Gab es am Mittelalter Sehhilfen wie z.b Brillen? Wenn nicht wie haben zu der Zeit die Menschen mit ner Sehschwächee überlebt?
7 Antworten
Ja, Sehhilfen werden schon bei Archimedes (+ 212 v. Chr.) beschrieben. So genannte Lesesteine, Kristalle oder mit Wasser gefüllte Kugeln machten, dass
„kleine und undeutliche Buchstaben schärfer und größer erscheinen"
(Seneca der Jüngere im 1. Jhd. n. Chr.)
Auch eine Übersetzung eines arabischen Buches (von 1040) brachte 1240 die Erkenntnis, dass Glaskugeln eine vergrößernde Wirkung beim Lesen haben.
Deutsche Schriften, wie "Schatz der Optik" von um 1240 griffen dieses Thema auf.
Die Brille, wie wir sie heute kennen wir das erste mal 1267 beschrieben. Ein erstes Bild mit einem Brillenträger kennen wir von 1403.
Wenn es in einem Buch beschrieben und in einem Bild gemalt wurde, muss es vorher schon bekannt gewesen sein, denn so eine Info verbreitete sich ja nicht wie heute, in Windeseile, sondern brauchte mitunter Jahre um vom einen Ende des Kontinents zum anderen zu gelangen.
Kurzsichtigkeit entsteht bei entsprechender genetischer Voraussetzung in der Wachstumsphase der Pubertät. Vor allem dann, wenn das Auge ohne Tageslicht auf Nähe fokussiert ist, also beim Lesen, am Handy oder Bildschirm. Der Augapfel wächst in die Länge. Das gab es im Mittelalter nicht. Kurzsichtigkeit ist also heute viel häufiger. In Taiwan oder Singapur war der Prozess von einer Generation zur nächsten so rasant, dass es Studien darüber gibt. Manche Schulen dort setzen bewußt auf Spiele im Freien zwischen den Schulstunden, um die Augen zu entlasten.
Wenn nicht wie haben zu der Zeit die Menschen mit ner Sehschwächee überlebt?
Naja, eine unkorrigierte Fehlsichtigkeit bedeutet ja nicht den sicheren Tod 😅.
Man kann auch ohne Brille gut im Alltag klarkommen, sofern die Fehlsichtigkeit nicht besonders stark ist. Ich habe bis etwas über -5 Dioptrien nicht ständig Brille getragen, sondern damals nur im Unterricht, im Kino oder zu Hause beim Fernsehen und das gut überlebt. Das hat auch viel mit Gewöhnung zu tun - wenn man an unscharfes Sehen gewöhnt ist, kann man ganz gut damit zurechtkommen. Auch jetzt, mit inzwischen ungefähr 7 Dioptrien mehr als damals, bin ich mir sicher, dass ich nicht aufgrund mangelhafter Sehschärfe zu Tode kommen würde, wenn ich keine Brille besitzen würde.
Bei Leuten mit wirklich extrem hohen Dioptrienzahlen, zum Beispiel mehr als -20, vermute ich, dass die zu Zeiten, als es noch keine Brillen gab, tatsächlich nicht sehr alt geworden wären, weil man als so stark Kurzsichtiger wirklich absolut nichts erkennt, was sich weiter als 5 cm entfernt befindet und die Unschärfe so krass ist, dass Gefahrenstellen überhaupt nicht wahrgenommen werden können und sie in der Epoche, um die es in deiner Frage geht, wahrscheinlich schon an der Beschaffung von Nahrung gescheitert wären. Da extrem starke Fehlsichtigkeiten aber nur ganz selten auftreten, dürften Schwierigkeiten damit in früheren Zeiten wohl die Ausnahme gewesen sein und es dementsprechend kaum darauf zurückzuführende Todesfälle gegeben haben, denke ich.
Natürlich gab es immer blinde Menschen und Menschen mit einer Sehschwäche und das bedeutete nicht den Tod, konnte jedoch zur Armut führen.
Brillen, wie wir sie heute kennen, sind eine Erfindung um 1400. Schnell wurden sie als Sehhilfe beliebt. Das ging so weit, dass es sogar auf gotischen Altären Abbildungen von Heiligen mit Brillen gibt. Siehe dazu diesen spannenden Artikel aus der empfehlenswerten Zeitschrift Monumente: https://www.monumente-online.de/de/ausgaben/2013/1/petrus-mit-brille.php
Die Zeitschrift Monumente hatten meine Eltern im Abo. Für kulturhistorisch interessierte Menschen ist es meines erachtens die beste deutschsprachige Zeitschrift. War froh, den Artikel im Internet zu finden, hatte nur noch verschwommene Erinnerungen an den Inhalt.
Schon sehr früh - weiß nicht genau wann - gab es Augenoperationen. Wie und ob erfolgreich, weiß ich nicht. Doch die Ärzte/die Medizin im Orient waren damals weit fortgeschritten.
Hier in Deutschland gibt es einen Mann der die Instrumente aus dem Mittelalter nachbaut/sammelt.
Nun aber zu deiner Frage:
ja, gab es. Natürlich konnten sich diese Hilfen - nicht mit unseren heutigen Brillen zu vergleichen - nicht alle leisten. Die einfachen, armen Menschen mussten mit der Sehschwäche so klarkommen.
Du kannst dir einmal "Quo Vadis" ansehen. In diesem Film schaut "Nero" durch so eine Sehhilfe. Oder gib "Sehhilfe im Mittelalter" bei Google ein.
Kolossal interessant, danke, GLG. :-))