Welche Berufe können Asperger-Autisten erlernen?

6 Antworten

Prinzipiell können sie alle Berufe erlernen.
Oft sind aber wohl Berufe geeigneter, in denen es wenig Kundenkontakt gibt, nicht telefoniert werden muss, man ein Büro für sich hat ...
Das kommt aber auf die individuellen Probleme des jeweiligen Asperger-Autisten an.

Ich weiß von Autisten, die sich selbständig gemacht haben, einigen, die irgendwas im Informatik-Bereich studiert haben, einige arbeiten in der Forschung, auch Ärzte oder Psychologen gibt es unter ihnen ...
Sehr viele sind aber leider arbeitslos. Das liegt oft schon an Problemen beim Vorstellungsgespräch, wo man sich gut verkaufen können muss.

Hier habe ich (Asperger-)Autismus mal versucht, in wenige Worte zu fassen:
http://www.gutefrage.net/frage/was-ist-hochfunktionaler-autismus#answer118616572
Die individuell daraus resultierenden Probleme können aber halt sehr verschieden aussehen.

Ich finde es kommt viel auf den einzelenen Menschen an und welche Strategien er sich angeeigent hat um trotzdem in unserer Welt bestehen zu können. So kann man als Asperger mit der nötigen Lebenserfahrung vieles kompensieren und lösen. Man lernt ja im Laufe des Lebens was die anderen erwarten, man weiß dann das man bei Gesprächen zb über die Augen schaut, so das der Gesprächspartner denkt man schaue ihn an. Man lernt auch Situaitoon zu deuten und zu reagieren, zb bei einen Witz zu lachen, auch wenn man ihn nicht versteht. Ich denke als Aspie ist es nur wichtig das der Arbeitsalltag logisch und immer gleich ist. Und das auf der Arbeit Ruhe herrscht und kein Trubel, der ein beeinträchtigen würde. Velleicht im Büro, als Beamter? Oder vielleicht mal schauen wo die Spezialinteressen liegen und in der Richtung mal suchen? Viele können gut mit PCs, würde also eher dann in die IT-Branche gehen. manche sind sehr künstlerisch veranlagt, vielleicht wäre Werbemittel gestalten dann etwas.

Asperger-Autisten können jeden Beruf lernen, der sie fachlich interessiert. Oft werden sie darin sogar besser, als ihre nicht-autistischen Kollegen.

Allerdings kommt es leicht zu sozialen Missverständnissen, weil sie oft ohne Beziehungsebene sprechen, so dass die nicht-autistichen Kollegen (die sowas nicht kennen) ihrer Sprache einen ausgedachte Beziehungsebene andichten, d.h. dem Autisten sonstwas für falsche Aussagen unterstellen.
Zum Beispiel fühlen die Nicht-Autisten sich persönlich angegriffen, wenn der Autist eine sachliche Aussage macht, ohne sie in Schleimerei zu verpacken. Andersherum verpacken Nicht-Autisten ihre Aufforderungen meistens in Fragesätze, die der Autist dann für echte Fragen hält.

Deshalb ist die Ausbildungszeit etwas schwierig. Aber da sowohl Autisten als auch nicht Nicht-Autisten ja lernfähig sind, lernen sie mit der Zeit auch, sich vernünftig zu verständigen. Ältere Autisten kommen deshalb immer besser im Beruf zurecht, wenn sie erst den Einstieg gemeistert haben.

Dazu kommt eine gewisse Doppelbelastung. Denn während die "normalen" Kollegen einfach nur ihre Arbeit machen müssen und sich beim Tratschen entspannen, muss der Autist zusätzlich ständig "Sozialarbeit" leisten: Jeder Smalltalk ist knallharte Arbeit, auch Telefonate sind deutlich anstrengender als man meinen sollte. Wenn ich aus der Teeküche komme, erlebe ich das Büro als kleine Erholungsoase... Dem entsprechend ist man als Autist nach einem normalen Arbeitstag so mit Sozialstress überfrachtet, dass man abends lieber alleine bleibt. Für eine Familie haben nur wenige noch Kraft.

Aber da die meisten Autisten ohnehin alleine wohnen, ist das gar kein Problem. Sie arbeiten effizient, ohne zu viele Pausen und ohne zeitraubenden Tratsch auf dem Flur. Darum schaffen sie mehr als erwartet und haben auch mal Zeit für Überstunden. Wenn sich die Kommunikation mit Chefs und Kollegen brauchbar eingependelt hat, sind sie also sehr wertvolle Mitarbeiter.

Das Problem bei Aspergers ist, daß sie einfach nicht mit anderen Menschen "können", deren Gefühlsregungen sind ein Buch mit sieben Siegeln für sie, und umgekehrt werden Aspies von ihrer Umgebung oft schief angesehen, weil sie sich nicht verstellen (können), z. B. gnadenlos die Wahrheit sagen - "Notlügen" egal ob klein oder groß gibt es nicht für sie - und sich auch nicht in andere "hineinfühlen" können, beispielsweise Liebe (der eigenen Mutter) nicht erwidern und deshalb als gefühlskalt betrachtet werden. Sehr gut sind Aspies in allen Berufen, wo man nicht mit Menschen, sondern mit harten Fakten, also Zahlen, Statistiken oder Technik zu tun hat, inzwischen suchen Informatik-Firmen sogar gezielt nach Personen mit Asperger-Syndrom, weil die besonders gute Leistungen etwa bei der Suche nach Softwarefehlern erbringen. Von den "normalen" Kollegen im Berufsleben wird dabei entsprechend ein gewisses Wissen für den richtigen Umgang mit diesen Spezialisten und Toleranz gefordert, eben weil Aspies halt nicht "ticken" wie Normalos, man muß sie so nehmen wie sie sind, "umerziehen" funktioniert nicht.


Rechercheur  06.05.2014, 12:42
"Notlügen" egal ob klein oder groß gibt es nicht für sie

Das ist ein bisschen arg pauschal.

und sich auch nicht in andere "hineinfühlen" können, beispielsweise Liebe (der eigenen Mutter) nicht erwidern und deshalb als gefühlskalt betrachtet werden.

Die emotionale Empathie ist nicht beeinträchtigt. Und Autisten können auch lieben und Liebe erwidern - nur oft nicht so, wie Nicht-Autisten es gerne hätten oder erwarten. Daher wird den Autisten dann mitunter (offenbar leider immer noch) unterstellt, sie würden nicht lieben und wären gefühlskalt, das ist aber bloß eine Außensicht.

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Daoga  06.05.2014, 12:55
@Rechercheur

Tja, Liebe und Liebe sind halt zwei Paar Stiefel. Und ein Problem insbesondere für Leute, die sich gern öffentlich in der (vorgetäuschten...) Liebe anderer sonnen und widerspiegeln möchten, die werden mit jemandem, der Asperger hat, kaum glücklich, weil da nichts (offensichtlich sichtbares) zurückkommt. Der Autist liebt auf seine eigene ehrliche und stille Weise.

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CrazyDaisy  06.05.2014, 21:23
@Daoga

Der Autist liebt auf seine eigene ehrliche und stille Weise. Das ist wirklich hübsch formuliert!

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Das hängt natürlich vom Grad der Erkrankung ab. Aber viele "Aspis" kommen im Alltagsleben recht gut klar. Für bestimmte Aufgaben ist die enorme Konzentrationsfähigkeit sogar ein Vorteil, so z.B. in der Qualitätskontrolle. Auch bei Fluglotsen ist ein gewisser "Aspi-Faktor" durchaus ein berufliches Plus.

Kundenkontakte hingegen fallen vielen Aspergerpatienten schwerer als Normalos. Obwohl sich auch so etwas trainieren lässt.


Rechercheur  06.05.2014, 12:06

Autismus ist keine Erkrankung, man erkrankt nicht daran, man wird damit geboren.
Und es sind auch nicht alle Asperger-Autisten zwangsläufig durchgehend Patienten. Patient bin ich, wenn ich beim Arzt sitze. Diese pathologisierende Sprache muss doch nicht unbedingt sein, auch ohne dabei abzustreiten, dass es sich durchaus um eine Behinderung handelt.

Natürlich lässt sich sowas trainieren, nur die Anstrengung, die das dauerhafte Kompensieren mit sich bringt, die sieht oft niemand. Das macht einem das Leben mitunter wirklich schwer.

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CrazyDaisy  06.05.2014, 12:13
@Rechercheur

Hätte ich vom Grad der Behinderung schreiben sollen? Das hätte auch nicht netter geklungen, wäre aber vielleicht korrekter gewesen. Die Anstrengung, die das Kompensieren mit sich bringt, ist mir durchaus bekannt, die Erfahrung, dass man mit Training sozialkompetenter wird, ist aber durchaus auch beglückend.

Die Formulierung mit "Patient" ist aus der Not geboren. Während man einen Kurzsichtigen so nennen kann, ist mir ein Terminus für einen "Asperger-Habenden" nicht geläufig. Aspergist wäre ja ganz hübsch, ist aber (noch?) unüblich. ;-) Natürlich kann man Asperger-Autist schreiben, wurde ja auch gemacht.

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Rechercheur  06.05.2014, 12:38
@CrazyDaisy

Ja, das wäre korrekter gewesen. Und auch netter.
Denn ich bin Autist, aber ich bin nicht krank, das ist schlicht ein Fakt.

die Erfahrung, dass man mit Training sozialkompetenter wird, ist aber durchaus auch beglückend.

Das kommt vermutlich auf die Perspektive an. Ja, kann es sein.
Ob das aber dann, wenn der individuelle Autist da seine Hauptprobleme hat, eben nicht vielleicht in einen frühen Burnout führt, wenn er dann das Trainierte ausgerechnet im Beruf täglich acht Stunden ausführen muss, ist eine andere Frage.
Und wie lange man den Job behält, wenn die Kompensation im Overload dann regelmäßig wegbricht, ist auch eine andere Frage.
Manche Autisten arbeiten auch so in sozialen Berufen zum Beispiel. Es kommt halt eh auf den individuellen Autisten an.

Ich finde es einfach nur wichtig, nicht aus dem Auge zu verlieren, dass es eigentlich mal auf Inklusion hinauslaufen sollte, wozu auch gehört, dass Autisten sich nicht dauernd verstellen müssen sollten, um in der Gesellschaft akzeptiert zu werden.

Asperger-Autist oder auch einfach nur Autist kannst du sagen. Aspergerist finde ich persönlich albern, lese ich auch zum ersten Mal. Manche schreiben auch einfach Asperger, also die Person ist ein Asperger, aber das finde ich sehr missverständlich, denn so nennen sich auch die Menschen aus der Stadt Asperg.

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