Philosophie (Zusammenfassung); s. bei Google über Aristoteles, Tugendethik]

Diese vielleicht etwas komplizierten Ausführungen möchte ich auf folgenden (vereinfachenden) Nenner bringen: Aristoteles geht davon aus, dass jeder glücklich sein will; deshalb ist also die Glückseligkeit das oberste Ziel eines Menschen. Da man aber nur mit Hilfe seiner Vernunft erkennen kann, was einen glücklich macht, wird man auch einsehen, dass nur tugendhafte Einstellungen bzw. Handlungen zum Glückseligkeitsziel führen. Denn die Vernunft gebietet uns tugendhaftes Verhalten. Sittliche Einsicht und Vortrefflichkeit des Charakters sind für die Glückseligkeit unerlässlich. Aristoteles sah im „goldenen Mittelweg“ die richtige Haltung, zu der der (sittlich) Einsichtige und Vortreffliche gelangt; z.B. die Gerechtigkeit, Hilfsbereitschaft, Besonnenheit, Großzügigkeit u.a.. Wer diese Einstellung hat, hat auch das Glückseligkeitsziel erreicht. Allerdings, die Erkenntnis, was tugendhaft ist, setzt eine gewisse geistige Höhe, also Vernunft, und einen bestimmten Lebensstandard voraus, wobei „mäßiger Besitz“ genügt (ein Armer kann z.B. nicht großzügig oder freigebig sein = mittlere Tugenden! Außerdem ist er – nach A.’s Auffassung - meistens geldgierig und habsüchtig). Auch Gesundheit ist erforderlich; ein kranker Mensch kann nicht glücklich sein, weil er zu jener ausgewogenen „mittleren“ Haltung nicht fähig ist. Auch eine gewisse Schönheit ist erforderlich, denn die Anmut gehört mit zu den „mittleren“ Tugenden (s. Nikomachische Ethik, Buch X). Nicht ganz zu Unrecht bezeichnen viele die Tugendethik des Aristoteles als Tugend für Wohlhabende (und ich ergänze: auch als Tugend für Gesunde und Schöne).

Hier:

http://www.schmidt-bernd.eu/veranstaltungen/glueck/das-Glueck-bei-aristoteles.pdf

Auszug:

Was ist für Aristoteles Glück?

Aristoteles geht zunächst von einem sinnvollen und gelungenen Leben aus. Ein Leben ist dann gelungen, wenn es aus den Aktivitäten und Tätigkeiten besteht, die das wahre Menschsein ausmachen und die den Menschen vor allen anderen Lebewesen auszeichnen. Ein derartiges Leben führt zur Eudaimonia.

Tugenden sind Einstellungen, die das Handeln bestimmen und die das Handeln so lenken und leiten, dass Eudaimonia möglich wird. Eudaimonia wird in diesem Zusammenhang als eine Daseinsform verstanden, die ein sinnvolles und erfülltes Leben bedeutet. Handlungen, die der Tugend folgen, werden dann als glückhaft empfunden.

Glück ist also kein Selbstzweck, sondern folgt einem auf ein sinnvolles und gelungenes Leben gerichteten Handeln sozusagen als Zugabe nach.

Man muss demnach Aristoteles zunächst fragen, was er unter den Aktivitäten und Tätigkeiten versteht, die das wahre Menschsein ausmachen, und die Eudaimonia bestimmen.

Weiterhin muss man untersuchen, was Tugenden sind und inwieweit sie tatsächlich zur Eudaimonia führen und im Nachhinein Glück zur Folge haben.

Die Vorstellungen des Aristoteles über das sinnvolle und gelungene Leben, über Eudaimonia und über die Tugenden sind fest eingebunden in eine umfassende Weltanschauung.

Es ist daher erforderlich, sich mit den Grundsätzen der aristotelischen Philosophie zu beschäftigen, das heißt mit seiner Ontologie, seiner Erkenntnistheorie und seiner Anthropologie.

Hierbei soll nur ein ganz allgemeiner Überblick gegeben werden. Es geht nicht um Details, die zum Teil noch immer Ausgangpunkt philosophischer oder philologischer Sachdiskussionen sind.


Lucky727 
Beitragsersteller
 05.06.2012, 22:40

Was sind nun Aktivitäten und Tätigkeiten für Aristoteles? Habe ich immer noch nicht kapiert. :(

0

Die Glückslehre steht vor allem bei Aristoteles, Nikomachische Ethik 1 und 10. Glück ist ein Gut (etwas Gutes) und ein Gut ist Glück ist nach Aristoteles formal gesehen ein Zweck und ein Ziel (τέλος [telos]), ein Worumwillen bei jeder zielgerichteten Tätigkeit.

Glück(seligkeit) ist das höchste und letzte Ziel (Endziel) menschlichen Handelns. Alle streben nach Glück (εὐδαιμονία [eudaimonia]). Aristoteles ist der Auffassung, ein so großes Gut wie das Glück könne nur durch eine Tätigkeit/ein Tätigsein erreicht werden, indem Fähigkeiten und angelegte Möglichkeiten entfaltet werden. Die Entfaltung ist etwas, das Freude bereitet und zu einem guten, erfüllten Leben beiträgt.

Was mit Aktivität, Tätigkeit oder Tätigsein wiedergegeben werden kann, nennt Aristoteles ἐνέργεια (energeia; lateinisch: actus; Bedeutung: Ins-Werk-Setzen, Wirksamkeit, Tätigkeit, Verwirklichung/Wirklichkeitsvollendung einer Möglichkeit). Die Seele der Menschen ist daran beteiligt.

Eine zentrale Textstelle mit einer Definition ist Aristoteles, Nikomachische Ethik 1, 16, 1098 a.

Als das einem Menschen eigentümliche Werk (das, wozu er speziell bestimmt ist) versteht Aristoteles die mit Vernunft verbundene Tätigkeit der Seele und ein entsprechendes Handeln. Das menschliche Gut (τὸ ἀνθρώπινον ἀγαθὸν) ist nach ihm der Vortrefflichkeit gemäße Tätigkeit der Seele bzw. (wenn es mehrere Vortrefflichkeiten gibt) der besten und vollkommensten Vortrefflichkeit entsprechende Tätigkeit. Das hier mit Vortrefflichkeit wiedergegebene Wort heißt griechisch ἀρετή, was in der deutschen Sprache oft mit Tugend übersetzt wird, dabei aber in Gefahr gerät, in der Bedeutung zu sehr eingeschränkt verstanden zu werden.

Es gibt Vortrefflichkeiten/Tugenden des Verstandes (z. B. Weisheit, Klugheit) und des Charakters (z. B. Tapferkeit, Besonnenheit, Gerechtigkeit), dianoetische Tugenden und ethische Tugenden genannt. Charaktertugenden (ethische Tugenden) sind feste inneren Haltungen/Einstellungen, aus denen heraus Menschen gut handeln. Sie sind auf die richtige Mitte ausgerichtet, zwischen einem Zuviel (Übermaß) und einem Zuwenig (Mangel), wobei die Mitte dem Wert nach das Beste (ein Optimum) ist und nicht mit Mittelmäßigkeit verwechselt werden darf.

Gründe für die Wahl der Vernunft sind:

  • Vornehmheit: Die Vernunft ist als das Leitende das Vornehmste in uns und die Gegenstände der Vernunft die vornehmsten im Bereich der Erkenntnis.

  • Langfristigkeit: leichter eine anhaltende Tätigkeit möglich

  • Beständigkeit/Dauerhaftigkeit/Stabilität und Reinheit (keine Mischung mit etwas Unangenehmen) des Genusses

  • Autarkie

  • zur Muße, die vom Menschen begehrt wird, passende Tätigkeit

Aristoteles unterscheidet drei Lebensformen, in denen Glück gesucht wird:

1) βίος ἀπολαυστικός [apolaustikos]: Leben der sinnlichen Lust und des Vergnügens

2) βίος πρακτικός [bios praktikos]: politisch-praktisches Leben (vor allem Handeln in einer Gemeinschaft)

3) βίος θεωρητικός [bios theoretikos ]: Leben der theoretischen Betrachtung (θεωρία; Forschung und Philosophie)

Lust (ἡδονή [hedone]) ist ein Glücksbestandteil (1, 5 1097 b 4 – 5). Das Gute und die Lust gehören zu dem, was um seiner selbst willen liebenswert ist (8, 2 1155 b 21 – 22). Die Lust ist aber nach Aristoteles nicht das höchste Gut. Nicht jede Form der Lust ist an sich wählenswert. Nicht jede Lust gilt Aristoteles als ein Gut (10, 2 1173 b 21; 10, 3 1174 a 3). Das Lustvolle ist ein anscheinendes Gut, das ein wirkliches Gut oder nur ein täuschendes Scheingut sein kann.

Die Lebensformen können miteinander verbunden werden, aber die dritte (theoretisches Leben, also selber denken) hat den höchsten Rang.

Außer der von innen ausgehenden Seite gehören zum Glück nach Aristoteles auch äußere Güter, bei denen Menschen von äußeren Umständen abhängig sind. Für Grundbedürfnisse wird etwas benötigt, z. b. Ernährung, Kleidung, Wohnen. Wohlstand bietet mehr Möglichkeiten. Freunde können unterstützen. Der Staat, in dem Menschen leben, kann ein gutes oder schlechtes Herrschafts- und Rechtssystem haben und die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen mehr oder weniger Chancen bieten. Die äußeren Umstanden beeinflussen das Leben.

Die Lebensformen können miteinander verbunden werden, aber die dritte (theoretisches Leben, also selber denken, geistige Tätigkeit) hat in der aristotelischen Ethik den höchsten Rang. Ein Bloß auf sinnliche Lust beschränktes Leben hat den geringsten rang, weil kein Streben nach Vollkommenheit aufritt, Menschen sich knechtisch und ohne Einsicht und Besonnenheit verhalten. Ein bloßes Erwerbsleben mit einem Streben nach Reichtum um seiner selbst willen ist verfehlt ein gutes Leben und ist nicht der richtige Weg zum Glück (1, 3).


Albrecht  06.06.2012, 01:52

Ein Beispiel in der praktischen Lebensform ist eine förderliche Tätigkeit für die politische Gemeinschaft, wobei jemand seine Fähigkeiten/Begabungen einsetzt. Dies könnten z. B. eine gerechte Entscheidung sein, wobei jemand Richter ist, oder eine faire Vermittlung in einem Streit oder gerechte Vorschläge in einer Beratung, wobei es weil gelingt, ein gutes Ergebnis zu erreichen.

Beispiel für die theoretische Lebensform sind gewonnene Einsichten über die Wirklichkeit und wissenschaftliche Ergebnisse (Freude, beim Forschen etwas herausgefunden zu haben).

0

Glück ist für Aristoteles das Ziel der Ethik.

Glückseligkeit besteht darin "gut zu leben" im Sinne von guter/sittlicher Lebensführung und "gut leben zu wissen" wie in der nikomachischen Ethik des Aristoteles beschrieben:

Eudaimonia (Glück) nennen es die Leute [...], und sie setzen das Gut-Leben und das Sich-gut-Verhalten gleich mit dem Glücklichsein. [...] Was hindert also, jenen glückselig zu nennen, der gemäß der vollkommenen Tugend tätig und mit äußeren Gütern hinlänglich versehen ist, nicht eine beliebige Zei hindurch, sondern durch ein ganzes Leben? [...]"