Ist Gravitation eine Kraft?
Da ist die Frage
9 Antworten
Hallo KellerKind182,
das ist eine gute Frage. Traditionell wird sie zu den vier Grundkräften gerechnet.
Wobei das Wort "Kräfte" eher umgangssprachlich ist. In der Physik benutzt man dieses Wort eher für konkrete, auf einen Körper oder ein Teilchen wirkenden Kräfte. Bei den grundlegenden Phänomenen selbst spricht man eher von Wechselwirkungen.
Gravitation beschleunigt alles gleichAllerdings ist die Gravitation in mancherlei Hinsicht ganz anders als die drei übrigen Wechselwirkungen: Diese beruhen auf jeweils ihrer eigenen Art Ladung; Körper die eine bestimmte Art Ladung nicht besitzen, sind durch die entsprechende Wechselwirkung nicht betroffen.
Gravitation hingegen beschleunigt buchstäblich alles im gleichen Maße, zumindest, wenn nicht noch andere Kräfte wie Auftrieb oder Luftreibung wirken. Dies fiel schon GALILEI auf; er widerlegte damit ARISTOTELES' Behauptung, schwere Körper fielen prinzipiell schneller als leichte (was in Luft schon wegen des Auftriebs sogar stimmt)
Gravitation beschleunigt sogar Photonen, die masselos sind, also keine Ruheenergie haben, sondern komplett aus ihrer eigenen kinetischen Energie bestehen (dies gilt für jedes Teilchen, das sich mit genau c bewegt; es ist gleichsam nicht etwas, das sich bewegen kann, sondern es ist seine eigene Bewegung).
Das ÄquivalenzprinzipDieses Verhalten kennt man normalerweise nur von Trägheitskräften, die auch als Scheinkräfte bezeichnet werden, weil es immer Koordinatensysteme gibt, in dem sie keine eigenen Kräfte darstellen, sogenannte Inertialsysteme.
Wenn Du in einem geschlossenen, vielleicht fensterlosen Labor an Bord eines Raumfahrzeugs Versuche machst und Du kein Gewicht spürst, kannst Du nicht unterscheiden, ob das Raumfahrzeug
- im freien Weltraum schwebt oder
- sich in freiem Fall bzw. einem Orbit befindet (was Physiker auch als freien Fall betrachten).
Wenn Du eine Beschleunigung g› spürst und auch den Antrieb arbeiten hörst, kannst Du rein physikalisch nicht unterscheiden, ob das Raumfahrzeug
- im freien Weltraum mit a› = −g› (gleicher Betrag, entgegengesetzte Richtung) beschleunigt und immer schneller wird oder
- in einem Gravitationsfeld mit der lokalen Gravitationsfeldstärke g› schwebt, der Antrieb also nur eingeschaltet ist, um stationär zu bleiben.
Dieses Prinzip ist zur Grundlage für EINSTEINs Allgemeine Relativitätstheorie (ART) geworden, das die Gravitation als Krümmung der Raumzeit beschreibt.
Was ist die Raumzeit...Wie der Name schon sagt, ist es eine Struktur, die sich in "Zeit" und "Raum" zerlegen lässt, und zwar mit Hilfe eines – idealerweise nicht beschleunigten oder rotierenden – Körpers B, den wir als Bezugskörper ausgewählt haben (also insbesondere als stationär ansehen).
Mit "Zeit" ist die von B aus ermittelte Zeit t₁ für ein gegebenes Ereignis E₁ oder auch die von B aus ermittelte Zeitspanne Δt = t₂ − t₁ zwischen E₁ und einem (von B aus beurteilt späteren) Ereignis E₂ gemeint, die beide als B- Koordinatenzeit bezeichnet werden können, nämlich die Zeit in einem von B aus definierten Koordinatensystem Σ mit der Weltlinie (WL) von B als Zeitachse.
Die WL eines Körpers ist gerade, wenn er nicht bewegt ist; die zweier Körper sind parallel, wenn sie sich relativ zueinander nicht bewegen.
Mit "Raum" ist wie "die Menge aller Orte" = festen Positionen relativ zu B gemeint. Ein Ort ist also eine Parallele zur WL von Σ, mit drei Koordinaten x, y und z und einer variablen, t.
Die Geschwindigkeit v› eines zweiten Körpers B' relativ zu B ist nichts anderes als die Neigung (Δx | Δy | Δz)/Δt gegen die von B. Der Einfachheit halber denke ich Σ gern so ausgerichtet, dass Δx = Δy = 0 ist und man die Geschwindigkeit als 1D-Geschwindigkeit v = Δx⁄Δt schreiben kann.
Nach GALILEIs Relativitätsprinzip (RP) kann man ebensogut die WL von B' als zeitliche Vorwärtsrichtung ansehen. In diesem Fall zerlegen wir die Raumzeit auf andere Weise, entlang anderer Linien in "Zeit" (nämlich B'- Koordinatenzeit) und Raum und beschreiben B als mit Δx'⁄Δt' = −v bewegt.
...und was bedeutet, dass sie gekrümmt ist?Zunächst: Vergiss die Bilder von Murmeln, die auf einem eingedellten Gummituch herumrollen. Die Murmeln folgen nicht der Krümmung des Tuches, sondern der echten Schwerkraft der Erde darunter. Es geht auch nicht um die Verbiegung in Richtung einer zusätzlichen Dimension, sondern um Krümmung als innere Eigenschaft einer Fläche oder ihrer Verallgemeinerung, einer Mannigfaltigkeit. Eine Zylindermantelfläche zum Beispiel ist nicht gekrümmt, obwohl sie gebogen ist, denn sie lässt sich, längst aufgetrennt, ohne Verzerrung auf einem ebenen Tisch ausrollen. Eine negativ gekrümmte Fläche (z.B. Sattel) würde bei diesem Versuch Falten werfen, eine positiv gekrümmte (z.B. Kugelkalotte) einreißen.
Diejenige Linie, die von allen durch einen Punkt in eine bestimmte Richtung verlaufen (Anfangsbedingungen), die geradeste ist, nennt man eine Geodätische. Auf einer Kugeloberfläche ist das ein Großkreis.
Wir wollen nun zwei Geodätische betrachten, die an einer Stelle in dieselbe Richtung verlaufen: In einer Fläche ohne Krümmung verlaufen diese überall parallel, in einer negativ gekrümmten Fläche streben sie auseinander und in einer positiv gekrümmten zusammen.
Ein Beispiel ist eine Flugreise zwischen zwei Orten auf demselben Breitenkreis, der nicht der Äquator ist; die geradeste Route führt immer über höhere Breiten, nicht etwa den Breitenkreis entlang; dies würde ständige Kurskorrekturen erfordern.
In der Raumzeit geht es natürlich um WL. Die WL eines Körpers ist geodätisch, wenn dieser keine beschleunigenden Kräfte "spürt", auch wenn er durch einen anderen Körper gravitativ angezogen wird.
Daher ist die oben erwähnte Flugreise ein ganz gutes Modell für einen vertikalen Sprung, wobei der Längengrad für die Zeit steht. Der Äquator steht für den Erdmittelpunkt, der andere Breitenkreis (der keine Geodätische ist) steht für den Boden.
Abb.: Wenn ich auf dem Boden stehe, ist meine WL nicht geodätisch, ich spüre Gewicht. Während eines vertikalen Sprungs spüre ich kurzzeitig keines, dieser Abschnitt meiner WL ist geodätisch.
Die "Kurskorrektur", die erforderlich ist, um nicht bis zum Erdmittelpunkt zu fallen (im Bild: Der Großkreisbogen schneidet den Äquator), "übernimmt" der Boden; er beschleunigt mich ständig aufwärts, der Tendenz meiner WL, in die Erde einzutauchen, entgegen wirkend.
in der Newtonschen beschreibung ja, in der allgemeinen relativitätstheorie nein.
Was ist eine Kraft Wikipedia sagt dazu
Kraft ist ein grundlegender Begriff in der Physik. In der klassischen Physik versteht man darunter eine Einwirkung auf einen Körper, die ihn beschleunigt, das heißt seine Geschwindigkeit vergrößert, verringert, deren Richtung ändert oder die ihn verformt. Kräfte sind erforderlich, um Arbeit zu verrichten, wobei sich die Energie eines Körpers oder eines physikalischen Systems ändert.
Nach der Definition ist Gravitation eine Kraft. Es ist aber eine andere art von Kraft als die anderen bekannten Kräfte, da sie ohne den Austausch von Teilchen "funktioniert". Nach der Allgemeinen Relativitätstheorie resultiert diese Kraft aus der Verkrümmung des Raumes.
Der Raumzeit. Deren Krümmung macht sich schon im Alltag bemerkbar, denn im freien Fall fühlst Du keine Kraft, was bedeutet, dass Deine Weltlinie dann eine Geodätische ist. Die Krümmung des Raumes macht sich erst in der Anwesenheit sehr großer Massen oder hoher Massenkonzentrationen bemerkbar, als Gravitationslinseneffekt.
Manche wollen sie aus den Grundkräften "rausnehmen", weil sie nach der Relativitätstheorie aus der Krümmung der Raumzeit resultiert.
Trotzdem klares Ja.
ja natürlich. Gravitation ist eine der Grundkräfte in der Physik.