Haben Autisten kein Einfühlungsvermögen?

8 Antworten

Hi,

wichtig ist das du deine Gefühle kommunizierst und nicht davon ausgehst das er weiß was du gerade empfindest oder möchtest oder eigentlich meinst... mit Blicken oder sonstiger Mimik kannst du im Prinzip so gut wie keine Informationen übertragen... irgendwelche Erwartungen, was du meinst was er machen soll in der ein oder anderen Situation, kannst du auch nicht haben... kurz gesagt, wenn du was willst, sprich es aus (nicht doppeldeutig) :-)

Woher ich das weiß:Hobby

Lieblingstiere 
Beitragsersteller
 08.02.2021, 19:56

Also einfach offen und ehrlich :)

dieser Mann macht das oft nicht. Oder er weiss selber nicht, was in ihm passiert...offen ist er oft nicht. Ich denke, er hat Erfahrung, verletzt zu werden, so dass er nicht offen sagen kann, was er fühlt und denkt. Weil er hat dann erfahren, dass anderen ihn komisch fanden(klar, wenn sie nicht wissen, dass er diese Symptome hat...)

Lieblingstiere 
Beitragsersteller
 08.02.2021, 20:36
@Radon

Wie kann man von draußen diese Unsicherheit von ihnen erleichtern?

kiniro  08.02.2021, 23:46
@Lieblingstiere

Kannst du ihn (zum Großteil) akzeptieren, wie er ist oder willst du ihn therapieren?

Lieblingstiere 
Beitragsersteller
 08.02.2021, 23:58
@kiniro

Erstmal akzeptieren und dann wenn möglich therapieren. Ich bin gerade wahrscheinlich am akzeptieren

kiniro  09.02.2021, 10:58
@Lieblingstiere

Lass es lieber mit dem Therapieren.
Ich fände es extrem übergriffig, wenn mich ein anderer so verändern wollte, dass ich seinen Wunschvorstellungen entspreche.

Die meisten Autisten wollen vor allem akzeptiert werden.

Lieblingstiere 
Beitragsersteller
 09.02.2021, 11:39
@kiniro

Therapie heisst für mich eher ein Weg, dass er sich selbst akzeptieren kann, wie er ist, was zB dieser Mann wahrscheinlich noch nicht kann. Ich möchte ihn nicht verändern. Aber ich möchte dass er sich zB beim Gespräch angenehm fühlen kann. Aber nicht nur er sondern wir, irgendwann.

Ja, am besten redest du ganz langsam und viel lauter als sonst, das macht dich sicher sympathisch. *irony off*

Geh einfach ganz normal mit ihm um, drücke dich möglichst präzise und klar aus und frage nicht "Ist dir nicht kalt?", wenn du sagen willst: "Mach das Fenster zu, ich frier mir hier den Arsch ab!" Wenn du über deine Gefühle sprechen möchtest, zum Beispiel wenn du Hunger hast, kannst du davon ausgehen, dass er weiß, was Hunger ist. Alle Gefühle, die man mit körperlichen Symptomen beschreiben kann, können problemlos kommuniziert werden. Andere eher nicht. "Ich hab da so ein Gefühl" wird zwangsweise "Aha" zur Antwort haben.

Das Gefühlsleben eines Autisten ist nicht eingeschränkt, es kann nur zu Bezeichnungsproblemen kommen. Gefühle am Gesicht anderer erkennen ist sehr problematisch. Mangelnde Empathie ist das aber nicht, sondern der Prozess läuft bewusst ab. Man kann das Defizit intellektuell ausgleichen durch die Analyse der Mimik, aber nur, wenn nicht gleichzeitig geredet wird. Wenn du möchtest, dass er dir Wünsche von den Augen abliest, solltest du nicht nebenher über etwas anderes reden.

Ich hoffe, ich konnte dir weiter helfen. Viel Spaß mit Mister Spock!

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Asperger-Diagnose

Lieblingstiere 
Beitragsersteller
 08.02.2021, 19:50

Hallo, danke für den Kommentar. Er hat mir natürlich geholfen.
Du bist eine Frau, ja? Findest du, dass Männer-Autisten mehr Schwierigkeiten haben als Frauen, mit Menschen zurechtzukommen? Zum Beispiel weil ich von ihm viel sehe, dass er nicht so einfach wissen kann, wie er sich fühlt. Das heisst danach, er kann nicht mitfühlen. Und er hatte Probleme in seiner Ehe und auch Kollegen usw.

Kokossnoss  08.02.2021, 20:17
@Lieblingstiere

Männer werden nicht so auf Extreme Socializing getrimmt wie Frauen. Man lässt ihnen schon als Kinder mehr Nerdigkeiten durchgehen. Dadurch haben sie später größere Schwierigkeiten. Aber ich habe auch erst mit 30 angefangen, mich für Körpersprache zu interessieren und jetzt kann ich es schon so gut, dass man es gar nicht merkt, wie mein armes Hirn dabei raucht.

Mitfühlen kann er natürlich, wenn er weiß, dass jemand leidet, nur merkt er das oft nicht, weil es ihm keiner sagt. Und dann kann es sein, dass er nicht die richtigen Worte findet, um das Mitleid auszudrücken. Das führt zu Missverständnissen, weil man ihm Emotionslosigkeit unterstellt. Die Unfähigkeit, seine Gefühle zu bezeichnen, heißt Alexithymie und kommt oft bei Asperger vor, man kriegt es sozusagen gratis obendrauf. Das macht es schwierig, darüber zu reden.

Lieblingstiere 
Beitragsersteller
 08.02.2021, 21:02
@Kokossnoss

Ok, also mitfühlen oder einfühlen erst nachdem es ihm (klar) gesagt wurde. Wenn er das nicht von sehen(?) merken kann, ist schon wichtig zu wissen, dann habe ich sozusagen eine andere Möglichkeit, ihm mitzuteilen, wie ich mich fühle.

Aber sag mal: ich habe ihm einmal erzählt, was ich in der Schule erlebt habe und auch in meiner Vergangenheit. Er hat irgendwie geantwortet, aber später sagte er, dass es so schwer zu verstehen war. Ich dachte dann, vielleicht ist es ihm schwer, sich vorzustellen, was da genau gefühlsmäßig passiert war und was bei einer unbekannten Situation passieren. Könnte so etwas ihm als Asperger habender passieren? Also gefühlsmäßige Schwierigkeiten mit Vorstellen?

Kokossnoss  08.02.2021, 21:25
@Lieblingstiere

Ich habe ja dasselbe Problem mit nicht-autistischen Frauen. Die erzählen eine Geschichte über andere Frauen, wer was gesagt hat und wer mit wem zusammen war und ich kenne diese Leute überhaupt nicht. Ich verstehe die Geschichte nicht. Meine Frage war zum Beispiel: "Was hast du eigentlich gegen Brigitte?", und dann kommt eine Geschichte von vor hundert Jahren mit Daniela und Markus, die ich nicht kenne und die mich nicht interessieren und deren Aktionen ich nicht verstehe.

Wenn man dann nachfragt: "Was willst du mir eigentlich sagen?", dann brauchen die nochmal eine Ewigkeit, bis es genau auf dem Punkt ist: "Daniela hat mir damals Markus ausgespannt und Brigitte ist jetzt mit meinem Mann befreundet, darum bin ich manchmal bitchy zu ihr."

So einfach kann das sein! :D

Lieblingstiere 
Beitragsersteller
 08.02.2021, 21:58
@Kokossnoss

Ich lese deine Antwort wirklich mit Interessen.

Ich frage dich aber ernsthaft, weil ich wirklich versuche, die Menschen in diesem Fall diesen Mann zu verstehen.
Ansonsten hatte ich von ihm erfahren, dass er zum Beispiel in der Schule kein Interesse an anderen Schulkameraden hatte. Er versteht nicht so wie seine ex Frau meinte, und andersrum(das habe ich selbst erfahren, wenn das Gespräch auf die Gefühlsebene kam). Ich dachte, dass es unvorstellbar schwer ist, dass er menschliche Beziehungen mit jemandem aufbaut. Er hat keine Freunde, seine ex Frau konnte ihn nicht mehr unterstützen, er arbeitet zu viel...und er kann sich nicht vorstellen, was er im privaten Leben in einer Stunde passiert. Und das macht ihn furchtbar unruhig. Er will alles präzise planen. Und er sagte auch, dass er empfindlich ist.

Hattest du solche Erfahrungen mit Freunden oder Menschen? Auch auf der Arbeit? Vielleicht kannst du als Frau solche Erfahrungen nicht so viel gemacht haben

Kokossnoss  08.02.2021, 22:16
@Lieblingstiere

Doch, das war bei mir schon auch so. Ich bin aber inzwischen Mobbing-resistent, weil ich eine große Klappe hab und mir nichts gefallen lasse. Die Kombi Autistin/ Nichtautist ist etwas unproblematischer als umgekehrt. Als Frau hat man einen stärkeren gesellschaftlichen Druck, sich anzupassen und mit Leuten auszukommen. Es gibt die einsame Wölfin nicht in der Literatur, nicht die Nerdin und nicht die Diktatorin. Man soll ein liebes Mädchen sein. Das spürt man natürlich besonders stark als Frau mit Null Verständnis für soziale Rollenerwartungen.

Viele Autisten sind hypersensibel, das sieht man nicht, aber es ist innen ganz anders als außen sichtbar.

Ich komme aber mal auf das Beispiel von eben zurück, die Frau, der man den Freund ausgespannt hat. Wenn die es schafft, sich präzise auszudrücken und ich eine ähnliche Erfahrung habe, dann ist meine Empathie grenzenlos. Das wird meine neue beste Freundin. Wenn das nicht funktioniert, weil sie nicht lernt autistisch zu sprechen oder ich die Erfahrung nicht habe, kann ich das Gefühl nicht kennen und nicht mitfühlen. Ich sehe es nicht im Gesicht, es kommt nicht an. Wird gesendet, aber nicht empfangen. Bei Menschen, die ich länger kenne, funktioniert das aber, weil es wie beim Auto fahren automatisiert wird. Wenn ich eine alte Freundin treffe, sehe ich am Gesicht, dass sie sich freut, mich zu sehen und ich freue mich zurück und denke gar nicht darüber nach, so wie du nicht "Kupplung" denkst, sondern einfach die Kupplung bedienst.

Dazu gehört aber von seiner Seite aus der unbedingte Wille, dich lesen zu lernen. Ihr seid wie ein Franzose und ein Russe sozusagen, ihr müsst die Sprache des anderen lernen und wenn man sich liebt, dann geht das.

Lieblingstiere 
Beitragsersteller
 08.02.2021, 23:28
@Kokossnoss

Sehr interessant zu lesen. Ich denke, du verstehst vielleicht, was ich lesen will.
Wie meinst du mit „autistisch sprechen“? Ich denke das sollte ich unbedingt lernen, wenn das beim Gespräch mit diesem Mann hilft.

Eine Frage: denkst du, dass viele Autisten vermeiden, den Leuten mitzuteilen, dass sie autistisch sind?

Ich denke, mit ihm habe ich einfach ganz „normal“ gesprochen und es kann sein, dass ich ihn deshalb wahrscheinlich verletzt habe(er sagt nicht so aber ich merke schon), weil ich ihm sagen musste, dass ich nicht verstehen kann, warum er mich/meine Gefühle versteht, obwohl ich so präzise erkläre. Er nahm meine Aussagen manchmal als Vorwürfe“(das wurde später geklärt). Ich hoffe, dass es für ihn nicht so schlimm war...weil wenn ich von seinem Asperger gewusst hätte, hätte ich mich nicht so gefühlt und gedacht wie passiert.
Von dieser ganzen detaillierten Geschichte mit der Kommunikation mit ihm habe ich meinen Leuten(Mutter, Freunden - nicht-Autist) erzählt, und sie fanden ihn komisch und unmoralisch und haben ihn auch nicht verstanden, warum er meine Gefühle trotz viel präziser Erklärungen nicht verstehen kann. Meine Mutter beschäftigt sich im Bereich von Wohlfahrt(mit alten Menschen oder Behinderten) und kennt sich mit solchen Menschen gut aus. Sie hat von meiner Erklärung gemerkt, ob er vielleicht Asperger hat, was mir damals gar nicht eingefallen ist(er hat nichts erzählt). Damals hatte ich so viel Unklarheiten und Unsicherheiten über seine Aussagen und hatte sogar das Gefühl, dass meine Gefühle gespielt werden. Nachdem meine Mutter davon sagte, wurde ich dann ruhiger - nun sollte ich in der Lage sein, ihn zu verstehen so wie er ist.
Aber ich weiß nicht, ob er was über „lesen lernen“ lernen könnte, denn seine ex Frau, die Psychologie studiert hat, war sogenannter „life Coach“. Sie hat sicher versucht, ihn auf den besseren Weg zu führen.

Also: wie meinst du mit „autistisch sprechen“?
und ob viele Autisten über seinen Autismus lieber nicht sagen würden?

Danke fürs Lesen. Ich würde mich über deinen Kommentar freuen.

Kokossnoss  09.02.2021, 00:31
@Lieblingstiere

Hallo nochmal.

Ich freu mich wenn ich helfen kann, diese ganzen Missverständnisse zu vermeiden. Autistisch sprechen ist ohne Andeutungen oder Subtext. "Du bist dran mit Müll runter bringen" ist besser als "Der Eimer ist schon wieder voll" oder "Was riecht hier so komisch?", denn dass der Eimer voll ist, hat keinen Neuigkeitswert. Dann, weniger im Befehlston, wäre das so: "Mir tut der Rücken weh, bringst du bitte den Müll runter?" Da wird keiner den Müll nicht runter bringen, nicht mal ein Autist. Denn wie Rückenschmerzen sich anfühlen, weiß jeder.

Die meisten Autisten vermeiden das Thema Diagnose, weil die Leute dann automatisch lauter reden und einen mobben, ja. Er fühlt sich auf jeden Fall verletzt, wenn du ihn jetzt anders behandelst. Vielleicht solltest du all das hier auch besser mit ihm besprechen.

Ich verstehe nicht, warum es so wichtig ist, dass er deine Gefühle versteht, denn Gefühle kann man nicht verstehen, nur fühlen. Es ist super anstrengend, über Gefühle zu reden. Mein Partner und ich reden nie über Gefühle, wir zeigen sie uns. Ich schnipps ihm manchmal an die Nase oder wir umarmen uns. Unter uns funktioniert die Körpersprache, das konnte ich auch schon oft mit anderen Autisten feststellen. Natürlich fragt man einen, den man nicht so gut kennt, ob er umarmt werden will und die anderen wissen genau, wie das funktioniert, dass es mir nicht unangenehm ist. Das muss man FÜHLEN. Ihr Nicht-Autisten seit doch die Spezialisten für Empathie und ich wundere mich oft, wieso ihr so auf unseren Gefühlen rumtrampelt. Ich frage mich so oft: "Wer ist hier eigentlich autistisch?" Da ich aber etwas Ahnung von Kommunikationstheorien habe, ist meine Vermutung, dass es zwei verschiedene "Sprachen" sind.

Man muss da einfach sehr behutsam sein. Es handelt sich um ein extrem sensibles Trampeltier, aber aus unserer Sicht seid ihr genauso. Ihr seid auch dauernd verletzt und wir wissen nicht warum, wir haben ja nur gesagt, was wir denken. Und ihr habt nur euren Gefühlen Ausdruck verliehen. Für Nicht-Autisten sind Gefühle und Gedanken nicht klar getrennt, alles schwimmt durcheinander. Das ist bei Autisten anders. Der Verstand dient dazu, zu funktionieren. Pretend to be human. Die Gefühle sind etwas sehr Privates und die beeinflussen das Denken nur marginal, denn wenn das anders wäre, würde man im Heim sitzen und schaukeln. Selbstkontrolle ist das A und O bei Hochfunktionalen. Routinen helfen dabei.

Ich finde es toll, wie du dich für diesen Mann begeisterst und ihn verstehen willst. Wo ein Wille ist, ist ein Weg ^^

Lieblingstiere 
Beitragsersteller
 09.02.2021, 10:36
@Kokossnoss

Hallo :)

Interessant. Dieser Mann meinte, dass er Arzt werden konnte, aber er ging zu Militär. Dort geht es oft um „Befehle“ und eigentlich sollte man nicht so viel dran denken, was gefühlsmäßig passiert. Jetzt ist er weg vom Militär, arbeitet alleine als freelance(ist gut so, wenn er mit Kollegen nicht gut kommunizieren kann und nicht weiß warum).
ok, autistisch sprechen verstehe ich ein bisschen langsam....ich versuche, so zu sprechen. Aber Aussage wie Befehl ist nicht meine Art, aber ganz deutlich zu verstehen, kann unserer Kommunikation sehr gut helfen.
Noch eine Sache: ich habe in der eigentlichen Frage geschrieben dass er Asperger hat. Aber das hab ich geschrieben, weil ich ziemlich sicher bin, dass er so ist aber er hat das mir noch nicht genau gesagt(über „Symptome“ und „wie er ist“ hat er oft geredet....wäre es peinlich, wenn man dann direkt fragen würde: ich denke, so wie du mir erzählst, klingt als ob du Asperger Spektrum hättest. Warst du schon mal beim Arzt?
Ist es zu direkt? Weil ich weiß, er leidet und versteckt manchmal seine Schwäche, also er ist nicht offen(Ego stört dabei, so merke ich).

Mit „Gefühle verstehen“ meinte ich eher „ob er das mitfühlt“. Denn soweit ich von ihm Antwort bekomme, fühle ich nicht, dass die Kommunikation wirklich funktioniert hatte. Und das erlebe ich nur mit ihm, mit anderen noch nie. Wenn man Interesse an jemandem hat, dann versucht man, Gegenüber zu verstehen oder kennen. Und er macht das voll, und meint dass wir uns sehr gut „verstehen“. Aber ich fühle, irgendwas passt nicht. Und ich denke, das ist wie du meinst „der Unterschied zwischen Autist und nicht-Autist“.

Du sagst, dass es bei euch „Denken und Fühlen“ anderes funktionieren als wir. Stimmt, denken und fühlen sind zumindest bei mir irgendwie zusammen und gemischt(?). Ist Denken also bei euch eher Chef(?) als Fühlen? Es klingt für mich ein bisschen wie absolutes Männergehirn vielleicht...

Ich weiß aber noch nicht, wie ich mit ihm klarkommen könnte...er ist irgendwie immer in der Unklarheit mit Unsicherheit. Ich hoffe, dass er irgendwann sein Herz öffnet, was er eigentlich manchmal macht.

Wille - ob er ihn haben wird, weiß ich nicht. Er hat schwere Erfahrungen in seinem Leben, die im Moment noch nicht geheilt sind.

Kokossnoss  09.02.2021, 12:25
@Lieblingstiere

Bei der Armee sind Autisten im Prinzip gut aufgehoben, Struktur, Routinen, klare Hierarchien, klare Arbeitsanweisungen. Ich weiß nicht, ob man das Thema immer direkt ansprechen soll, weil der/die es vielleicht selber noch gar nicht weiß und ehrlich gesagt ist diese Diagnose ein ziemlicher Schock. Man weiß natürlich sein Leben lang, dass man anders ist oder dass man so ein bisschen wie Rain Man ist oder Sheldon oder Mister Spock. Man weiß es, aber man will es nicht wissen. Man will kein Autist sein, weil das Wort dazu benutzt wird, irgendwelche gefühllosen Arschlöcher zu beleidigen und so nimmt man sich selbst nicht wahr.

Es ist dann so, dass man plötzlich erkennt, dass alle anderen sehen können und man selbst ist blind und wundert sich schon sein ganzes Leben lang, warum man ständig gegen Bäume rennt. Einem Blinden sagt man aber schon als Kind, dass er blind ist, ein Autist muss das Puzzle selbst zusammensetzen. Wenn das endlich geschafft ist, erkennt man auf dem Bild ein riesiges Puzzleteil und fühlt sich verarscht. Da hat man viel mit sich selbst auszumachen in der Phase der Selbsterkenntnis. Wenn er Symptome schildert, will er vielleicht, dass du es errätst, weil er es nicht so direkt aussprechen will, denn möglicherweise macht es ihm zu schaffen. Wäre wahrscheinlich, denn die Autistic-Pride-Leute erzählen es einem sofort und haben diese liegende 8 (infinity) auf dem T-Shirt, dann weiß man gleich Bescheid.

Klare Aussagen ohne Subtexte müssen keine Befehle sein. Aber er wird nur dann eine Decke holen und dir zärtlich um die Schultern legen, wenn er weiß, dass du frierst. Je nachdem, wie gut er mit Körpersprache ist, merkt er das vielleicht nicht, nur weil du deine Arme reibst. Du musst schon sagen, dass du frierst oder dass du das Fenster schließen möchtest. Im Verlauf von so einer Beziehung oder Freundschaft lernt er aber, was es bedeutet, wenn du die Arme so reibst oder die Braue so hochziehst, das ist ja auch bei jedem Menschen unterschiedlich. Nicht-Autisten nehmen das einfach so wahr, es ist ein Flow. Die Gefühle fließen hin und her zwischen den Gesichtern und verleihen dem Gesagten weitere Subtexte. Als Autist muss man sich da rein fuchsen. Ich spiele mit meinem Partner manchmal "Gefühle am Gesicht erkennen" und wir sind da super gut drin, funktioniert aber nicht mit anderen Leuten.

Das Denken ist bei uns der Chef, Gefühle werden wahrgenommen, aber führen nicht sofort zu einer unbedachten Handlung. Das läuft alles nochmal kurz über die Großhirnrinde. Es gibt vermutlich auch weniger Spiegelneuronen. Das sind Handlungsneuronen, die beim Betrachten einer Handlung - zum Beispiel macht jemand einen Salto - feuern. Ein Kind würde jetzt versuchen, den Salto nachzumachen, ein erwachsener Nicht-Autist würde den Impuls kurz verspüren, aber natürlich unterdrücken und ein Autist würde überhaupt nicht auf die Idee kommen. Man lernt auch schlechter vom Zusehen bei komplexen Bewegungsabläufen. Das hängt alles miteinander zusammen.

Es gibt tatsächlich die "extreme male brain"-Theorie von Simon Baron-Cohen, ich finde den Terminus ungeschickt gewählt, weil ich mich nicht als extremen Mann wahrnehme und es nur die Gesellschaft ist, die mir vorschreiben will, wie ich zu ticken habe. Das sind ja alles nur Vorurteile, dass Männer rational wären und Frauen emotional. 80% aller Menschen zeigen diesbezüglich keine Unterschiede, das hat derselbe Baron-Cohen auch herausgefunden.

Wie auch immer, wenn er denkt, dass ihr euch gut versteht, dann ist das der Tatsache geschuldet, dass er nicht weiß, dass Nicht-Autisten keine klare Trennung von Verstand und Gefühl kennen. Darum fühlst du dich unverstanden, er nicht. Das muss aber nicht so sein, weil man Gefühle auch rein verbal kommunizieren kann und wie gesagt wird er sich da einarbeiten in deine Körpersprache. "Ich glaube du hast ein Problem mit Körpersprache" wäre vielleicht ein Gesprächseinstieg.

Wenn er schwere Erfahrungen hat - er hat ja immerhin eine Ex-Frau - dann braucht er auch Zeit, vermutlich etwas länger als andere Männer brauchen würden.

Lieblingstiere 
Beitragsersteller
 09.02.2021, 20:01
@Kokossnoss

Bei der Armee wollte er Offizier werden, aber das hat er nicht geschafft, obwohl er sehr gute Noten und intelligent genug war. Ich weiß nicht, wie man dort Karriere macht, aber es ist sicher nicht genug für Offizier, dass man sehr intelligent ist...vor allem wenn er Schwierigkeiten bei Kommunikation hat. Und er meinte dass es bei Armee zu wenig Freiheit gibt. Aber ich glaube er hatte einfach Probleme mit anderen.

Mir wurde auch vor 7-8 Jahren von einer Frau einmal plötzlich gesagt dass sie dachte ob ich Asperger habe(Es war halt ihr Ego und sie war in der Ehe mit dem Fremdgehen beschäftigt..also sie ist sozusagen nicht ok), und so bin ich nicht, aber das war ein ziemlicher Schock, dass ich dann im Internet viel recherchieren musste, was Autismus ist. Ich habe auch geweint aber diese Frau war nur gefühlskalt.

Ich denke nicht, dass er ein Mensch mit kaltem Herz ist. Seine Themen sind oft über Philosophie, Kriege, Religion. Und sie werden oft sehr kaltherzig oder sachlich erzählt. Am Anfang merkte ich nichts, aber jetzt finde ich was.

Kokossnoss  09.02.2021, 20:35
@Lieblingstiere

Vielleicht hast du auch ein paar autistische Züge, das wäre ja in deiner Situation vorteilhaft. Die Frau hat das aber sicher nur gesagt, um mit halb garem Fachwissen anzugeben und andere zu kränken.

Um Offizier zu werden muss man sich auch mit Vorgesetzten verstehen. Wenn da der falsche am falschen Knopf war, dann hatte er keine Chance. Manche befördern nicht die kompetentesten, sondern die besten A*lecker und da hat man als Autist schlechte Karten.

Er ist bestimmt kein Mensch mit kaltem Herzen, eher im Gegenteil. Es ist alles nur eine Frage der Kommunikation. Mit gegenseitigem Respekt und Vertrauen und auch viel Arbeit und vor allem Liebe kann man sich gegenseitig viel geben. Man kann sich toll ergänzen, dream team like. Aber mach dich bitte nicht verrückt, wir sind auch nur normale Menschen. So ähnlich wie Farbenblinde in einer rotgrünkarierten Welt, aber es gibt ja noch mehr Farben. Dann streicht man das Haus halt blau. Man konzentriert sich auf die Gemeinsamkeiten und nicht auf die Unterschiede.

Lieblingstiere 
Beitragsersteller
 09.02.2021, 22:42
@Kokossnoss

Die restliche Antwort von deiner vorletzten Nachricht:

Genau, ich wäre deshalb etwas vorsichtig, ob ich wirklich Frage nach Autismus stellen sollte, obwohl ich weiß, dass das der schnellste und beste Weg für uns ist. Man muss offen miteinander reden, und das macht er manchmal nicht. Das macht mich schon unsicher, weil ich ihn einfach akzeptieren und verstehen will. Bin ich nicht genug? Er sagt dass er mich wirklich sehr mag. Aber er ist zu mir so. Schwierig.

Warum macht es ihm zu schaffen, dass er mir nicht direkt sagt, was in ihm wirklich ist? Ist das mit seinem Ego zu tun?

Stimmt, es ist schon zwischen uns ein paar Male passiert, zum Beispiel ich habe nichts gesagt, habe aber Zeichen gegeben und er hat nichts gemerkt, wirklich nichts. Er versteht erst nachdem ich was gesagt habe, und zwar wörtlich. Ironie hab ich auch gesagt, und er fand das gar nicht ironisch sogar hat er das ganz genau wie gesagt verstanden. Das führte uns zu Kommunikationsproblemen, die er auch mit seiner ex Frau hatte.

Deine Beschreibung kann ich gut verstehen. Ich habe einmal Erfahrung, habe diesem Mann meine Hand gegeben, nicht um die Hand zu schüttern sondern um seine Hand zu nehmen. Er hat das ein paar Sekunden nicht verstanden was ich möchte, und erst danach hat er meine Hand unbeholfen und irgendwie fest genommen. Das war schon vor über einem Jahr aber ich erinnere mich dran ganz klar, das heisst für mich, dass dieser Moment irgendwie nicht flexibel lief, was aber schöner Moment war.

Wie ist es eigentlich für dich, wenn du zB über die Geschichte von den unbekannten Leuten hören musst? Ist es nervig, unruhig, kompliziert oder nervös oder egal oder wie ist das? (wegen Autismus)

Ich habe noch eine Frage: fällt es dir oder euch Autisten schwer, wenn man sagt, dass man schon irgendwie versteht, ohne was gesagt zu werden, wie ihr euch fühlt? Und irgendwie eure Gedanken gelesen werden? Also ich meine, ob das unangenehm ist.

Deinen Vorschlag zum Gespräch einstieg würde ich gern nehmen. Naja Körpersprache...ich denke es geht nicht nur um Körpersprache. Vieles ist wirklich anderes...für mich ist es einfach neu. Ich kenne viele, die mir nicht passen, weil sie egoistisch sind, aber dieser Mann ist nicht so sogar wenn er erkennt, dass seine Tat egoistisch war, dann fühlt er sich total schlecht und es macht ihn total fertig. ....hast du andere Vorschläge zu Fragen?

seine ex Frau ist ihm mehrmals fremdgegangen und das hat ihn schon tief verletzt. Er hat ja versucht für sie was zu tun aber wenn er autistisch ist, kann er nicht viel wie normale Männer tun. . .

Das stimmt, wenn er nur verstehen kann, wie es gesagt wurde und wenn er keinen Hintertext usw. verstehen kann,,, dann denken andere obere Offiziere vielleicht, dass er für Armee-Politik geeignet ist.

Klar, ich finde immer gern Gemeinsamkeit. Das Problem ist, dass er aus seiner Erfahrung in der Ehe und einfach im Leben seine eigenen Regeln hat und er einfach von vollen Punkten die Unterschiede immer als „minus“ zählt. Ich finde es „nicht erfahren trotz viel Erfahrungen“, vielleicht ändert er sich irgendwann diese komische Regeln und das hoffe ich sehr, denn wie er was regelt, gibt einfach weniger Arbeit, wo er wahrscheinlich lieber vermeiden will aber wo ganz wichtig für eine menschliche Beziehung ist.

Kokossnoss  09.02.2021, 23:32
@Lieblingstiere

Du sagst, man muss offen miteinander reden, vielleicht sagst du mal: "Karten auf denTisch. Ich will Ehrlichkeit und das ist, was ich an dir mag. Eine Beziehung hat keinen Sinn, wenn man sich verstellen muss, also nimm mal die Maske runter. Ich mag dich genau so."

Es ist nicht leicht für unsereiner, besonders nicht für Männer, denn die haben nicht dieses lebenslange "du MUSST lächeln"-Training absolviert. Du als Frau hast das auch absolviert, aber als Nicht-Autistin ist es dir vielleicht nicht so aufgefallen. Unsere Menschenbrüder hingegen mussten lernen, Gefühle zu verstecken, was genauso widerlich ist wie welche vorzutäuschen, wenn da keine sind. Männer und Frauen haben verschiedene Pakete zu tragen, Autisten und Nicht-Autisten auch. Wir alle haben unser Kreuz zu tragen und wichtig ist nur, dass jetzt kein Streit ausbricht, wessen Kreuz am schwersten ist, sondern dass wir uns tragen helfen, sozusagen.

Er kann dir nicht alles. was in ihm vorgeht, so vorlegen, wie ein Literaturnobelpreisträger, er ist ja ein Soldat. Das ist nicht sein Ego, das ist sein Leben. Du musst den Mann so nehmen, wie er ist und ich als dreidoppelt diagnostizierte Autistin versichere dir, dass er Gefühle fühlt und sensibel ist und dass er auch lieber wie jedermann wäre, aber ist halt nicht. Nichts wird normal sein mit ihm, aber alles wird besonders sein.

Geschichten von unbekannten Nachbarn nerven mich, weil man mir vorher nicht sagt, dass die Geschichte eine Art Conclusion haben wird. "Ich antworte dir mal etwas ausführlich, damit du alle Details verstehst" ist der richtige Satz, bevor man ewig ausholt.

"... fällt es dir oder euch Autisten schwer, wenn man sagt, dass man schon irgendwie versteht, ohne was gesagt zu werden, wie ihr euch fühlt? Und irgendwie eure Gedanken gelesen werden? Also ich meine, ob das unangenehm ist."

Das musst du genauer erklären, das verstehe ich nicht, beziehungsweise es könnte zweierlei bedeuten.

Ich zähle Unterschiede auch als Minus, aber das ist nicht wertend gemeint. Ich erstelle eine multidimensionale Übereinstimmungsmatrix. Nullen und Einsen. Mit keinem Menschen stimmt man 100% überein, 60% sind voll okay und wenn der andere kein Autist ist, aber auch gerne Radtouren macht, Skat spielt und Stanislaw Lem liest, ist alles in Butter.

Die fremdgehende Ehefrau solltest du besser nie ansprechen und das Thema vermeiden. Das kränkt ihn als Mensch, als Mann und als Autist.

Lieblingstiere 
Beitragsersteller
 10.02.2021, 23:58
@Kokossnoss

Hallo noch einmal :)

"Karten auf denTisch. Ich will Ehrlichkeit und das ist, was ich an dir mag. Eine Beziehung hat keinen Sinn, wenn man sich verstellen muss, also nimm mal die Maske runter. Ich mag dich genau so."

Den Satz finde ich sehr gut und klar, man versteht ganz, was ich meine. Ich werde die geeignete Gelegenheit finden und ihn dem Mann sagen, ich hoffe, es läuft gut..Ich bin einfach bereit, alles zu akzeptieren. Denn wenn ich das kann, dann wird alles besser laufen. Ich muss aber nur als Info wissen und dann erfahren, wie alles funktioniert.

Klar, ich nehme ihn sehr gerne, wie er ist. (...er sollte dann zeigen, wie er ist. Na ja...vielleicht kann man sagen, dass er nicht zeigt, wie er ist, ist auch wie er ist :) Verstehst du was ich meine?) Er sagte mir dass er empfindlich ist, aber jetzt sagt er dass er nicht dunkelhäutig ist. Hmm.

Ok, das heisst, du würdest die Geschichte von unbekannten hören können, wenn du vorher weisst, dass die lange Geschichte kommen wird? Interessant. Machen vorher wissen und nicht wissen so großen Unterschied? Bist du auch jemand, der unruhig wird, wenn etwas, was du nicht wirklich kennst oder geplant hast, plötzlich passiert?

"... fällt es dir oder euch Autisten schwer, wenn man sagt, dass man schon irgendwie versteht, ohne was gesagt zu werden, wie ihr euch fühlt? Und irgendwie eure Gedanken gelesen werden? Also ich meine, ob das unangenehm ist." - damit meinte ich, dass man zB dir sagt: „Bist du traurig?“ oder „ist dir was schlimmes passiert?“ oder „bist du gerade sauer?“...aber du hast davor nichts davon erzählt, kein Wort. Macht so etwas dich kompliziert? Ich zB kann von anderen Menschen etwas spüren, dass sie vielleicht zB traurig/sauer ist.
Also findest du es „unerwartetes Geschehen“?

Unterschiede als Minus: genau, ich finde es genauso..mit keinem Menschen passt es 100%. Aber es wäre schön wenn dieses Prozent höher wäre. Denkst du, dass ein Autist einem Nicht-Autist so gut passen würde? Also höheres Prozent.

Der Mann lebt noch in Scheidung...also bei ihm ist noch viel Chaos. Ich würde ihn aber gern unterstützen, wenn ich es machen darf.

Kokossnoss  11.02.2021, 12:39
@Lieblingstiere

Hallo. Es ist wichtig, vorher zu wissen, was hinterher passiert. Planbarkeit und Kontrolle sind wichtig. Spontanität ist unangenehm. Wenn man gerne morgens erstmal einen Kaffee trinkt und das aber nicht machen kann, weil man einen Anruf erhält und jemand einem 60 Minuten lang die Story vom Pferd im Blumenladen erzählt, dann ist das Hölle. Man möchte seine Routinen und auch seine Denk-Routinen, sonst ist es wirklich quälend. Wenn ich weiß, jetzt kommt eine lange Geschichte, dann gehe ich auf Toilette und hole mir noch ein Bier. Dann muss ich die Person nicht unterbrechen. Ich möchte einfach nicht in ungeplante Situationen hineingeworfen werden wie in einen Swimmingpool, sondern vorher erfahren: "Ich werde dich jetzt in den Pool werfen, du hast 5 Minuten, um dir dein Handtuch und dein Gummikrokodil zu holen." Sonst krieg ich einfach Panik.

"Er sagte mir dass er empfindlich ist, aber jetzt sagt er dass er nicht dunkelhäutig ist. Hmm." Das verstehe ich nicht. Meinte er "dünnhäutig"? Vielleicht meint er, dass er nicht zu emotionalen Reaktionen tendiert, also im Kino nicht weint, aber schon irgendwie bewegt ist.

Wenn jemand meine Gefühle errät oder es versucht, liegt er meist daneben. Ich finde es beinahe übergriffig, wenn andere mir sagen, was ich fühle, besonders wenn es nicht stimmt und dann kommt: " Du siehst aber traurig aus." Und ich dann: "Bin ich aber nicht, lass mich in Ruh, ich denke nach." Und dann kommt: "Worüber denn?" Und ich dann: "Darüber, wie toll es wäre einen Freund zu haben, der nicht dauernd REDET!!!" :D

Immer wenn jemand mir sagt, dass ich so aussehe, als würde ich dies oder das fühlen, ist es falsch. Es ist nie völlig daneben, aber auch nie zutreffend und ich habe es lange auch nicht als Gesprächseinleitung verstanden, sondern als Angriff. Wäre besser, wenn man dann sagen würde: "Wie geht's dir denn? Ich mein es nicht als Floskel", denn dann könnte ich sagen: "Keine Ahnung, wie es mir geht, aber meine Mutter liegt im Krankenhaus und sie hat ihr Handy nicht dabei. Du hast doch ein Auto?"

"Denkst du, dass ein Autist einem Nicht-Autist so gut passen würde? Also höheres Prozent."

Autisten untereinander passen natürlich besser zusammen, aber wenn ich die Wahl hätte zwischen einem empathisch begabten Mann, der alle meine Hobbys mit mir teilt und politisch ähnlich denkt, und einem Autisten, der sein Leben dem Erhalt der weißen Rasse oder der Bekehrung der Ungläubigen gewidmet hat, wäre klar, wie ich mich entscheiden würde. Autistische Kompatibilität ist wesentlich wichtiger als Autismus selbst bei einem Partner. Kompatibilität ist ein ähnliches Verständnis von "ordentliche Wohnung" und ähnliche Hobbys. Ich würde es sogar als Vorteil sehen, wenn der Partner empathiebegabter ist als ich, denn dann kann man Situationen rückwirkend besser ergründen. "Warum war Brigitte heute so komisch?" - "Na, hast du nicht gemerkt, dass sie auf Andy steht und er nicht auf sie?" - "Nein, hab ich nicht, aber das erklärt alles."

Wenn er noch in Scheidung lebt, ist er noch nicht wirklich bereit für etwas Neues, das würde auch für nicht-autistische Männer (und Frauen) gelten. Eine Scheidung ist ein tiefgreifender Einschnitt, oft verbunden mit neuer Wohnung oder sogar neuer Arbeit. Neue Routinen müssen her, alte fallen weg. Das kann einen Autisten so dermaßen überfordern, dass er in der neuen Wohnung drei Jahre lang die Umzugskartons nicht auspackt, nie putzt und von Chinanudeln lebt, obwohl er vorher so penibel war. Er findet dann einfach den Anfang nicht.

Bei solchen Sachen kannst du ihn sicher gut unterstützen, wenn du merkst, dass es da Probleme gibt mit dem Ungewohnten.

Lieblingstiere 
Beitragsersteller
 11.02.2021, 13:41
@Kokossnoss

später werde ich den Rest antworten aber kurz: sorry, natürlich nicht dunkelhäutig sondern dünnhäutig. Ich weiss nicht was er meinte, aber vielleicht ist es so, dass er nicht mitfühlt, auch wenn eine Schauspielerin im Film oder jemand im Kino weint...keine Ahnung.

Lieblingstiere 
Beitragsersteller
 11.02.2021, 16:43
@Lieblingstiere

Die Nachricht ist lang(damit du weisst, dass sie lang ist😉)

Ok, wieder echt interessant. Je mehr ich durch dich Infos bekomme, wie Autisten fühlen und denken(nicht wegen Charakter sondern im autistischen Sinne), desto sicherer werde ich mit der Vermutung über seinen Autismus..

Er meinte zB, dass seine Frau(bald ex) zu Jahreswechsel zu viel Gäste und Besuche bekam und er dann deshalb zu müde wurde. Ich wäre da nicht so müde, vielleicht hätte ich zu viel geredet aber keine Panik. Das hat mich auch zum Nachdenken gebracht, warum er das sagte. Wenn die Gäste einfach viel reden oder quatschen und er gar keine Planung für das Gespräch haben kann. Und er wurde immer müder...könnte es dir auch so etwas passieren?

Zum Beispiel versucht er jetzt spontaner zu sein/werden. Ich mag es an ihm, dass er so unbeholfen, was mich manchmal kompliziert fühlen laß(beim falschen Timing was gesagt oder so), aber immer so ernst und fleißig, am konzentrierten mir zuhört, immer erst nach dem Nachdenken was sagt und, eigentlich warmes Herz hat. Aber jetzt möchte er nicht so...er merkt selbst, dass er nicht spontan sein kann. Aber ich weiss ehrlich gesagt nicht, ob das mit der Entdeckung seiner Spontanität klappt. Und mit diesem Versuch lässt er - zumindest mich - den Eindruck von Unhöflichkeit haben. Ich fühle es da unangenehm.

Er ist jetzt nicht mehr Soldat, ist selbstständiger Ingenieur. Aber er nimmt immer zu viel Arbeit, schafft am Ende zwar alles (so perfekt), aber ist immer unruhig, hat schlechtes Gewissen wegen zu langsamem Arbeitstempo, dass er auf meine Nachrichten gar nicht reagieren kann. Ein paar Tage oder eine Woche ist jetzt normal geworden. Kann auch wegen der Scheidung sein.

Er meinte auch, auf der Arbeit kann er vielleicht bis eine Woche später etwas planen kann wie alles laufen wird, aber im privaten Leben mit Kindern in der Familie weiss er gar nicht, was in 5 Min passieren wird(hab ich ähnliches schon geschrieben? Ich weiss nicht mehr). Einfach Panik also.

Noch ein Beispiel... ich hoffe, es nervt dich nicht, weil du ihn nicht kennst.
Neulich habe ich eine Nachricht von ihm bekommen, dass wir bald werden telefonieren können. Ich habe gefragt, ob alles ok bei ihm ist und ich besorgt war(weil ich weiss dass er jetzt in Scheidung lebt). Er sagte, alles sehr gut sogar, ich habe nur noch sehr wenig Zeit, aber diese Freie-Zeit geniesse ich sehr.
- ich konnte das irgendwie nicht glauben, weil es kann sehr schwer bei ihm sein wegen der Situation. Ich meine nicht dass er lügt oder so, aber vielleicht sagt er nicht die Wahrheit..?
Weil ich eine Erfahrung mit ihm habe. Wir haben einmal ein Wochenende zusammen verbracht und er war die ganze Zeit ohne Lächeln und Lachen. Ich habe ihn mehrmals gefragt, wie geht es dir? Alles gut? Er sagte immer, mir geht es gut! Warum? Warum? ...und viel später haben wir das geklärt, weil ich seine Stimmung persönlich genommen habe. Also ich dachte er mag mich nicht und er genießt die Zeit mit mir gar nicht. So schwer war seine Stimmung.

Ich wüsste nicht, wie ich mit ihm dann jetzt reden könnte. Er würde das wahrscheinlich gern, aber die Themen sind schwer zu wählen. Und noch dazu autistisch sprechen. Ich würde gern schaffen, aber...schwierig.
Danke fürs Lesen.

Lieblingstiere 
Beitragsersteller
 11.02.2021, 17:13
@Lieblingstiere

Noch eine Sache: hast du Schwierigkeiten, wenn du Musik hörst? Dieser Mann meinte einmal, dass er sich bei Oper hören(seine Frau wollte aus irgendwelchen Gründen ihn zur Oper bringen) sehr auf die Texte konzentriert. Bei Oper hören hört man Musik und Gesang, schaut auch die Bühne und erlebt diese allen Effekte der gesamten Kunst. Verstehst du, warum er sich in der Oper auf die Texte kontaktieren muss oder will?

Kokossnoss  11.02.2021, 18:36
@Lieblingstiere

Wir haben ein Problem mit Multi-Tasking. Uns fehlen Filter und alles, was man wahrnehmen kann, ist gleichzeitig da. Das ist extrem überfordernd. Darum versucht man sich auf eine Sache zu konzentrieren und das andere auszublenden. Man fixiert sich auf den Text oder die Geige oder fängt selber an zu summen. Man strebt einen meditativen Zustand an, um alles zu ertragen. Das nennt man "Overload".

Lieblingstiere 
Beitragsersteller
 11.02.2021, 18:40
@Kokossnoss

Interessant. Hättest du übrigens die vorletzte Nachricht gelesen, die ich dir geschrieben habe? Die lange. Damit du nicht verpasst zu lesen...

Lieblingstiere 
Beitragsersteller
 11.02.2021, 18:47
@Kokossnoss

Und das kann ich gern als Info nehmen. Ich kann auch eine Sache konzentriert tun, aber zwei Sachen gleichzeitig...schaffe ich es zwar aber die Konzentration ist nicht nur weniger sondern irgendwie weg. Aber danke für die Info. Ich denke es gibt viel zu wissen, ich freue mich, dass du mir hilfst! :)

Kokossnoss  11.02.2021, 19:15
@Lieblingstiere

"Die Nachricht ist lang(damit du weisst, dass sie lang ist?)"

Haha, sehr gut, du lernst das schnell :D

Viele Gäste und Besucher sind natürlich anstrengend. Ein einzelner Mensch kann schon sehr anstrengend sein. Wie gesagt, kein Multitasking, dann wird meist sehr schnell geredet, gestikuliert, Augenbrauen hoch und runter, andere Gespräche ringsum, man kann nichts verstehen. Was hat sie gesagt? Egal, die ist schon beim nächsten Thema. Die Musik geht an, jetzt versteht man gar nichts mehr, jemand rempelt einen an. Sind Sie nicht der? Nein, doch nicht ... Man muss nebenher Subtexte analysieren und will eigentlich lieber über Zierfische nachdenken ... Dann *das Gesicht* von der Ehefrau, weil man sich schon wieder anstellt wie Dracula als Bademeister ... und es gibt nur dieses miese Gesicht von ihr, sie lobt einen nie, sie ist enttäuscht. Sie war damals ein junges Mädchen, das dachte: 'Der ist aber süß, den verbieg ich mir schon so, wie ich will.' Und nun das!

Seine letzte Beziehung ist vermutlich gescheitert, weil die nicht wusste, was Sache ist. Dass er Perfektionist ist, musst du einfach hinnehmen. Ich glaube, so jemand braucht eine Frau, die nicht immer kritisiert. Du willst doch auch keinen Mann, der dir sagt, färb dir die Haare, ich steh auf Rothaarige, wenn du nun mal blond bist (oder so). Er versucht selbst, ein bisschen spontaner zu sein, das ist doch gut. Man darf es nur nicht erwarten.

Wenn er arbeitet, dann arbeitet er und liest keine Nachrichten. Das bedeutet nicht, dass er nicht an dich denkt, aber er will erst das eine fertig machen, dann sich mit dem anderen befassen. Erst die Arbeit, dann das Vergnügen. Das ist nicht persönlich gemeint. Einen Familienalltag kann man auch planen, aber er hat sich da vielleicht (durch den Beruf auch) nicht genug in die Alltagsplanung eingebracht und wenn seine Frau so eine Spontane ist, dann ist fühlt er sich auf Arbeit wohler als daheim. So einer will um sechs von Arbeit kommen und es gibt Bratkartoffeln wie immer. So einer will nicht den Yogalehrer aus dem ersten Stock kennenlernen, der mal spontan vorbei gekommen ist.

In seiner Situation kann man nicht von ihm erwarten, dass er den ganzen Tag singt und tanzt. Freie Zeit zu genießen, ohne angesprochen zu werden, einfach Zeit mit sich zu verbringen, ist für viele Autisten sehr wichtig. Je schlechter es ihnen geht, desto mehr genießen sie es, einmach mal kurz die Wand anzustarren. Sie wollen aber nicht darüber reden. Es berührt wieder den Bereich des Inneren, den man nicht nach außen tragen kann, denn andere würden es nicht verstehen. Er muss nachdenken und alleine sein, je schlechter es ihm geht, umso mehr. Deine sozialen Interventionsversuche helfen da nicht.

Es gibt so einen running Gag in der Community, wie nennt man einen autistischen Hund? - Katze! Falls du dich mit Hunden und Katzen auskennst, verstehst du vielleicht, was ich meine.

Lieblingstiere 
Beitragsersteller
 12.02.2021, 19:51
@Kokossnoss

Dieses Mal ist die Nachricht wieder richtig lang :)) 

Ok...wie gut, dass ich so viel von dir über Autismus lernen kann. Es ist besser als Bücher oder Internet. :) 

Die Beschreibung von der Ehefrau mit dem Gesicht kann ich mir echt gut vorstellen. Ich glaube seine Frau ist eine tolle Geschäftsfrau, die ihre eigene Firma hat. Also super beschäftigt. Sie haben Kinder aber die Frau macht alles dreifach schneller und mehr, er nicht. Privat ist er einfach immer zu überfordert und zu voll. Es kann sehr gut sein, dass seine Frau die Spontane ist. Zum Beispiel gab es einmal, dass er unseren Telefonat-Termin ca. eine Stunde verschieben musste, weil er plötzlich von ihr erfahren hat, dass er die Kinder ins Bett bringen muss(er kann nie wissen wann sie einschlafen). Er hat mir so unruhig geschrieben, und während wir Video-Telefonat gemacht haben, hat er nie gelächelt/gelacht. Ich habe das ein bisschen persönlich genommen(„hat er keine Lust mit mir zu reden...?“ oder so), aber jetzt weiß ich wahrscheinlich, was das Problem ist. Ich glaube, viele wären an seiner Stelle nicht so...

Ich hatte das Gefühl(!), aus verschiedenen Momenten, was von ihm und seiner Frau er mir erzählte - dass sie nicht weiß, was er hat. Sie hat aber Psychologie studiert. Ich hab schon gehofft, dass sie Bescheid wüsste...oder irgendwann gemerkt hätte. Das heisst für mich, dass sie diese Person(den Mann) vielleicht nicht wirklich „geliebt“ hat. Sie hatte wahrscheinlich schon ihre eigene Art von lieben, aber das ist immer mein Thema: WIE man „diese Person“ lieben würde.

Ich dachte aber, weil er ein Mann ist, würde er lieber nicht in einer Konversation sein. Er redet zwar sehr viel wenn das Thema seins ist, aber ansonsten sagt er was, als ob er die Konversation würde funktionieren lassen. Am Anfang habe ich das nicht gemerkt, aber wenn ich jetzt zurückdenke - das stimmt, es gab schon oft, dass die Kommunikation nicht wirklich gestimmt hatte. Ist für mich eigentlich nicht schlimm, aber es gibt schon Arbeit.

Ansonsten hat er erzählt, er hat in der Schule immer alleine seine Aufgaben gemacht(das habe ich vielleicht schon erzählt). Das ist schon ein gutes Zeichen, warum er kein Interesse hatte, in der Jugend mit jemandem zu kommunizieren.

Und in der Schule wurde es ihm von der Lehrerin gesagt, dass er dumm ist. Er erzählt davon heute auch noch. Ich denke, er war damals sehr verletzt wegen dieser Aussage. Das ist auf jeden Fall eine blöde Aussage, vor allem als Lehrerin. Er ist sehr intelligent sogar. Ich denke, dass diese Lehrerin auch nicht wusste, was die Sache ist. Ich glaube irgendwie sicher, dass sie auch von ihm etwas gemerkt hatte, dass er „anders“ ist. 

Ich bin auch ein bisschen Perfektionistin. Wenn ich meine Aufgabe nicht wirklich toll schaffe(wobei die Leute mir sagen „Hey es war echt toll!!“), dann schreibe ich auf der Liste, was ich nächstes Mal noch verbessern „muss“. Das ist aber mittlerweile vieeeel weniger geworden, weil ich jetzt weiß, dass ich gern Fehler machen darf. 

Er darf das auch gern, aber das macht ihn wahrscheinlich fertig. Gerne könnte er weniger arbeiten, um bessere Qualität auf der Arbeit haben zu können. Aber das macht er nicht. 
Willst du auch perfekt sein? 

„Er versucht selbst, ein bisschen spontaner zu sein, das ist doch gut. Man darf es nur nicht erwarten.“

.... du meinst so, weil er das sowieso nicht können wird? Ich denke, er braucht nicht, spontan zu werden. Das ist nicht wirklich er.

„Je schlechter es ihnen geht, desto mehr genießen sie es, einmach mal kurz die Wand anzustarren.“

...Echt? Wichtig zu wissen. Allerdings finde ich nicht schlecht, dass man die Wand anstarrt. Warum findet man es komisch? Oder wie du es meinst, bedeutet noch tiefer als ich gerade verstanden hätte..? Alleine Zeit zu verbringen ist mir auch ganz wichtig, ich würde aber so sagen, weil ich ein sensibler Mensch bin. Ok, ja, es kann sein, dass es ihm gerade wirklich nicht gut geht. Vor der Scheidung gibt es vielleicht öfter Streit oder so ähnliches. 

„Er muss nachdenken und alleine sein, je schlechter es ihm geht, umso mehr. „

...Das ist auch interessant. Er sagte schon mal, dass er die ganze Zeit auf der Achterbahn wäre. Und dass er nicht wüsste, wann diese Achterbahn beendet. Ich kann das ein bisschen verstehen, aber ich glaube, wie er meint, könntest du besser verstehen?! 

Ja, er ist jetzt (oder immer?) eine Katze! Er braucht seine eigene Ruhe. Vielleicht muss ich wirklich vorsichtig sein, wenn ich ihn anspreche.

Ich habe auf Youtube ein paar Videos über Autismus(die Frau ist nicht-Autistin und ihr Partner ist Autist/der YouTuber selbst ist ein autistischer Mann). Es gibt wirklich sehr sehr viel Unterschiede. Viel zu erleben/lernen. :) 

Danke fürs Lesen und ich danke dir!

Kokossnoss  13.02.2021, 01:33
@Lieblingstiere

Ich freue mich, wenn ich helfen kann, dass Autisten besser verstanden werden.

Wenn seine Frau Psychologie studiert hat, kann sie trotzdem noch nie von Asperger gehört haben. Noch vor etwa 10 Jahren war die Diagnose relativ unbekannt und vor 20 Jahren gab es die quasi nicht. Beim Psychologiestudium geht es auch weniger um ärztliche Diagnostik. Dann hätte sie den Mann zwar geliebt, aber nicht wie er ist, weil sie vieles für Faulheit oder Lieblosigkeit hielt, was Überforderung war.

Wenn man spontan Termine verschieben muss, ist der ganze Tag im Eimer. Lächeln oder lachen aus Höflichkeit machen Autisten nicht. Die meisten lachen wirklich nur, wenn etwas lustig ist und das kann etwas extrem Albernes sein.

Konversation ist schwierig, Smalltalk so gut wie unmöglich. Wir tauschen eher Daten aus. Mir werden Statistiken erzählt, wie viele Leute an Corona starben, wie viele an Haushaltsunfällen, wie viele sowieso gestorben wären, das ist zur Zeit das Frühstücksthema. Ich kann mich dann nicht konzentrieren, wenn immer gesabbelt wird, vergesse den Schlüssel, wenn ich den Müll runterbringe und so weiter, aber muss diese Statistiken anhören, keine Chance.

Ich kann mich aber auch mit Leuten normal unterhalten, wenn die zum Beispiel was erzählen über fremde Länder, will ich das alles ganz genau wissen und ich muss mich ja sozialisieren. Ich lerne Details über Kollegen auswendig und kann dann, wenn mir nichts zum reden einfällt, fragen, wie es dem kranken Kind geht. Früher in der Schule und in der ersten Arbeit habe ich auch Geburtsdaten und Adressen von jedem gewusst, aber das fanden die Leute komisch. Jetzt merke ich mir die Namen der Kinder, das kommt besser an.

In der Schule kam ich nicht so gut mit anderen aus. Ich hatte keine Probleme mit dem Lernen, was natürlich für Neid sorgte, weil ich sonst "dumm" wirkte. Mich interessierten die Gespräche der anderen nicht und die anderen interessierten sich nicht dafür, herauszufinden, wie viele Möglichkeiten es gibt, ein Magisches Quadrat zu erfinden. Rückwirkend glaube ich, dass die mich für eine Art Automat hielten. Oben Frage rein, unten Antwort raus. Die Lehrer waren wohl auch verwirrt von mir.

In meiner Arbeit bin ich Perfektionistin, aber ich hab noch einen Nebenjob, da bin ich nicht perfekt. Ich sehe zu, dass ich niemandem die Arbeit "wegnehme", denn die anderen sind auch so drauf. Da hab ich mich schon voll entautistifiziert. Anfangs haben alle Kaffee getrunken und ich sollte alles machen, aber im Kaffee trinken und quatschen bin ich Weltmeister, wenn ich muss.

Spontanität ist mir verhasst, aber nicht meine eigene, sondern die von anderen. Ich mache spontane Sachen. Spontan Döner holen, spazieren gehen, ein Bild malen. Ich will nur nicht überrascht werden und von jetzt auf gleich irgendwas tun müssen, was ich gar nciht tun will. Und ich will auch nicht, während ich was tue, erfahren, was ich noch alles tun soll, das kann ich mir nicht merken.

Wenn man die Wand anstarrt, denkt man schon auch über Gefühle nach oder man fühlt sie und träumt sich so ein bisschen weg oder man starrt einfach nur. Eine Form der Meditation. Ich kann das auch gut im Laufen. Einfach zwangloses Denken ohne Störung. Dieses ständige angesprochen werden, wenn man mit anderen Menschen zu tun hat, auch mit Autisten, macht einen verrückt. Dann braucht man solche Pausen, damit man einfach wieder klar kommt.

Es ist auch so: Wenn ich über was nachdenke und dann kommt eine Störung (eben grade wurde mir schon wieder eine Statistik erzählt, weil ein Mensch, der angestrengt auf einen Bildschirm starrt und tippt so aussieht, als würde er sich gern unterhalten?) dann ist es so, als hätte man mir ganz kurz das Gehirn ausgeschaltet und ich muss den ganzen Gedankengang nochmal durchdenken und dann kommt der nächste und fragt, ob ich Tee will (weil ein Mensch, der angestrengt auf einen Bildschirm starrt und tippt so aussieht, als würde er Tee wollen?) Da könnte ich ausflippen.

Manchmal starre ich aber auch nur so auf den Bildschirm, um beschäftigt zu wirken. Eine Katze muss eben tun, was eine Katze tun muss. Mauselöcher anstarren. Wir warten gar nicht auf die Maus, wir tun nur beschäftigt. In Wahrheit planen wir die Weltherrschaft und chillen. ^^

Für deinen Freund steht grade die komplette Welt auf dem Kopf. Vermutlich war die Scheidung auch nicht seine Idee. Das wird ein paar Jahre dauern, bis der wieder richtig in der Spur liegt. Schon allein, dass sich Routinen ändern, da kriegt er jedesmal innerlich 'nen halben Infarkt, kann ich mir denken.

Lieblingstiere 
Beitragsersteller
 13.02.2021, 16:45
@Kokossnoss

Jede Nachricht kann lang sein und ich kann was ähnliches schon geschrieben haben :)

„Noch vor etwa 10 Jahren war die Diagnose relativ unbekannt und vor 20 Jahren gab es die quasi nicht. „

...Das stimmt. Ich habe Wikipedia Artikel gelesen und dort steht auch so ähnliches. Es kann gut sein, dass seine Frau wirklich nichts von Asperger weiß. Er sagte, dass sie immer von ihm wollte, dass er sich verändert(aus meiner Sicht können Autisten auch „sich selbst gut (er)kennen, wie man ist“ und das bedeutet nicht „sich verändern“). Und dass er stärker wird...

Er meinte, nach der Armee erst wurde er ein bisschen stärker. Aber jetzt glaube ich irgendwie, dass er eher öfter sozusagen „Ruhe“ bekommen hat. 

Ich habe schon mal gedacht und gemerkt, dass er mich nicht mag oder so. Aber er sagt dann dass er mich sehr mag. Wie du meinst, muss ich ihn wirklich verstehen, wie er ist. Es ist anderes. Und wie ich fühle, ist manchmal nicht richtig. 

„Die meisten lachen wirklich nur, wenn etwas lustig ist und das kann etwas extrem Albernes sein.“

...er hatte so viel gute Energie bei unserem Gespräch und er hat sich dabei immer gefreut. Er (oder sein Herz)lächelt und lacht. Aber zurzeit fast nicht. Ich bin nur besorgt, wenn er ohne Mimik redet. Was ist denn passiert...? 

„Wenn man spontan Termine verschieben muss, ist der ganze Tag im Eimer. „

...auch wichtig zu wissen. Das hat er sicher jeden Tag. Wir haben vor zwei Jahren kennengelernt(da war seine Frau nicht zuhause sondern weit weg von der Wohnung, da sie mit ihm vermutlich nicht wohnen wollte - hast du schon mal von Kassandra-Syndrom gehört? Dass der Partner von Asperger-Mann/Frau gekränkt wird). Damals war er noch ruhiger mit dem Plan, da er alles selber ohne Spontanität von anderen die Tage organisieren kann. 

Sabbern - ich denke, ich habe mit ihm so viel geredet. Telefonat eine Stunde normal, einmal 3 Stunden. Oft waren die Themen nicht wirklich seine, denke ich mal. Oft nicht Daten, sondern Gefühlssachen sogar. Und er folgt mir beim Gespräch. Es kann schon schwer sein für ihn und er ist so geduldig, sagt trotzdem dass er mich sehr mag? Klasse! Ich muss ihn auch verstehen und will wissen, wie er ist. 

Ich möchte halt wissen, wie ich ihn ansprechen sollte, damit es ihm nicht zu viel wird. 

Kannst du selber sagen, dass du ein gefühlvoller Mensch bist? Dieser Mann meinte dass ich so bin und er nicht. 

Deine Beschreibung über deine Schul-Zeit ist interessant. Darf ich fragen, wie du dich damals gefühlt hast? Hier noch eine Frage: ist es dir oder Autisten schwer, an die schwere Vergangenheit nochmal zurückzudenken? 

Die Beschreibung über die Wand anstarren ist auch wieder interessant. Also wenn ein Autist etwas „tut“, sollte man lieber nicht ansprechen oder wann ist das richtige Timing dafür? 

Hmm. Danke für Infos. Ich kenne diesen Mann nicht so viel, aber wirklich, er kann sehr gut autistische Symptome haben. 

Infarkt...so schlimm? Wegen der Scheidung braucht man sicher viel Energie, aber so schlimm?

Ja, in seiner Ehe war seine Frau immer das Gesetz zuhause. Die Scheidung wollte SIE und er nicht(jetzt schon richtig entschieden). Es hat 2018 angefangen und er hat seitdem sozusagen „Freiheit“, draußen jemanden zu finden. Hier gab es auch so eine Konversation, dass sie das ihm erlaubte, und er versteht das „wörtlich“ und wenn er ihr Bescheid über die neue sagt, war sie eifersüchtig. Nämlich war es für seine Frau schon die Entscheidung aber Gefühle waren noch nicht geordnet und das kann er wohl nicht merken. Er meinte so, und sie meinte so, und beide verstanden es anderes und so weiter...

Ich wage noch nicht dazu, ihm kurz zu schreiben, „hallo wie geht es dir? Arbeitest du auch am Wochenende? Ich wünsche dir ein schönes Wochenende!“ Oder so ähnliches...

Danke fürs Lesen :) 

Kokossnoss  14.02.2021, 01:36
@Lieblingstiere

Das mit dem Verändern ist so eine Sache. Meine Mutter sagte immer, ich solle mich "anpassen". Ich habe gar nicht verstanden, was sie will. Sie hätte auch "Kaugummi" sagen können. Es ergab keinen Sinn. Ich dachte an Kaugummi im Schlüsselloch, denn ich hatte das in einen Gangsterfilm gesehen und so stellte ich mir "anpassen" vor. Dieses Anpassen und Verändern bleibt ein großes Fragezeichen und am Ende kommt nur die Botschaft an: "Ich mag dich nicht so, wie du bist = Ich mag dich nicht."

Genau so ist es mit dem stärker werden. Die meisten Autisten sind sowieso leicht überfordert mit Geschlechterrollen, weil soziale Rollen eben nicht unser Ding sind. Als männlicher Autist kommt man ganz gut durch, einige der typischen Eigenschaften wirken super männlich. Wenn dann jemand kommt und einen "schwach" findet, klingt das wie "du bist kein richtiger Mann." Und diese Männer wissen ja, dass sie anders sind. Die autistischen Defizite werden von unkundigen Partnerinnen auf die reine Tatsache der anatomischen Männlichkeit reduziert. Wäre ich ein Mann, würde mir das weh tun.

Er muss nicht stärker werden, gib ihm das Gefühl, dass er stark ist. Immerhin kriegt er sein Leben auf die Reihe in so einer Extremsituation. Würde nicht jeder packen. Wenn er sagt, dass er dich liebt, wird es wohl so sein. Wenn er das nicht zeigen kann, geht es ihm nicht gut. Aber ändert nichts am Gefühl. Nur an der Kommunikationsfähigkeit. Wenn er ohne Mimik redet, heißt das, dass er dir vertraut oder grade die Kraft nicht hat, diese Mimik zu machen. Das ist nämlich anstrengend, wenn man das bewusst machen muss.

Kassandra-Syndrom ist glaube, wenn man auf Warnungen nicht hört. Das weiß ich leider nicht genau. Die Partner und Kinder von Aspies stilisieren sich neuerdings als Opfer, aber nur, um uns als gefühlskalte Arschl*cher hinzustellen. Mein Mitleid hält sich in Grenzen. Wenn die Partner von Autisten jammern, wie sehr sie doch gelitten hätten, kommt mir das vor, wie diese Typen, die behaupten, Frauen werden gar nicht unterdrückt und ihnen selbst gehts noch viel schlimmer.

Meist sind es Ex-Frauen, wenn ich so in englischsprachigen Foren lese, die die Diagnose bei der Scheidung gegen den Mann benutzen und sich nicht etwa vor den Kopf schlagen, "deshalb war er so komisch, jetzt versteh ich ihn endlich!" Im Gegenteil, die tun sich dann besonders leid und sammeln Spenden für Organisationen, die Screenings entwickeln wollen, um Leute wie uns schon vor der Geburt abzutreiben. Man erfährt viele schmerzhafte Dinge, wenn man erfährt, dass man autistisch ist. Zum Beispiel, dass sie deine Kinder rückwirkend abtreiben will.

Aber, was bei deinem Freund und seiner Ex jetzt genau läuft, wissen wir nicht. Sie kann extrem verletzt sein und ratlos, oder zynisch und böse. Am besten fragst du ihn nicht, denn der wird das schon erzählen, zur richtigen Zeit.

Ich würde mich nicht als gefühlvoll bezeichnen, aber deshalb bin ich nicht gefühllos. Mein Gefühlsleben ist sehr komplex, so komplex, dass ich es nicht beschreiben kann, weil die passenden Worte noch nicht erfunden wurden. Aber ich kann es unterdrücken, weil ich das können muss, weil ich sonst nicht funktionieren würde.

Wie ich mich zu meiner Schulzeit gefühlt habe, könnte man mit dem Wort "Gefängnis" beschreiben. Meine Erinnerungen sind mir gegenwärtig, ich verdränge kaum oder nicht. Wenn ich mich erinnere, fühle ich wieder so wie damals, zum Beispiel hilflos ausgeliefert, ohnmächtig, wütend, schwach. Ich sehe alles wieder vor mir, es ist wie fotografiert. Wie eine Zeitmaschine.

Wie du ihn ansprechen sollst, kann ich dir nicht sagen, weil ich ihn vielleicht nicht ansprechen würde, sondern mehr Signale senden. Das mag jetzt ein merkwürdiger Rat von einer Autistin sein. Signale senden. Aber ich mache so was verbal. Warte auf die Gelegenheit, dann eine Bemerkung: "Der Sohn von Brigitte hat dieses Asperger, ich weiß gar nicht, was das ist" in deinem Fall oder ein autistischer Insiderwitz in meinem Fall. So als Gesprächsangebot. Wenn darauf kein Einstieg seinerseits erfolgt, nicht weiter bohren. Auch nicht mit der Noch-Ehe, da hat er wohl selber zu viel zu ordnen im Kopf.

Kurze Botschaften und kleine Aufmerksamkeiten kommen bei mir gut an. "Ich weiß, du hast den Kopf woanders, aber ich denk an dich <3"

Heute ist übrigens Valentinstag ;)

Es mag auch Psychopathie geben bei Aspergern und sie glauben öfter ein Psychopath zu sein. Aber die, die kennenlernte waren innerlich sehr warm. Sie mögen meist zwar keine Menschen. Aber die, die sie mögen, sind ihnen tatsächlich wichtig. Einer ist wegen seiner Wärme und Lebensweisheit mein bester Freund geworden.

Gerade mit dem logischen Denken verstehen sie die Gefühle anderer. Mein Freund wäre ein guter Psychoanalytiker geworden. Er hat aber leider andere Interessen.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

icecoId  09.02.2021, 17:47
Es mag auch Psychopathie geben bei Aspergern

Schon wieder dieser Unsinn, den ich dir schon längst widerlegt und mit der Geschichte der Psychologie erklärt habe!

Aber anscheinend möchtest du nicht in Betracht ziehen, dass dein Standpunkt falsch ist und dazulernen.

Lieblingstiere 
Beitragsersteller
 08.02.2021, 19:39

Danke für den Kommentar. Dieser Mann von der Frage ist innerlich sehr warm, aber er hat sich selbst noch nicht so erkannt. Wer sich selbst noch nicht wirklich kennt, kann auch die anderen nicht wirklich kennen.

Kann dieser Freund ein bisschen Gefühle/Emotionen verstehen?
Ich frage nur, weil ich mit diesem Mann wirklich gut zurecht kommen möchte, er steht in meinem Leben etwas nah bei mir. Aber wenn es ihm schwer fällt, wenn das Thema über Gefühle ist, wo man Empathie für die Antwort braucht, dann sollte ich lieber nicht viel davon reden.

Mit Asperger-Autisten kannst du kein emotionales Gespräch führen, es zählen nur Fakten.


Grenn9  28.08.2024, 02:56

Ein Autist lebt meistens in seiner eigenen Welt. Von Gefühlen bekommt dieser Mensch nichts mit. Schau doch mal bei Google da kriegst du viele Informationen. Welche auch der Wahrheit entsprechen. Es ist z.B so dass manche Autisten keinen sättigungsgefühl haben weil Autisten einfach nicht fühlen.

Haben Autisten kein Einfühlungsvermögen?

Das ist so verschieden wie unter nicht-Autisten auch. Da hat ebenfalls nicht jeder Einfühlungsvermögen. Die einen haben es die anderen eingeschränkt, wiederum andere nicht.

Ich möchte gern mit diesem Mann klarkommen und wenn möglich, ihn unterstützen.

Ich bin der Ansicht du solltest dir eine andere Beschäftigung suchen. Der Mann ist 38, hat eine Diagnose und damit hat er sicherlich Untersützung, sofern er überhaupt eine braucht und vorallem will. Würde sich mir jemand aufdrängen und mich zu seinem Projekt machen dann fände ich dafür sehr klare Worte.


Lieblingstiere 
Beitragsersteller
 15.02.2021, 17:56

Projekt? Nein, ich möchte ihn nicht verändern. In der Frage hab ich geschrieben dass er schon Diagnose hat, aber das ist nur damit ich mehrere Antworte bekomme. Nein, es ist bei ihm nicht sicher aber ich bin ziemlich sicher dass er auf jeden Fall solche Richtung hat. Ansonsten würde man über ihn andere Eindrücke haben.
Das Problem ist, dass er sich selbst verändern will. Ich möchte nur, dass er irgendwann weiß, dass er einfach so bleiben darf, wie er ist...und dass er weiß, was die Sache ist.