Immanuel Kant: Wiedervergeltung als Ziel der Strafe?

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Immanuel Kant hät den Umstand, eine Rechtswidrigkeit/ein Verbrechen begangen zu haben, für den Grund, der eine Bestrafung rechtfertigt.

Immanuel Kant, Die Metaphysik der Sitten (1797). Erster Theil. Metaphysiche Anfangsgründe der Rechtslehre. Der Rechtslehre Zweiter Theil. Das öffentliche Recht. Erster Abschnitt. Das Staatsrecht. Allgemeine Anmerkung von den rechtlichen Wirkungen aus der Natur des bürgerlichen Vereins. E. Vom Straf- und Begnadigungsrecht. I. AA VI, 331 – 332:

Richterliche Strafe (poena forensis), die von der natürlichen (poena naturalis), dadurch das Laster sich selbst bestraft und auf welche der Gesetzgeber gar nicht Rücksicht nimmt, verschieden, kann niemals bloß als Mittel, ein anderes Gute zu befördern, für den Verbrecher selbst, oder für die bürgerliche Gesellschaft, sondern muß jederzeit nur darum wider ihn verhängt werden, weil er verbrochen hat; denn der Mensch kann nie bloß als Mittel zu den Absichten eines anderen gehandhabt und unter die Gegenstände des Sachenrechts gemengt werden, wowider ihn seine angeborne Persönlichkeit schützt, ob er gleich die bürgerliche einzubüßen gar wohl verurteilt werden kann. Er muß vorher strafbar befunden sein, ehe noch daran gedacht wird, aus dieser Strafe einigen Nutzen für ihn selbst oder seine Mitbürger zu ziehen. Das Strafgesetz ist ein kategorischer Imperativ, und, wehe dem! welcher die Schlangenwindungen der Glückseligkeitslehre durchkriecht, um etwas aufzufinden, was durch den Vorteil, den es verspricht, ihn von der Strafe, oder auch nur einem Grade derselben entbinde, nach dem pharisäischen Wahlspruch: »es ist besser, daß ein Mensch sterbe, als daß das ganze Volk verderbe«; denn, wenn die Gerechtigkeit untergeht, so hat es keinen Wert mehr, daß Menschen auf Erden leben. – Was soll man also von dem Vorschlage halten: einem Verbrecher auf den Tod das Leben zu erhalten, wenn er sich dazu verstände, an sich gefährliche Experimente machen zu lassen, und so glücklich wäre, gut durchzukommen; damit die Ärzte dadurch eine neue, dem gemeinen Wesen ersprießliche, Belehrung erhielten? Ein Gerichtshof würde das medizinische Collegium, das diesen Vorschlag täte, mit Verachtung abweisen; denndie Gerechtigkeit hört auf, eine zu sein, wenn sie sich für irgend einen Preis weggibt.

Welche Art aber und welcher Grad der Bestrafung ist es, welche die öffentliche Gerechtigkeit sich zum Prinzip und Richtmaße macht? Kein anderes, als das Prinzip der Gleichheit (im Stande des Züngleins an der Wage der Gerechtigkeit), sich nicht mehr auf die eine, als auf die andere Seite hinzuneigen. Also: was für unverschuldetes Übel du einem anderen im Volk zufügst, das tust du dir selbst an. Beschimpfst du ihn, so beschimpfst du dich selbst; bestiehlst du ihn, so bestiehlst du dich selbst; schlägst du ihn, so schlägst du dich selbst; tötest du ihn, so tötest du dich selbst. Nur das Wiedervergeltungsrecht (ius talionis), aber, wohl zu verstehen, vor den Schranken des Gerichts (nicht in deinem Privaturteil), kann die Qualität und Quantität der Strafe bestimmt angeben; alle andere sind hin und her schwankend, und können, anderer sich einmischenden Rücksichten wegen, keine Angemessenheit mit dem Spruch der reinen und strengen Gerechtigkeit enthalten.“




Albrecht  02.01.2019, 11:30

zu Strafwürdigkeit auch Immanuel Kant, Kritik der praktischen Vernunft (1788). Erster Teil. Elementarlehre der reinen praktischen Vernunft. Erstes Buch. Die Analytik der reinen praktischen Vernunft. Erstes Hauptstück. Von den Grundsätzen der reinen praktischen Vernunft. § 8. Lehrsatz IV. Anmerkung II. AA V, 37 - 38:  

„Endlich ist noch etwas in der Idee unserer praktischen Vernunft, welches die Übertretung eines sittlichen Gesetzes begleitet, nämlich ihre Strafwürdigkeit. Nun läßt sich mit dem Begriffe einer Strafe, als einer solchen, doch gar nicht das Teilhaftigwerden der Glückseligkeit verbinden. Denn obgleich der, so da straft, wohl zugleich die gütige Absicht haben kann, diese Strafe auch auf diesen Zweck zu richten, so muß sie doch zuvor als Strafe, d.i. als bloßes Übel für sich selbst gerechtfertigt sein, so daß der Gestrafte, wenn es dabei bliebe, und er auch auf keine sich hinter dieser Härte verbergende Gunst hinaussähe, selbst gestehen muß, es sei ihm recht geschehen, und sein Los sei seinem Verhalten vollkommen angemessen. In jeder Strafe, als solcher, muß zuerst Gerechtigkeit sein, und diese macht das Wesentliche dieses Begriffs aus. Mit ihr kann zwar auch Gütigkeit verbunden werden, aber auf diese hat der Strafwürdige, nach seiner Aufführung, nicht die mindeste Ursache sich Rechnung zu machen. Also ist Strafe ein physisches Übel, welches, wenn es auch nicht als natürliche Folge mit dem moralisch-Bösen verbunden wäre, doch als Folge nach Prinzipien einer sittlichen Gesetzgebung verbunden werden müßte. Wenn nun alles Verbrechen, auch ohne auf die physischen Folgen in Ansehung des Täters zu sehen, für sich strafbar ist, d.i. Glückseligkeit (wenigstens zum Teil) verwirkt, so wäre es offenbar ungereimt zu sagen: das Verbrechen habe darin eben bestanden, daß er sich eine Strafe zugezogen hat, indem er seiner eigenen Glückseligkeit Abbruch tat (welches nach dem Prinzip der Selbstliebe der eigentliche Begriff alles Verbrechens sein müßte). Die Strafe würde auf diese Art der Grund sein, etwas ein Verbrechen zu nennen, und die Gerechtigkeit müßte vielmehr darin bestehen, alle Bestrafung zu unterlassen und selbst die natürliche zu verhindern; denn alsdenn wäre in der Handlung nichts Böses mehr, weil die Übel, die sonst darauf folgeten, und um deren willen die Handlung allein böse hieß, nunmehro abgehalten wären. Vollends aber alles Strafen und Belohnen nur als das Maschinenwerk in der Hand einer höheren Macht anzusehen, welches vernünftige Wesen dadurch zu ihrer Endabsicht (der Glückseligkeit) in Tätigkeit zu setzen allein dienen sollte, ist gar zu sichtbar ein alle Freiheit aufhebender Mechanism ihres Willens, als daß es nötig wäre, uns hiebei aufzuhalten.“

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Kant macht so eine Art Schuldbilanz auf. Der Sinn der Strafe ist der nach ihm nur der Schuldausgleich. Er wollte die Strafe nicht zur Abschreckung oder Resozialisierung verhängen.

Ja, das war ein kluger Mann. Ist aber wohl nicht mehr zeitgemäss?

Folgt man ihm, so müssten, meiner Ansicht nach, viele Lobbyisten und Politiker der Agenda 2010 in Berlin auf dem Gendarmenmarkt öffentlich unter die Guillotine.

Auch für das neue Einwanderungsgesetz sollten vielleicht dort einige Köpfe rollen, manche Hälse sind aber vielleicht viel zu dick für das Gerät. LOL

Die Schuld bei diesen Personen besteht im Verbrechen gegen das eigene Volk und gegen die Menschlichkeit. Da reicht wohl einfaches Gefängnis nicht!!

Kant ist in seiner Ansicht ein Hardliner.

Kant fordert in seiner Bestrafung ein Strafmaß welches der Tat entspricht. Dies bedeutet in der Praxis, dass ein Mörder nach Kant hingerichtet werden muss. Kant ist in seinen Thesen die Resozialisierung vollkommen fremd.

Hier einen Brückenschlag zur Metaphysik zu suchen, erscheint mir nicht sinnvoll. Kant hat seine persönliche Meinung zum Umgang mit Straftätern, was nicht zwingend der Metaphysik angelehnt sein muss.