Ist das Exhibitionismusgesetz nach StGb §183 sexistisch?
(1) Ein Mann, der eine andere Person durch eine exhibitionistische Handlung belästigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Die Tat wird nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, daß die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält.
(3) Das Gericht kann die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe auch dann zur Bewährung aussetzen, wenn zu erwarten ist, daß der Täter erst nach einer längeren Heilbehandlung keine exhibitionistischen Handlungen mehr vornehmen wird.
(4) Absatz 3 gilt auch, wenn ein Mann oder eine Frau wegen einer exhibitionistischen Handlung
1.
nach einer anderen Vorschrift, die im Höchstmaß Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe androht, oder
2.
nach § 174 Absatz 3 Nummer 1 oder § 176a Absatz 1 Nummer 1
bestraft wird."
Nach Wortlaut gilt dieses Gesetz nur für Männer, was mir allerdings reichlich rechtswidrig erscheint, da laut Artikel 3 GG: "Art 3(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden."
Frauen und Männer gleichbehandelt werden sollten.
Nun stelle ich mir zwei Fragen.
1.: Ist das überhaupt zulässig?
2.: Wie wird dieses Gesetz praktisch angewandt? Existiert diese Ungleichheit "nur" de jure?
6 Antworten
Bis in die 70er galt der Paragraph auch für Frauen und es fiel unter "unzüchtige Handlungen".
Begründung der Änderung:
- Taten von Frauen kämen zwar in sehr seltenen Fällen vor, hätten aber kaum jemals die von exhibitionistischen Handlungen eines Mannes typischerweise ausgehenden negativen Auswirkungen.
1999 entschied das Bundesverfassungsgericht, daß kein Grundrechtsverstoß gegen das Gleichheitsgebot vorliegt, da, aus kriminalpolizeilicher Sicht, nur beim Exibitionismus von Männern negative Auswirkungen (bei den Frauen) ausgehen - wie bei Beleidigungen sei es eine subjektive Ansicht, die man auslegen müsste; Männer fühlen sich allgemein nicht bedroht, wenn Frauen nackt sind, sodaß kein Handlungsbedarf besteht, es auf Frauen auszuweiten - weiterhin sei die Straftat hinreichlich bestimmbar für den Mann, wann er sich strafbar macht.
2017 empfahl der Petitionsausschuß allerdings die Änderung auf "Person" - da kann man sehen, wie schlecht es wäre, dem "Volkswillen" nachzugeben.
Exibitionismus von Frauen kann aber (in Einzelfällen) als Ordnungswidrigkeit geahndet werden.
Fazit
Der § 183 StGB ist grundsätzlich ein moralischer Straftatbestand - es müsste nicht auf Frauen ausgedehnt, sondern gestrichen werden, denn es richtet sich ausschließlich nach den möglichen Empfinden einer Bedrohung von Frauen und nicht auf objektive Bedrohungen. Die Fachwelt ist sich auch relativ einig, daß von Exibitionisten i. d. R. keine Gefahr für die Frauen ausgeht, in Tatmehrheit vergewaltigt zu werden.
Das ist eher ein Fall für den Psychiater als für den Staatsanwalt.
Neuigkeiten hierzu - die Antwort einer Anfrage von der AFD an die damalige Bundesregierung zu diesem Thema.
Die Politik folgt nicht den Fachleuten, sondern entscheidet danach, ob etwas durchsetzbar ist oder nicht - und heutzutage hätte das wahrscheinlich keine Aussicht auf Erfolg - zudem würde das Wählerstimmen kosten - im Sexualbereich gibt es nur eine Richtung --> Verschärfung - bis zur Strafbarkeit aller menschlichen Handlungen und Regungen in diesem Bereich - damit kann man punkten...
Ja, aber gerade im Bereich der Sexualakzeptanz gibt es ja durchaus Entschärfungen, Beispielsweise was Homosexualität angeht und beim CSD laufen genügend Menschen, sowohl Frauen als auch Männer in weniger verhüllender Kleidung herum.
Der Unterschied liegt aber darin, dass du Anti-Homophobe Politik mit der breiten Unterstützung der Gesellschaft betreiben kannst, aber diese eben nicht bei solchen Unterfangen findest.
Ein Experte sagte mal, in Fällen wo Frauen extrem selten vorkommen, werden sie im Gesetz nicht mit aufgenommen.
Dies kann aber nicht die Grundlage für eine Gesetzgebung sein. Ist ist schon sehr sexistisch davon auszugehen, das ein Mann sich von einer Exhibitionistin nicht in der gleichen Weise belästigt fühlen darf, wie umgekehrt. Hier wir das das Täter/Opfer Verhältnis einfach umgedreht. Trifft ein Mann auf eine Exhibitionistin, so soll der Mann sich mal nicht so haben und sich an deren Anblick erfreuen. Die Frau wird hier als Opfer und der Mann als Täter dargestellt (wahrscheinlich hat er es provoziert). Was macht der Gesetzgeber wenn sie mal einen "Exhibitionisten" schnappen, der im Ausweis "Divers" stehen hat? Straffreiheit?
Niemand wir bei der Geburt gefragt, welchen Geschlechts er angehören möchte. Genau deshalb gibt es Artikel 3, Abs. 3 des GG.
Da eine Frau per Definition als dem "schönen Geschlecht" zugehörig niemanden durch Nacktheit (demzufolge auch eine exhibitionistischen Handlung) belästigen kann, gilt dieses Gesetz nur für Männer.
Das ist leider eine völlig falsche Begründung, die auch nicht zu dieser Vorschrift geführt hat.
Das Gesetz § 183 StGB ist diskriminierend und dient als Wunderwaffe zur Läuterung und Kriminalisierung öffentlich nackter Männer.
Der Tatbestand "Exhibitionistische Handlungen" definiert laut Rechtsvorschriften nach § 183 StGB eigentlich die Entblößung des Gemächts vor einer Zielperson mit der ihm unterstellten Absicht, sich dabei sexuell erregen zu wollen. Schon nackt oder entblößt in der Öffentlichkeit unterwegs zu sein, ohne sich vor einer Zielperson zu entblößen, wäre nach dem Gesetz eigentlich keine exhibitionistische Handlung mehr, sondern eher straffreie öffentliche Nacktheit. Aber in der Praxis wird das Gesetz regelmäßig mißbräuchlich angewendet.
Ein öffentlich nackter Mann, der angezeigt wird, bekommt von der Polizei eine Vorladung zur Anhörung wegen "Exhibitionistischer Handlungen" unter Nennung des Tatzeitpunkts und des Tatorts. Jedoch sollte man NIEMALS einer polizeilichen Vorladung zur Anhörung als Beschuldigter Folge leisten! Des weiteren bekommt der Beschuldigte von der Polizei einen Termin zur "Erkennungsdienstlichen Behandlung", Profilfotos, Fingerabdrücke, Handflächenabdrücke und man landet in der Sexualstraftäterdatei.
In der Folge bekommt man eine Anklage von der Staatsanwaltschaft, die den Beschuldigten anklagt wegen "Erregung öffentlichen Ärgernisses" nach § 183a StGB!
Ein Rechtsanwalt kann in der Regel alles noch abwenden. Er kann sich mit der Staatsanwaltschaft einigen und die Angelegenheit als einmaligen Ausrutscher entschuldigen. All das kostet natürlich Geld.
Geschieht eine gütliche Einigung mit der Staatsanwaltschaft nicht, weil sie scheitert oder weil man sie nicht in Betracht zieht, dann kommt es zur Gerichtsverhandlung. Dabei sucht das Gericht keinesfalls die Unschuld des Beschuldigten, sondern seine Schuld! Das Gericht erwartet vom Beschuldigten, sich absolut einsichtig und geläutert zu zeigen! Dann erreicht man sogar in der Regel auch noch die Einstellung des Verfahrens und die Sache ist vom Tisch. Aber man bleibt auf jeden Fall in der Sexualstraftäterdatei. Wer dann in Zukunft wieder irgendwo in der Öffentlichkeit nackt herumspaziert, bekommt es doppelt so dicke!
Und Achtung bitte vor Schnellgerichten! Dann ist man schneller im Gefängnis als man gucken kann!
Du kennst doch sicher das Bundesverfassungsgerichtsurteil Von 1999 zu diesem Paragrafen, das in voller sexistischer Blüte sagt, dass der Paragraf nicht sexistisch sei, sondern im Gegenteil den Männern hilft ihr „Unrechttun“ besser zu verstehen.
Klar ist es sexistisch. Aber man hat es doch immer einfacher auf die Männer einzudreschen, als auf die Frauen.
Okay, danke für die Antwort, das war die erste hilfreiche. Aber wenn ich das richtig verstehe ist dieser Paragraph im Wortlaut schwierig, die Tat an sich nur in Einzelfällen tatsächlich schädlich und lediglich subjektiv anwendbar. Nun frage ich mich warum er nach fast 50 Jahren seit jener Änderung nicht gestrichen wurde, wenn doch die Fachwelt anscheinend seiner überdrüssig ist.