Haltet Ihr Abtreibung für unmoralisch?
In Deutschland werden laut Statisischen Bundesamt pro Jahr rund 100.000 Abtreibungen durchgeführt. Die tatsächliche Zahl liegt womöglich höher, weil nicht alle Abtreibungen gemeldet werden.
Für das Jahr 2021 wurden 94.596 registriert. In 3.903 Fällen lag dabei eine Behinderung des Ungeborenen oder Lebensgefahr für die Schwangere vor, in 50 Fällen beruhte die Abtreibung auf einer Vergewaltigung oder Inzest (siehe hier). Das entspricht 4,18 Prozent aller Abtreibungen.
Wenn man diese Extremfälle von Behinderung des Ungeborenen, Lebensgefahr für die Schwangere, Vergewaltigung und Inzest einmal ausnimmt und einfach davon ausgeht, dass warum auch immer ein ungewolltes Kind gezeugt wurde - haltet Ihr Abtreibung in diesen Fällen für unmoralisch?
60 Stimmen
14 Antworten
Die Rechtslage und der gesamtgesellschaftliche Konsens in Deutschland stellt ganz klar fest, dass Abtreibung akzeptiert und unter Einhaltung bestimmter einfach zu erfüllender Regeln auch völlig straffrei bleibt. Ob man das als moralisch /unmoralisch betrachtete ist jedem freigestellt- die Mehrheit in D findet es anscheinend in Ordnung.
Meine persönliche Meinung: Abtreibung ist alleine Sache der Frau und das Selbstbestimmungsrecht einer Frau ist immer höher zu bewerten als das Lebensrecht eines Fötus.
Die Diskussion warum ein Fötus nicht unter den vollen Schutz der Menschenrechte, insbesondere der Menschenwürde, fällt wurde in Deutschland nie zu Ende geführt, aber die Implikation ist, dass ein nicht kognitionsfähiger Organismus, eben auch keinen vollen Anspruch auf die Menschenwürde hat.
Dann muss man sich schon den ganzen Begründungsschmarn in den vielen Kommentaren und Klarstellungen reinziehen und in Bezug zur Rechtspraxis setzen.
Dann wird eben klar, dass die Hohen Richter zwar den besonderen Schutz des Ungeborenen formulieren (deswegen auch das grundsätzliche, strafbewehrte Verbot der Abtreibung), aber im Gegensatz zur Menschenrechts-Deklaration der Unteilbarkeit und Nichtabwägbarkeit der Menschenwürde, hier tatsächlich ein Abwägung zwischen Recht der Schwangeren und Recht des Ungeborenen zulassen.
Und genau deswegen sind Abtreibungen prinzipiell erlaubt und bleiben straffrei!
Es nützt eben nichts nur Teile von Beschlüssen zu zitieren, wenn man sie losgelöst von den Ausführungsrichtlinien und der tatsächlichen Rechtspraxis sieht.
Irgendwann muss die Gesellschaft diese Diskussion zu Ende führen und in meiner Einschätzung wird es dahingehen, dass man Menschenrechte an das kognitive Vermögen bindet und allenfalls eine Bestimmungsgrenze zwischen vor- und nachgeburtlichem Status setzt. Die besteht zwar auch jetzt schon, ist aber, wie gesagt, im Vorgeburtlichen völlig verschwurbelt.
Nein, genau diese Abwägung zwischen Recht des Kindes und d Recht der Mutter ist NICHT geschehen, jedenfalls nicht in den beiden Urteilen des Bundesverfassungsgerichtes.
Und genau deswegen sind Abtreibungen prinzipiell erlaubt und bleiben straffrei
Das ist falsch. Abtreibungen sind in Deutschland eine Straftat und bleiben, wenn sie indikationslos sind, zwar unter bestimmten Bedingungen straffrei, aber ausdrücklich rechtswidrig.
Die Frage hast du doch schon öfter gestellt. https://www.gutefrage.net/frage/findet-ihr-abtreibung-moralisch-verwerflich
Was erhofft du dir davon, immer wieder die gleiche Frage zu stellen?
Meine Antwort ist jedenfalls immer noch die gleiche:
Was heißt schon moralisch?
Schon Georg Büchner wusste ja "Moral, das ist, wenn man moralisch ist."
Als Moral werden die Werte und Regeln bezeichnet, die in einer Gesellschaft allgemein anerkannt sind. Wenn man sagt, jemand hat „moralisch“ gehandelt, ist damit gemeint, dass er sich so verhalten hat, wie es die Menschen richtig und gut finden.
Und gerade beim Thema Abtreibung kommt es dann eben darauf an, wen du fragst.
Je nachdem, wie man bestimmte Faktoren gewichtet und welche Werte man selbst als wichtiger ansieht, wird man zu dem Ergebnis kommen, das eine sei moralisch und das andere nicht.
Ich zB bin nicht "für" Abtreibungen, sondern für Verhütung und Prävention.
Dennoch kann ich akzeptieren, dass manchmal eine Frau ungewollt schwanger wird und aus Gründen, über die ich nicht zu urteilen habe, eine Abtreibung möchte und dann ist es auch ok. Denn es wäre für mein Empfinden absolut unmoralisch, Frauen zum Austragen einer unerwünschten Schwangerschaft zu zwingen - oder alternativ zu einer Abtreibung beim Kurpfuscher oder ähnlichem.
Denn nur weil Abtreibungen verboten sind, heißt das nicht, dass dann keine durchgeführt werden. Entweder es gibt sie heimlich unter medizinisch/hygienisch fragwürdigen Umständen, oder die betroffenen Frauen gehen ins Ausland. Als der "stern" 1971 seine berühmte "wir haben abgetrieben"-Story veröffentlichte, waren Abtreibungen in Deutschland ja auch noch komplett illegal und trotzdem fanden sich genug Frauen, die zugaben, schon einmal abgetrieben zu haben.
Deswegen ist mein Standpunkt eben, dass es der Frauengesundheit mehr dient, wenn man Abtreibungen in gewissem Rahmen unter medizinisch und hygienisch einwandfreien Bedingungen zulässt.
In den USA hat man dazu auch Studien verfasst.
Es gibt zB Untersuchungen, dass in Bundesstaaten mit strikten Abtreibungsgesetzen die Säuglingssterblichkeit am höchsten ist. (https://www.latimes.com/business/hiltzik/la-fi-hiltzik-anti-abortion-infant-mortality-20190515-story.html)
"States with the largest number of abortion restrictions tended to have high infant mortality rates of 7.0 or above; abortion-friendly states had much lower rates.(CDC)"
Die USA haben zum Beispiel auch die höchste Müttersterblichkeitsrate aller Industrienationen. https://www.npr.org/2017/05/12/528098789/u-s-has-the-worst-rate-of-maternal-deaths-in-the-developed-world?t=1630566638030&t=1630833144494
"Indeed, the reported rate of maternal deaths in Texas soared from 72 deaths per 100,000 live births in 2010 to 148 deaths per 100,000 live births in 2012"
(Zum Vergleich: in Deutschland liegen wir bei 7 verstorbenen Frauen auf 100.000 Lebendgeburten)
Ganz offensichtlich tut man weder Gutes für Säuglinge noch für Frauen, wenn man Abtreibungen stark restriktiv behandelt.
Und von daher fände ich eine starke Restriktion von Abtreibungen tatsächlich unmoralisch.
Es ist mir ieber ein Kind nicht zu bekommen als, dass ich es nicht versorgen kann.
Wenn man ein Kind aufnimmt oder adoptiert, dann muss man beweisen, dass man es auch versorgen kann. Wenn das für zu gebärende Kinder auch gelten würde, dann würde es auch weniger Kinder geben die von ihren Erzeugern nicht erwünscht sind und die dann darunter leiden.
Auf jeden Fall.
Haltet Ihr Abtreibung für unmoralisch?
Nein.
Eine Abtreibung hat immer Gründe - ansonsten würde man diesen bewusst gewählten Weg nicht gehen.
Ob diese Gründe triftig genug sind, um die Abtreibung zu rechtfertigen, sollte - unter Beachtung der gesetzlichen Bestimmungen - schlichtweg die betroffene Frau entscheiden. Nicht ich, nicht sonst irgendwer.
LG
Eine Abtreibung hat immer Gründe - ansonsten würde man diesen bewusst gewählten Weg nicht gehen.
Das ist sicher richtig. Aber auch jeder Mörder hat Gründe - "ansonsten würde man diesen bewusst gewählten Weg nicht gehen.". Das ist insofern kein Argument.
Aber auch jeder Mörder hat Gründe - "ansonsten würde man diesen bewusst gewählten Weg nicht gehen.". Das ist insofern kein Argument.
Das ist insofern ein Argument, da es für den Schwangerschaftsabbruch einen erlaubten rechtlichen Rahmen gibt. Für Mord nicht.
Insofern hinkt der Vergleich.
Das ist insofern ein Argument, da es für den Schwangerschaftsabbruch einen erlaubten rechtlichen Rahmen gibt. Für Mord nicht.
Und weil es ein Gesetz gibt, bedeutet dies automatisch, dass dieses richtig ist?
Und weil es ein Gesetz gibt, bedeutet dies automatisch, dass dieses richtig ist?
Ein Gesetz ist per se weder "richtig", noch "falsch". Ein Gesetz richtet sich eben nicht nach individuellen Vorstellungen von Ethik und Moral.
"Ob diese Gründe triftig genug sind, um die Abtreibung zu rechtfertigen..." Also immerhin erwartest Du eine Rechtfertigung! Es ist also nicht normal sondern bedarf einer besonderen Begründung und Rechtfertigung! Wenn jemand moralisch unbedinklich handelt, würde ich eine solche Rechtfertigung nicht erwarten!
Also immerhin erwartest Du eine Rechtfertigung!
Nein, ich habe nicht geschrieben, dass ich eine Rechtfertigung erwarte. Ich hatte auch nicht die Absicht, das zu implizieren...
"Rechtfertigen" muss diese Entscheidung die Mutter gegenüber ihrem eigenen Gewissen.
"Rechtfertigen" muss diese Entscheidung die Mutter gegenüber ihrem eigenen Gewissen.
Was für eine Mutter?
Was für eine Mutter?
Man möge meinetwegen auch von der "schwangerschaftsabbrechenden Frau" sprechen. Wie es einem beliebt.
Man möge meinetwegen auch von der "schwangerschaftsabbrechenden Frau" sprechen. Wie es einem beliebt.
Oder halt ihr "ihren eigen Fleisch und Blut tötende Frau". Wie es einem beliebt.
Oder halt ihr "ihren eigen Fleisch und Blut tötende Frau".
Womit wir wieder beim Selbstbestimmungsrecht wären...
Im Endeffekt: deine Position hast Du deutlich gemacht - und entsprechend der Abstimmung wird deutlich, dass diese von der Mehrheit nicht geteilt wird.
Im Endeffekt: deine Position hast Du deutlich gemacht - und entsprechend der Abstimmung wird deutlich, dass diese von der Mehrheit nicht geteilt wird.
Und das sagt was aus?
Und das sagt was aus?
Es sagt aus, dass
- die Mehrheit der Nutzer es nicht als unmoralisch empfindet
- Du - wenig überraschend - eine mindestens sehr konservative Position einnimmst und
- eine Diskussion mehr oder minder für die Katz' ist, da Du dir bereits eine feststehende Meinung gebildet hast und es primär darum geht, diese "zu verteidigen".
Das stimmt nicht.
Im deutschen Recht ist der Nasciturus (nach Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sowie herrschender Auffassung) Träger der Menschenwürde i. S. d. Art. 1 Abs. 1 GG, ebenso Träger von Grundrechten, etwa des in Art. 2 Abs. 2 GG formulierten Rechts auf Leben. Strafrechtlich wird er durch § 218 ff. StGB (Schwangerschaftsabbruch) geschützt, nicht jedoch durch § 212 StGB (Totschlag).
Im Zivilrecht ist der Nasciturus nach der Definition des § 1 BGB nicht rechtsfähig, wird jedoch durch zivilrechtliche Sondervorschriften geschützt. Beispielsweise kann der Nasciturus Erbe sein, wenn er zum Zeitpunkt des Erbfalls bereits gezeugt war (§ 1923 Abs. 2 BGB).
Insbesondere schreibt das deutsche Bundesverfassungsgericht in seiner letzten Entscheidung bezüglich der Abtreibungsfrage:
Rechtlicher Schutz gebührt dem Ungeborenen auch gegenüber seiner Mutter. Ein solcher Schutz ist nur möglich, wenn der Gesetzgeber ihr einen Schwangerschaftsabbruch grundsätzlich verbietet und ihr damit die grundsätzliche Rechtspflicht auferlegt, das Kind auszutragen. Das grundsätzliche Verbot des Schwangerschaftsabbruchs und die grundsätzliche Pflicht zum Austragen des Kindes sind zwei untrennbar verbundene Elemente des verfassungsrechtlich gebotenen Schutzes. (BVerfGE 88, 203 - Schwangerschaftsabbruch II)