Gravitation und zeit?

6 Antworten

Das ist ein sehr kompliziertes Thema. Ich versuche es mal vereinfacht zusammenzufassen.

Zum einen ist da die Raumzeit. Man dachte erst, dass wir uns in einem 3-Dimensionalen Raum befinden, welcher entlang einer gewissen "Zeit-Achse" bewegt wird. Somit hätten wir Raum und Zeit als getrennte Dimensionen. Einstein hat sich jetzt aber das Modell hergenommen, dass Raum und Zeit zu einer einzigen 4-Dimensionalen Raumzeit werden. Raum und Zeit sind also miteinander verschmolzen/verwoben. Wenn sich der Raum gewissermaßen ändert, ändert sich auch die Eigenschaft der Zeit.

In der allgemeinen Relativitätstheorie hat Einstein jetzt postuliert, dass Schwerkraft nichts anderes ist, als die natürlichen Bewegung eines Körpers in dieser 4-dimensionalen Raumzeit. Damit das funktioniert, muss man verlangen, dass die Masse von Körpern (die auch schon davor als deutliche Ursache von Schwerkraft bekannt war) diese Raumzeit krümmt. Dadurch "fällt" jedes Objekt in eine solche "Kuhle", welche durch die Krümmung entsteht, das dann so wirkt, als würde es von von dem Mittelpunkt dieser Kuhle angezogen werden. Wie man sich eine solche "Kuhle" im 4-dimensionalen vorstellen soll kann ich dir nicht sagen - ich denke, dass kann niemand.

Also: Gibt es ein sehr massereiches Objekt, so krümmt es den Raum entsprechend stark. Da Raum und Zeit miteinander verbunden sind, ändert sich somit auch die Zeit, was dann in diesem Fall zu einem langsameren Vergehen der Zeit führt verglichen mit einem flachen Raum. Diese Tatsache ist sehr genau experimentell vermessen worden und ist in bester Übereinstimmung mit den realen Beobachtungen.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Physik Studium - Master in theoretischer Physik

SlowPhil  11.06.2023, 22:30

Früher hätte ich auch gesagt, dass die Spezielle Relativitätstheorie (SRT) es erlaube, Raum und Zeit zur Raumzeit zusammenzufassen.

Inzwischen habe ich meine Meinung geändert, denn schon in der NEWTONschen Mechanik (NM) gilt GALILEIs Relativitätsprinzip, und das bedeutet schon, dass zwei aufeinander folgende Ereignisse in einem Koordinatensystem gleichortig sind, in einem anderen an zwei verschiedenen Orten stattfinden. Raum existiert also schon in der NM nicht unabhängig von Zeit. Schon die GALILEI- Transformation lässt sich geometrisch deuten, als Raumzeitliche Scherung.

Was die Krümmung der Raumzeit anbelangt, ist dieses Bild mit der Kuhle bzw. dem nach unten eingedellten Gummituch furchtbar: Erstens stellt es nicht die Raumzeit sondern nur den Raum bzw. eine räumliche Ebene dar, und eine Murmel auf dem Tuch folgt der echten Schwerkraft der Erde unter dem Tuch und gerade nicht der Krümmung der Fläche.

Allerdings ist eine Reise zwischen zwei Orten auf demselben Breitenkreis (der nicht der Äquator ist) ein passables dafür, auf dem Boden zu stehen (Reise entlang des Breitenkreises, man muss ständig den Kurs korrigieren, um nicht Richtung Äquator zu driften) oder vertikal zu springen (Reise entlang eines Großkreises, der über höhere Breiten führt). Während des Sprungs ist meine Weltlinie geodätisch.

Den Einfluss der Gravitation auf Licht kann man aber schon mit dem Äquivalenzprinzip begründen, und durch den DOPPLER-Effekt bzw. die gravitationsbedingte Frequenzverschiebung dann auch die Zeitdilatation.

An Bord eines beschleunigten Raumfahrzeugs herrscht ein homogenes Gravitationsfeld, und da ist die Raumzeit nicht gekrümmt.

2
DrNumerus  11.06.2023, 23:31
@SlowPhil

Danke für die Weiterführung! Ein zwei Fragen dazu:

Raum existiert also schon in der NM nicht unabhängig von Zeit.

Ich denke, was du hier ansprichst ist, dass wenn ein zu einem Intertialsystem A bewegtes Intertialsystem B zwei aufeinanderfolgende Ereignisse wahrnimmt, die ortsgleich für System A sind, so misst B sie aufgrund seiner relativen Bewegung an unterschiedlichen Orten? Wie genau hängt hier jetzt aber deiner Meinung nach der Ort mit der Zeit zusammen? Immerhin wird sowohl System A als auch System B den zeitlichen Abstand zwischen beiden Ereignissen niemals ändern können oder (sofern natürlich v_B<<c)?

Den Einfluss der Gravitation auf Licht kann man aber schon mit dem Äquivalenzprinzip begründen

-> Wie genau? Das Äquivalenzprinzip spricht von einer ununterscheidbaren Wirkung von Gravitation und einer mechanischen (Flieh-)Kraft. Deine Aussage würde ja dann irgendwie voraussetzen, dass man mit Newton'scher Mechanik begründen kann, dass sich das Verhalten von Licht ändert, wenn eine Kraft darauf wirkt. Steht das nicht irgendwie im Widerspruch zu der Tatsache, dass Licht keine Ruhemasse besitzt, bzw. nicht mit mechanischen Systemen Wechselwirkt? Oder wäre das hier auf elektromagnetische Felder bezogen?

P.S. diese "Kuhle" die ich erwähnt hatte war tatsächlich nicht auf dieses Gummituchmodell bezogen. Das mag ich auch nicht. Es war eher als intuitives "Ziel" für die natürliche Bewegung in einer solch sonst unvorstellbaren Geometrie angesetzt.

1
SlowPhil  12.06.2023, 07:08
@DrNumerus
Wie genau hängt hier jetzt aber deiner Meinung nach der Ort mit der Zeit zusammen?

Wie soll er schon zusammenhängen?Natürlich über die Beziehung

Δs›_B(A) = v›∙Δt_B(A).

Ich trink' mir ein Bier im Bordbistro eines Zuges, der mit, sagen wir, 50 m⁄s = 180 km⁄h unterwegs ist. Es sei groß genug, dass ich dafúr 6 min brauche. Dann findet doch der letzte Schluck 18 km vom ersten entfernt statt.

Wenn ich allerdings den Zug als ruhend betrachte (den Erdboden dementsprechend als riesiges Laufband), sind erster und letzter Schluck gleichortig.

1

Genau genommen beeinflusst Gravitation nicht die Zeit, Ursache und Wirkung sind genau andersherum. Ein massebehafteter Körper krümmt die Raumzeit um sich herum, verzerrt also die räumlichen und zeitlichen Abstände.

Die Zeit vergeht umso langsamer, je näher man dem Schwerpunkt einer Massenansammlung ist. Genau dadurch und weil für einen physikalischen Körper auch umso weniger Zeit vergeht, je schneller er sich bewegt, werden kräftefreie Körper in der Umgebung einer Masse zu ihr hin beschleunigt, was eben auch Gravitation genannt wird.

Das liegt daran, dass ein kräftefreier Körper immer dem kürzest- und somit geradestmöglichen Weg zwischen zwei Punkten folgt. In der Raumzeit ist das der Weg mit der größten Eigenzeit, also der Weg, auf dem für den Körper die größte Zeitspanne vergeht. In der gekrümmten Raumzeit um eine Massenansammlung führt so ein Weg zu ihr hin.

Die Raumkrümmung ist im Vergleich zur Zeitdilatation bei Himmelskörpern mit so einer geringen Masse wie der Erde übrigens vernachlässigbar, wenn man sich nicht gerade mit nahezu Lichtgeschwindigkeit bewegt, weil der Umrechnungsfaktor zwischen Längenkontraktion und Zeitdilatation die Vakuumlichtgeschwindigkeit ist. Eine Längenkontraktion von 299.792,458 km entspricht daher einer Zeitdilatation von nur 1 s.

Der Physiker Martin Bäker hat zur Relativitätstheorie auf seinem Blog Hier wohnen Drachen übrigens diverse Artikel geschrieben und auch ein gutes populärwissenschaftliches Buch zu dem Thema veröffentlicht.


SlowPhil  11.06.2023, 22:36

Du musst nicht unbedingt mit der Krümmung der Raumzeit argumentieren, sondern nur mit dem Äquivalenzprinzip. Das begründet, dass Gravitation auch Licht beeinflusst: der DOPPLER-Effekt sagt uns, dass Gravitation "aufsteigendes" Licht rot- und "absteigendes" blauverschiebt. Mit Rotverschiebung geht Zeitlupe, mit Blauverschiebung Zeitraffer einher.

1

Hallo Geil27273672,

in der NEWTONschen Mechanik (NM) wird die Gravitation als Kraft beschrieben, mit der sog. Schweren Masse als "Ladung".

Allerdings war schon vor NEWTONs Zeit bekannt, dass die Schwere Masse mit der sog. Trägen Masse – im Rahmen der NM ist das der der Proportionalitätsfaktor zwischen Beschleunigung und Kraft – übereinstimmt.

Schon GALILEI war aufgefallen, dass die Schwerebeschleunigung für Körper unterschiedlicher Masse gleich ausfällt, wenn man Auftrieb (durch die Dichte der umgebenden Luft) und Luftreibung vernachlässigen kann (oder im Vakuum, wo sie nicht auftreten).

Damit verhält sich die Gravitationskraft, die ein Körper erfährt, genau wie eine Trägheitskraft; man spricht auch von einer Scheinkraft. Dieses Verhalten führte EINSTEIN zum...

...Äquivalenzprinzip.

Befindest Du Dich in einem Fahrzeug, das mit der Beschleunigung a in x-Richtung beschleunigt, so muss das Fahrzeug bzw. seine Rückwand (oder Die Rückenlehne Deines Sitzes) auch Deinen Körper mit a beschleunigen und braucht dazu die Kraft m∙a, wobei m die Masse Deines Körpers ist.

Die von Deinem Körper ausgeübte Gegenkraft −m∙a (gleicher Betrag, entgegengesetzte Richtung) wirkt genau wie ein Gewicht, es fühlt sich so an, als würdest Du mit −m∙a nach hinten gezogen; diese scheinbare Kraft ist eine Trägheitskraft (ist das Fahrzeug ein Raumfahrzeug und beschleunigt es gleichmäßig im freien Weltraum, wird die Rückwand quasi zum "Boden"); sie wirkt genau wie Gravitation.

Lichtablenkung und DOPPLER-Effekt

Sogar Licht wird scheinbar nach hinten/"unten" abgelenkt bzw. erfährt auf dem Weg von vorn nach hinten eine Blau- und auf dem entgegengesetzten Weg eine Rotverschiebung, weil das Fahrzeug in der Zeit, die das Lichtsignal braucht, etwas schneller geworden ist; die Rückwand kommt dem Signal also schneller entgegen bzw. das Signal muss die Vorderwand einholen.

Nun geht aber die Blauverschiebung mit einem Zeitraffer- und Rotverschiebung mit einem Zeitlupeneffekt einher, und das ist keineswegs eine optische Täuschung.

Energieerhaltung

Das Äquivalenzprinzip sagt uns also, dass Gravitation selbst Licht beeinflusst. Licht der Frequenz f besteht aus "Portionen"(Photonen) der (kinetische) Energie h∙f (h ≈ 6,6×10⁻³⁴ Js ist das PLANCKsche Wirkungsquantum). In einem Gravitationsfeld, auf dem Gravitationspotential Φ, hat jedes Photon die potentielle Energie h∙f∙Φ⁄c², d.h., für zwei Gravitationspotentiale Φ₁ und Φ₂ gilt

(1) h∙f₁∙(1 + Φ₁⁄c²) = h∙f₂∙(1 + Φ₂⁄c²),

also

(2) f₂ = f₁∙(1 + Φ₁⁄c²)/(1 + Φ⁄c²)

Sind beide Potentiale groß im Vergleich zu −c² (dem Gravitationspotential am Ereignishorizont eines Schwarzen Lochs), lässt sich das wie folgt vereinfachen:

(3) f₂ ≈ f₁∙(1 − ΔΦ⁄c²) mit ΔΦ = Φ₂ − Φ₁.

Mit diesen Gleichungen lässt sich ganz gut berechnen, wie stark der Effekt ist.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – + Auseinandersetzung mit Gegnern der RT

Das tut die Gravitation auch nicht.

Jedoch muss ich bei einer relativistischen Betrachtung mich auf die Raumzeit beziehen, also Raum und Zeit als verbundene Dimensionen. Und in dieser Raumzeit wird die Gravitation als vierdimensionale, trichterförmige Verzerrung dargestellt.

Wenn Du jetzt überlegst, das eine flache, unversehrte Raumzeit eine bestimmte Länge für einen Ereignispunkt A (also Ort und Zeit A) zu einem Ereignispunkt B hat, dann muss diese Länge auf einer kurvenförmig eingetrichterten Raumzeit länger sein.

Das ist alles.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Diplom in Physik
es ist ja nur Anziehungskraft

Gravitation ist keine Kraft sondern Krümmung der Raumzeit. Messbare Kraft entsteht dabei erst, wenn man versucht, Objekte von ihrem kräftefreien Weg abzubringen, zB indem man den freien Fall aufhält.

https://youtube.com/watch?v=XRr1kaXKBsU&feature=share9