Unterschied zwischen Pflichtethik und Tugendethik (Kant)

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Pflicht bei Immanuel Kant

Pflichtethik heißt: Jemand soll aus innerer Pflicht sittlich handeln.

Verpflichtungsgrund ist das sittliche Gesetz.

Mit Pflicht meint Immanuel Kant eine Verbindlichkeit als moralisches Gebot (Sollen), eine innere Pflicht, nicht eine von außen, von anderen geforderte bzw. vorgeschriebene Pflicht. Kant sieht eine Pflicht, als vernunftbegabtes Wesen dem Sittengesetz zu folgen, weil dies die Achtung vor dem mittels der Vernunft eingesehenen Gesetz gebietet. Die moralische Nötigung der Pflicht ist ein innerer Zwang (Selbstzwang). Sie geschieht durch Selbstbindung eines Vernunftwesens an ein von ihm selbstbestimmt aufgestelltes sittliches Gesetz, das allgemein für vernünftige Wesen gültig ist. Die Selbstverpflichtung gründet in Autonomie (Selbstgesetzgebung). Ein vernünftiges Wesen will das, was es als der praktischen Vernunft entsprechend eingesehen hat. Beim Menschen gibt es eine Pflicht als Forderung, weil er zwar ein vernünftiges Wesen, aber ein endliches Wesen und kein reines Geistwesen ist. Die subjektive Beschaffenheit seines Wollens stimmt nicht von selbst mit dem objektiven Gesetz einer praktischen Vernunft überein. Nach der von Immanuel Kant vertretenen Ethik hat der Mensch als Naturwesen Neigungen und kann daher Lust bekommen, das moralische Gesetz zu übertreten. Zur Befolgung des Gesetzes ist es dann nötig, die Neigungen zu überwinden, indem sich die Pflicht geltend macht.

Immanuel Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten (1786). Erster Abschnitt. Übergang von der gemeinen Sittlichen Vernunfterkenntniß zur philosophischen (AA IV 400/BA 14):
Pflicht ist die Nothwendigkeit einer Handlung aus Achtung fürs Gesetz. Zum Objecte als Wirkung meiner vorhabenden Handlung kann ich zwar Neigung haben, aber niemals Achtung, eben darum, weil sie bloß eine Wirkung und nicht Thätigkeit eines Willens ist. Eben so kann ich für Neigung überhaupt, sie mag nun meine oder eines andern seine sein, nicht Achtung haben, ich kann sie höchstens im ersten Falle billigen, im zweiten bisweilen selbst lieben, d. i. sie als meinem eigenen Vortheile günstig ansehen. Nur das, was bloß als Grund, niemals aber als Wirkung mit meinem Willen verknüpft ist, was nicht meiner Neigung dient, sondern sie überwiegt, wenigstens diese von deren Überschlage bei der Wahl ganz ausschließt, mithin das bloße Gesetz für sich kann ein Gegenstand der Achtung und hiemit ein Gebot sein. Nun soll eine Handlung aus Pflicht den Einfluß der Neigung und mit ihr jeden Gegenstand des Willens ganz absondern, also bleibt nichts für den Willen übrig, was ihn bestimmen könne, als objectiv das Gesetz und subjectiv reine Achtung für dieses praktische Gesetz, mithin die Maxime, einem solchen Gesetze selbst mit Abbruch aller meiner Neigungen Folge zu leisten.“

Tugendethik

Mit Tugend wird eine vorzügliche Charaktereigenschaft bezeichnet. In einer Tugendethik geht es um das Anstreben des Guten (griechisch τὸ ἀγαθόν) aus einer inneren Einstellung heraus. Das griechische Wort für Tugend ἀρετή drückt Vortrefflichkeit aus (sehr wörtlich genommen steht es für etwas, das am besten ist – Bestheit). Damit ist auch Tüchtigkeit und Tauglichkeit gemeint, während das deutsche Wort „Tugend“ oft teils mit moralistischem Reglementieren, teils mit bloß funktionellen Qualitäten verbunden ist. Tugendethiken richten ihre Aufmerksamkeit auf das Gute bei Personen und deren innere Einstellung. Tugend wird um ihrer selbst willen erstrebt und führt zur Glückseligkeit (εὐδαιμονία). In der Tugendethik geht es um etwas inhaltlich Wertvolles.

Unterschied zwischen Pflichtethik (Kant) und Tugendethik

Zwischen den beiden Ethiken gibt es in manchen Hinsichten durchaus Verwandtschaft. Auch Kant verwendet den Begriff Tugend, hält sie für ein hochrangiges Gut und Glück(seligkeit) für ein Ziel.

Tugend ist bei Kant das oberste, aber nicht das vollendete, höchste Gut. Das höchste Gut besteht in der Übereinstimmung von Glückseligkeit und Glückwürdigkeit, bei der die Tugendhaften entsprechend ihrer Tugend belohnt werden. Glückswürdigkeit bedeutet, Glückseligkeit verdient zu haben. Jemand ist aufgrund seines guten Handelns würdig, Glück zu genießen. Die sittlichen Bestimmungsgründe sind von der Natur unabhängig.

Zur inneren Einstellung gibt es bei Kant mit dem guten Willen etwas Ähnliches. Ein Unterschied besteht aber darin, daß 1. der gute Wille viel radikaler unabhängig von Folgen/dem Erreichen des Zweckes als gut gilt, womit Erkenntisleistungen auf der Ebene bestimmter Ziele im Gegensatz zu zumindest einigen Tugendethiken keine wichtige Rolle spielen, 2. der gute Wille formal bestimmt ist, als Form reiner Gesetzlichkeit (wobei der kategorische Imperativ Prüfstein des Grundsatzes ist), nicht material (inhaltlich), 3. der gute Wille der Pflicht und dem sittlichen Gesetz folgt und keine auf die Handlung bezogene eigenständige Erkenntnis enthält.


Albrecht  26.10.2012, 07:54

In Kants Ethik sind aber Neigungen als maßgebliche Kräfte sittlichen Handeln ausgeschlossen, vielmehr soll völlige Unabhängigkeit von ihnen bestehen. Dieser Ansatz weicht deutlich von einer Tugendethik wie bei Aristoteles ab, wo es unter anderem um die Kultivierung der Gefühle/Leidenschaft gilt, ihre Angemessenheit in Situationen. Die Verbannung alles Empirischen weicht auch von einer Variante der Tugendethik ab, die einen (angeborenen) moralischen Sinn (‹moral sense›) mit auftretendem Wohlwollen bzw. Gefühlen der Billigung und Mißbilligung zur Grundlage macht (z. B. Shaftesbury, Hutcheson).

Immanuel Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten (1785/6). Zweiter Abschnitt. Übergang von der populären sittlichen Weltweisheit zur Metaphysik der Sitten (AA IV 418 – 419/B 47 – 48):
„Hieraus folgt, daß die Imperativen der Klugheit, genau zu reden, gar nicht gebieten, d. i. Handlungen objectiv als praktisch-nothwendig darstellen, können, daß sie eher für Anrathungen ( consilia ) als Gebote ( praecepta ) der Vernunft zu halten sind, daß die Aufgabe: sicher und allgemein zu bestimmen, welche Handlung die Glückseligkeit eines vernünftigen Wesens befördern werde, völlig unauflöslich, mithin kein Imperativ in Ansehung derselben möglich sei, der im strengen Verstande geböte, das zu thun, was glücklich macht, weil Glückseligkeit nicht ein Ideal der Vernunft, sondern der Einbildungskraft ist, was bloß auf empirischen Gründen beruht, von denen man vergeblich erwartet, daß sie eine Handlung bestimmen sollten, dadurch die Totalität einer in der That unendlichen Reihe von Folgen erreicht würde.“

Immanuel Kant, Kritik der praktischen Vernunft (1788). Erster Theil. Elementarlehre der reinen praktischen Vernunft. Erstes Buch. Die Analytik der reinen praktischen Vernunft. Erstes Hauptstück. Von den Grundsätzen der reinen praktischen Vernunft. § 3. Lehrsatz II Anmerkung I (AA V 024/A 45):
„Das Princip der eigenen Glückseligkeit, so viel Verstand und Vernunft bei ihm auch gebraucht werden mag, würde doch für den Willen keine andere Bestimmungsgründe, als die dem unteren Begehrungsvermögen angemessen sind, in sich fassen, und es giebt also entweder gar kein oberes Begehrungsvermögen, oder reine Vernunft muß für sich allein praktisch sein, d. i. ohne Voraussetzung irgend eines Gefühls, mithin ohne Vorstellungen des Angenehmen oder Unangenehmen als der Materie des Begehrungsvermögens, die jederzeit eine empirische Bedingung der Principien ist, durch die bloße Form der praktischen Regel den Willen bestimmen können.“

Anmerkung II (AA IV 025/A 46):
„Glücklich zu sein, ist nothwendig das Verlangen jedes vernünftigen, aber endlichen Wesens und also ein unvermeidlicher Bestimmungsgrund seines Begehrungsvermögens. Denn die Zufriedenheit mit seinem ganzen Dasein ist nicht etwa ein ursprünglicher Besitz und eine Seligkeit, welche ein Bewußtsein seiner unabhängigen Selbstgenugsamkeit voraussetzen würde, sondern ein durch seine endliche Natur selbst ihm aufgedrungenes Problem, weil es bedürftig ist, und dieses Bedürfniß betrifft die Materie seines Begehrungsvermögens, d. i. etwas, was sich auf ein subjectiv zum Grunde liegendes Gefühl der Lust oder Unlust bezieht, dadurch das, was es zur Zufriedenheit mit seinem Zustande bedarf, bestimmt wird. Aber eben darum, weil dieser materiale Bestimmungsgrund von dem Subjecte blos empirisch erkannt werden kann, ist es unmöglich diese Aufgabe als ein Gesetz zu betrachten, weil dieses als objectiv in allen Fällen und für alle vernünftige Wesen eben denselben Bestimmungsgrund des Willens enthalten müßte. Denn obgleich der Begriff der Glückseligkeit der praktischen Beziehung der Objecte aufs Begehrungsvermögen allerwärts zum Grunde liegt, so ist er doch nur der allgemeine Titel der subjectiven Bestimmungsgründe und bestimmt nichts specifisch, darum es doch in dieser praktischen Aufgabe allein zu thun ist, und ohne welche Bestimmung sie gar nicht aufgelöset werden kann. Worin nämlich jeder seine Glückseligkeit zu setzen habe, kommt auf jedes sein besonderes Gefühl der Lust und Unlust an, und selbst in einem und demselben Subject auf die Verschiedenheit des Bedürfnisses nach den Abänderungen dieses Gefühls, und ein subjectiv nothwendiges Gesetz (als Naturgesetz) ist also objectiv ein gar sehr zufälliges praktisches Princip, das in verschiedenen Subjecten sehr verschieden sein kann und muß, mithin niemals ein Gesetz abgeben kann, weil es bei der Begierde nach Glückseligkeit nicht auf die Form der Gesetzmäßigkeit, sondern lediglich auf die Materie ankommt, nämlich ob und wieviel Vergnügen ich in der Befolgung des Gesetzes zu erwarten habe.“

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Albrecht  26.10.2012, 07:52

Immanuel Kant vertritt die Auffassung, eine uneingeschränkt gute Handlung könne nur eine von einem guten Willen getragenen Handlung sein.

Immanuel Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten (1785/6). Erster Abschnitt. Übergang von der gemeinen sittlichen Vernunfterkenntniß zur philosophischen (AA IV 393/BA 1):
„Es ist überall nichts in der Welt, ja überhaupt auch außer derselben zu denken möglich, was ohne Einschränkung für gut könnte gehalten werden, als allein ein guter Wille.“

Immanuel Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten (1785/6). Erster Abschnitt. Übergang von der gemeinen Sittlichen Vernunfterkenntniß zur philosophischen (AA IV 394/BA 4):
„Der gute Wille ist nicht durch das, was er bewirkt oder ausrichtet, nicht durch seine Tauglichkeit zu Erreichung irgend eines vorgesetzten Zweckes, sondern allein durch das Wollen, d. i. an sich, gut und, für sich selbst betrachtet, ohne Vergleich weit höher zu schätzen als alles, was durch ihn zu Gunsten irgend einer Neigung, ja wenn man will, der Summe aller Neigungen nur immer zu Stande gebracht werden könnte. Wenn gleich durch eine besondere Ungunst des Schicksals, oder durch kärgliche Ausstattung einer stiefmütterlichen Natur es diesem Willen gänzlich an Vermögen fehlte, seine Absicht durchzusetzen; wenn bei seiner größten Bestrebung dennoch nichts von ihm ausgerichtet würde, und nur der gute Wille (freilich nicht etwa als ein bloßer Wunsch, sondern als die Aufbietung aller Mittel, so weit sie in unserer Gewalt sind) übrig bliebe: so würde er wie ein Juwel doch für sich selbst glänzen, als etwas, das seinen vollen Werth in sich selbst hat.“

Um einen Willen als eigentlich moralisch und dabei voll als gut auffassen zu können, wird ein allgemeines Kriterium (ein allgemeiner Maßstab) benötigt. Dazu ist eine Betrachtung erforderlich, die sich auf den reinen Willen (den aus sich selbst bestimmten Willen) bezieht. Der reine Wille, der als gut beurteilt werden kann, ist nach Kants Auffassung der durch die reine Form der Gesetzlichkeit (Gesetzesförmigkeit; bezogen auf das moralische Gesetz/Sittengesetz; nicht auf juristische Gesetze) bestimmte Wille.

Immanuel Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten (1785/6). Zweiter Abschnitt. Übergang von der populären sittlichen Weltweisheit zur Metaphysik der Sitten (AA IV 421/BA 52):
„Der kategorische Imperativ ist also nur ein einziger und zwar dieser: handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, daß sie ein allgemeines Gesetz werde.

Tugend versteht Kant als Festigkeit der Gesinnung, als eine Stärke des Willens, die Pflicht zu erfüllen. Wiederum gibt es keine inhaltliche Bestimmung durch Werte/Güter.

Immanuel Kant, Die Metaphysik der Sitten (1797). Zweiter Theil. Metaphysische Anfangsgründe der Tugendlehre. Einleitung zur Tugendlehre. IX. Was ist Tugendpflicht? (AA IV 394):
„Tugend ist die Stärke der Maxime des Menschen in Befolgung seiner Pflicht. - Alle Stärke wird nur durch Hindernisse erkannt, die sie überwältigen kann; bei der Tugend aber sind diese die Naturneigungen, welche mit dem sittlichen Vorsatz in Streit kommen können, und da der Mensch es selbst ist, der seinen Maximen diese Hindernisse in den Weg legt, so ist die Tugend nicht blos ein Selbstzwang (denn da könnte eine Naturneigung die andere zu bezwingen trachten), sondern auch ein Zwang nach einem Princip der innern Freiheit, mithin durch die bloße Vorstellung seiner Pflicht nach dem formalen Gesetz derselben.“

(AA IV 395):
„Die Tugend, als die in der festen Gesinnung gegründete Übereinstimmung des Willens mit jeder Pflicht, ist wie alles Formale blos eine und dieselbe. Aber in Ansehung des Zwecks der Handlungen, der zugleich Pflicht ist, d. i. desjenigen (des Materiale), was man sich zum Zwecke machen soll, kann es mehr Tugenden geben, und die Verbindlichkeit zu der Maxime desselben heißt Tugendpflicht, deren es also viele giebt.

Das oberste Princip der Tugendlehre ist: handle nach einer Maxime der Zwecke, die zu haben für jedermann ein allgemeines Gesetz sein kann.“

Kant versteht Glück(seligkeit) als ein Wohlbefinden, als empfundene subjektive besonders hohe Zufriedenheit (kein objektives Wohlergehen). Glück stellt zwar nach seiner Auffassung ein Ziel dar, aber anders als eine Anzahl von Tugendethiken (darunter die meisten antiken Ethiken [Eudaimonismus]) ist nach seiner Überzeugung Glück für die Begründung sittlich guten Handelns ungeeignet. Sein Glück zu fördern, geschehe schon ganz natürlich aus Selbstliebe. Beim Erreichen des Glücks gelten Gebote der Klugheit. Diese stellen nur hypothetische Imperative dar. Die Bestimmungsgründe beim Prinzip der Selbstliebe wären nur subjektiv gültig und empirisch (einer zufälligen Erfahrung zu entnehmen), nicht objektiv und notwendig. Wenn Bestimmungsgründe aus den Bereich der Erfahrung hineinkommen, wären Neigungen und Ähnliches (Streben nach Annehmlichkeit, Gefühle der Lust, erwartetes Vergnügen) am sittlich guten Handeln mitbeteiligt.

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Es gibt drei große Ethiken, die Tugendethik, den Utilitarismus und die Pflichtethik. In der Pflichtethik geht es um die Frage, was es bedeutet, aus dem eigenen Willen zu handeln

Im Gegensatz dazu steht die Tugendlehre. Unter Tugendhaftigkeit versteht er die Pflicht, seine Fähigkeit zu vernunftbestimmtem Handeln zu gebrauchen, ungeachtet sonstiger Beweggründe und Antriebe. Mut als Tugend kann sowohl das Handeln des Verbrechers als auch das des Polizisten bestimmen. Tugenden sind daher zwar nützlich, aber nur relativ. Sie bedürfen der Begleitung durch das sittlich Gute mit dem Kategorischen Imperativ als Maßstab, da die Befolgung des Kategorischen Imperativs ein Gebot der Pflicht ist.

http://de.wikipedia.org/wiki/Tugendethik#Kants_Tugendlehre

Nach Kant ist man gemäß dem von ihm formulierten kategorischen Imperativ zum moralischen Handeln – aufgrund vernünftiger Einsicht – verpflichtet. Allerdings sagt er auch noch, hinzukommen müsse „der gute Wille“; also die Einsicht allein genügt nicht. („Pflicht“ heißt hier nicht, dass man - im Sinne eines Zwanges - moralisch handeln muss, sondern man „sollte“ moralisch handeln, wenn man ein Mensch sein will; das Vernünftige in uns sagt uns, man ist erst dann ein wirklicher Mensch, wenn man den kategorischen Imperativ „verinnerlicht“ hat). Statt Moral könnte man auch Tugend sagen. „Sitten“ passt weniger, denn man verbindet mit diesem Begriff eher ein lokales Brauchtum in manchen Dörfern oder Landstrichen. - Was ist nun der Unterschied der sog. kantischen Pflichtethik zur sog. Aristotelischen Tugendethik? - „Tugend“ ist nach Aristoteles so viel wie „Vortrefflichkeit“ in der konkreten Situation, also nicht ein Ideal (wie das Gute), sondern eine „gute Eigenschaft“, die man jedem zumuten kann (sog. goldener Mittelweg). Den Unterschied zu Kant sehe ich allein in der Verbindung der Tugendlehre des Aristoteles mit dem Glückseligkeitsziel. Hier sagt Aristoteles, dass zur Tugend (als Voraussetzung des Glücklich-seins, wonach alle streben) nur bestimmte Personengruppen in der Lage sind. Dazu gehören die Gesunden, die Vermögenden und die Schönen. Die Armen, Hässlichen und Kranken können oder wollen nicht glücklich sein und können oder wollen also auch nicht tugendhaft handeln. Nicht weil sie nicht die nötige Einsicht in das Wesen des Glücklich-seins haben; sie können schon erkennen, dass Tugend (also Vortrefflichkeit) eine Voraussetzung für die Glückseligkeit ist (es sei denn, sie sind dumm). Allein ihnen fehlt der Wille zur „Vortrefflichkeit“ (bei manchen auch die Fähigkeit dazu). Arme sind aufgrund ihrer Armut habsüchtig, sagt Aristoteles, sind also zur Tugend außerstande bzw. ihnen fehlt der Wille. Hässliche können nicht anmutig sein; Anmut ist aber eine wichtige tugendhafte Eigenschaft. Ein hässlicher Mensch wird immer mit seinem Schicksal hadern. Kranke sind ebenfalls von Natur aus verdrießlich, können also auch nicht glücklich sein oder wollen es gar nicht, denn eine gewisse Ausgeglichenheit, ein „maßvolles“ Verhalten in der konkreten Situation ist unerlässlich; dazu sind Kranke außerstande; sie geben es von vornherein auf (s. hierzu Aristoteles, Nikomachische Ethik, Buch X). Ansonsten kann nur glücklich werden, wer den Willen zur Tugend besitzt. - Wenn man sagt, Kants Ethik sei eine Ethik des Sollens und die des Aristoteles eine Ethik des Wollens, so ist das m.E. etwas missverständlich. Auch Kants Ethik ist z.T. eine Ethik des Wollens (s.o. „der gute Wille“). Wie bei Aristoteles genügt also nicht bloß die Einsicht in die Notwendigkeit, tugendhaft-moralisch zu handeln (gemäß dem kategorischen Imperativ). Allerdings, wie gesagt, will man ein wahrhafter Mensch sein, „sollte“ man (nach Kant) moralisch handeln. Aristoteles hebt hier mehr auf die Freiwilligkeit ab. Wer halt nicht tugendhaft handeln will, verzichtet von vornherein auf das Glückseligkeitsziel. – Nach meiner Auffassung ist die Tugendethik des Aristoteles veraltet. Dass man den Armen, Kranken und Hässlichen die Fähigkeit zur Tugend abspricht, passt nun wirklich nicht mehr in unsere Zeit. Mag sein, dass viele Bettler mit Tugend „nichts am Hut haben“, aber alle kann man doch wohl nicht über einen Leisten schlagen.

Handele nur nach derjenigen Maxime, von der du zugleich auch wollen kannst, dass sie ein allgemeines Naturgesetz werde! - Kategorischer Imperativ Kants. Ich denke das bringt seine Tugendethik ganz gut auf den Punkt. Pflichtethik heißt einfach nur, dass man aus sich selbst heraus Tugendhaft handeln soll. Also hat man nach kannt eine Pflicht sich selbst gegenüber tugendhaft zu handeln.

Die Pflichtethik beruht auf dem Gesetz der Moral. 

Die Ethik der Tugend beruht auf einem moralischen Charakter, der ohne Gesetz pflichtgemäß handelt

Kant war sein leben lang hin und hergerissen, zwischen seiner Pflicht der Obrigkeit zu huldigen und der moralichen Ethik des einfachen Bürgers, das eine bewunderte Er dem anderen huldigte Er. 

Entschieden hat er sich für die Pflichtethik, denn diese konnte durch äusseren Einfluss herbeigeführt werden, beneidet hat er jedoch die Tugendethik, die frei von jedem inneren und äusseren Zwang ist. 

Kant war ein zerissener unselbstständiger Mensch, der gerne philosophierte, hier philosophiert er über Verantwortungspflicht und Verantwortungsgefühl.