Kritik am Glücksmodell von Aristoteles?

2 Antworten

Kritisiert wird an Aristoteles' Glücksbegriff, dass er äußere Güter zu den Voraussetzungen des Glückes zählt („Indes gehören zum Glück doch auch die äußeren Güter... denn es ist unmöglich, zum mindestens nicht leicht, durch edle Taten zu glänzen, wenn man über keine Hilfsmittel verfügt. Lässt sich doch vieles nur mit Hilfe von Freunden, von Geld und politischem Einfluss erreichen. Ferner: es gibt gewisse Güter, deren Fehlen die reine Gestalt des Glückes trübt, z.B. edle Geburt, prächtige Kinder, Schönheit; denn mit dem Glück des Mannes ist es schlecht bestellt, der ein ganz abstoßendes Äußeres oder eine niedrige Herkunft hat oder ganz allein im Leben steht und kinderlos ist. Noch weniger kann man von Glück sprechen, wenn jemand ganz schlechte Kinder oder Freunde besitzt oder gute durch den Tod verloren hat. Wie gesagt: gehören also zum Glück doch auch solch freundliche Umstände...“ (Nikomachische Ethik, 1099b). "Es wird aber auch die Gunst der äußeren Umstände vonnöten sein, da wir Menschen sind...Es ist auch Gesundheit des Leibes vonnöten sowie Nahrung und sonstige Pflege. Indes braucht man sich nicht vorzustellen, dass ein beträchtlicher Aufwand erforderlich ist, wenn es schon nicht möglich ist, ohne die äußeren Güter das Glück zu erreichen." (Nikomachische Ethik, 1178b). - Sieht man einmal von den zeitbedingten Anschauungen des Aristoteles ab, so sind seine Erkenntnisse im Grundsatz  durchaus realistisch, also zutreffend. Er macht allerdings kein Dogma daraus, denn er sagt ja: „...es ist unmöglich, zum mindestens nicht leicht.....“ Kranke oder hässliche oder arme Menschen – können die glücklich sein? Unmöglich ist es nicht, doch es wird ihnen zumindest nicht leicht fallen, ihr Dasein bis zum höchsten Gut - wie Aristoteles die Glückseligkeit auch nannte - zu entfalten. Ein Tätig-sein gemäß den im Menschen ruhenden Anlagen, die zur höchsten Entfaltung gebracht werden müssen, bedeutet für Aristoteles das Glück. Hinzu kommen müssen sittliche Vollkommenheit und eine Dauerhaftigkeit (+ die erwähnten „freundlichen Umstände“). Ist das alles schon für einen „normalen“ Menschen (einigermaßen gutaussehend, gesund, in Maßen begütert) nicht leicht zu erreichen - denn auch der kann im Alter oder infolge von Schicksalsschlägen plötzlich ins Elend abstürzen - , um wie viel schwerer wird dieses Ziel für einen armen, hässlichen oder kranken Menschen zu erreichen sein.



noName0061 
Beitragsersteller
 18.10.2015, 14:53

Kann es sein das Aristoteles sich in seiner Glückslehre irgendwie wiederpsricht oder kommt es mir nur so vor, weil er redet allgemein darüber, dass das Endziel das oberste Gut ist und das alle danach streben und ihn erreichen können. Und das man nur durch philosophische Betrachtung den vollkommende Glückseligkeit erreicht. Das Ziel der Glückseligkeit sieht er im guten Leben und guten Verhalten. Nach Aristoteles wird man glücklich, wenn man etwas gutes tut und nicht nur will. Glücklich sein bedeutet für ihn die richtige Einstellungen besitzen und die Fähigkeit haben von alleine etwas gutes zutun.

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Haldor  19.10.2015, 21:33
@noName0061

Es ist nicht richtig oder jedenfalls nur teilweise richtig, wie du Aristoteles' Glückslehre wiedergibst. Gutes Leben und gutes Verhalten - solche Formulierungen treffen auf Aristoteles' Glücksbegriff nicht zu. Aristoteles nannte das Glück auch ’oberstes Gut’ und sah in diesem höchsten Wert, sollte man ihn je erreichen, den Sinn des Lebens. Was aber ist das: ’Glück’? Um sich dessen bewusst zu werden, was das oberste Gut oder der höchste Wert ist, müsse man eine gewisse Vernünftigkeit und sittliche Grundhaltung voraussetzen. Wer sich von seinen Leidenschaften treiben lasse oder wer nach äußeren Gütern strebe, wisse nichts von dem Gefühl höchster Zufriedenheit, das den Menschen im Falle des Glücks durchdringt. Was die Menge darunter versteht, das Handgreifliche oder Augenfällige, zum Beispiel Lust, Wohlstand, Ehre, größtmögliche Anerkennung, sei allenfalls eine sekundäre Erscheinung des Glücks. Erst recht bedeute Glück nicht das satte Gefühl der Grobschlächtigen, die in einem Leben des Genusses, in einem animalischen Dasein ihr Genüge finden. Überhaupt bestehe das höchste Gut nicht in einem Zustand, sondern in einem Tätigsein, bei dem Fähigkeiten und angelegte Möglichkeiten im Menschen derart entfaltet werden, dass man in einem vortrefflichen Leben, über das hinaus nichts mehr zu wünschen übrig bleibt, seine Erfüllung finde.

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Ich empfehle Dir folgendes durchzulesen:

http://www.schmidt-bernd.eu/veranstaltungen/glueck/das-Glueck-bei-aristoteles.pdf

Einmal die Einführung. Dann ab Kapitel 2.1.4. Die Anthropologie. bis etwa 4. Die Tugend.

Wahrscheinlich weißt Du, dass das Wort Glück in heutigem Gebrauch nicht dem entspricht, wie es bei Aristoteles gebraucht wird. In der ganzen antiken Philosophie bis zum Christentum ging es immer um die Kernfrage: Wie muss ich leben, um ein Leben zu führen, mit dem ich zufrieden sein kann, mit dem ich jeden Tag so ausfülle, dass er auch der letzte sein kann. Diese Frage einer Lebensphilosophie ist ja vom Christentum abgelöst worden durch die Frage: Wie komme ich in den Himmel. Erst in der Aufklärung kam man zögerlich wieder auf die Fragen einer Lebensphilosophie zurück, z.B. Kant, Schopenhauer, Nietzsche usw..

Was bei Aristotels zu kritisieren ist: Sein statisches Denken. Die drei Seelenzustände sind klar getrennt, keine Übergänge. Heute wissen wir, dass auch Tiere "in Grenzen denken und kommunizieren". Problematisch und ebenso statisch ist die Vorstellung der Definition eines höchsten Gutes. Aristoteles steht der Aristokratie und den reichen, freien Bürgern nah und seine Vorstellungen von einem menschenwürdigen Leben kleben sehr an diesem sozialen Status. Wie Sklaven oder einfache Menschen glücklich werden können, interessiert ihn nicht. Das, was Aristoteles als ein glückliches Leben bezeichnet, war nur einer kleinen Oberschicht überhaupt möglich. Wer von morgens bis abends arbeiten muss, als Sklave oder als einfacher Mietarbeiter hat nicht die Muße zum Philosophieren.