Fragen zu Perikles - Staatsmann Athens?

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Formal gesehen war Adel nicht nötig, um im Areopag zu sein. Er bestand zu dieser Zeit aus ehemaligen Archonten.

487/6 v. Chr. wurde von den Athenern die Losung der Archonten aus von den Demen (Gemeinden) jeweils für eine Phyle vorgewählten Kandidaten (πρόκριτοι [prokritoi]) eingeführt (Aristoteles, Athenaion Politeia 22, 5). Zu Archonten waren seit der von Kleisthenes 508/7 v. Chr. herbeigeführten Staatsordnung, Isonomie (ἰσονομία [isonomia]) genannt, Angehörige der 1. und 2. Vermögensklasse (Fünfhundertscheffler [πεντακοσιομέδιμνοι] und Reiter [ἱππείς] wählbar.

Der Rat des Areopag (aus ehemaligen Archonten bestehend) war für Blutgerichtsbarkeit zuständig und hatte wohl einige Aufsichts- und Eingriffsrechte bei der Dokimasia (δοκιμασία), einer hauptsächlich formalen Eignungsprüfung von Bewerbern für Ämter (z. B. Besitz des Bürgerrechtes, Erfüllung vorgeschriebener Bürgerpflichten, geistige und charakterliche Mindestvoraussetzungen), der Überprüfung der Rechenschaftsablegung (εὐϑύνα [euthyna] von Amtsinhabern am Ende ihrer Tätigkeit und der Behandlung der Eisangelia (εἰσαγγελία), einer öffentlichen Klage in Strafsachen.

weitgehende Entmachtung des Areopags: Um 462/1 v. Chr. wurden dem Areopag (ein Rat ehemaliger Archonten) einige von ihm ausgeübte Aufsichts- und Eingriffsrechte entzogen, die ihn vorher als Wächter des Staates und der Gesetze erscheinen ließen, und teils auf die Volksversammlung, teils auf den Rat der 500, vor allem aber auf die Volksgerichte übertragen.

Die führende Rolle hatte dabei Ephialtes. Perikles hat wahrscheinlich diesen Kurs unterstützt.

Über die Beweggründe des Perikles bei den angesprochenen Themen (Entmachtung des Areopags, politische Gleichheit) besteht ein Mangel an aussagekräftigen Quellen. Es fehlen eigene Aussagen von ihm dazu bzw. Darstellungen, die gute Kenntnisse seiner dabei vorliegenden Motive und Ziele haben.

Plutarch, Perikles 7, 2 – 3 behauptet, Perikles habe den Verdacht, nach der Tyrannis zu streben gefürchtet, und sich entgegen seinem Naturell dem Volk, den Armen und Vielen gewidmet (statt den Reichen und Wenigen). Er habe gesehen, wie Kimon sehr aristokratische Sympathien gehabt habe, und sich beim Volk gesichert und Macht gegen seinen Rivalen verschafft.

Dies ist allerdings mehr Jahrhunderte später geschrieben und verwendet eine zweifelhafte grobe Schematisierung über die innenpolitischen Gegensätze. Kimon hat die Demokratie nicht in Frage gestellt.

Perikles hat als junger Mann Kimon einmal wegen seiner Rechenschafstablegung nach Ablauf seines Amtsjahres als Stratege angeklagt (Aristoteles, Athenaion Politeia 27, 1).

Perikles benötigte keine Veränderung der politischen Ordnung, um an der Politik teilhaben und eine aussichtsreiche Laufbahn einschlagen zu können.

Die naheliegende Annahme ist, daß Perikles von der Demokratie überzeugt war und sie auch für eine zweckmäßige poltische Ordnung für Athen hielt.

Bei der Entmachtung des Areopags ging es vielleicht darum, eine wirksame Kontrolle der Amtsträger zu erreichen.

Einen Deutungsvorschlag enthält (wobei die das Verhältnis Athens zu Sparta in der betreffenden Zeit unterschiedlich war und auch Phasen der Zusammenarbeit aufwies, also keine so eindeutige Tradition gegen Sparta vorlag):
Michael Stahl, Gesellschaft und Staat bei den Griechen: Klassische Zeit. Paderborn ; München ; Wien ; Zürich : Schöningh, 2003 (UTB : Geschichte ; 2431), S. 49 - 63

S. 54: „Die Strategen waren infolge der Bedeutung des Seebundes und der großen Aufgaben, die daraus erwuchsen, zu den wichtigsten Amtsträgern in Athen geworden. Natürlich führte dieses Amt viele Aristokraten - und nur sie bekleideten es – in Versuchung, die damit sich eröffnenden Möglichkeiten vor allem im finanziellen oder im persönlich-diplomatischen Bereich auch an der polis vorbei für sich persönlich auszunutzen. Die Rechenschaftsablegung der Strategen und aller Beamten erfolgte traditionell vor dem Areopag. Ephialtes’ Anklagen gegen Areopagiten konnten sich also zum einen gegen Amtsmißbrauch von Strategen richten und zum anderen gegen solche Areopagiten, die ihre Pflicht verletzten und eine ordnungsgemäße Amtsentlastung von Stareggen hintertrieben und vereitelten. Eine Fronde sich gegenseitig deckender Aristokraten unterlief da über Jahre die Kontrolle durch den Souverän, das Volk.“


Albrecht  05.09.2011, 03:52

S. 63: „Die Maßnahmen des Ephialtes zielten darauf, diese politische Ordnung zu stärken und konsequent weiterzuentwickeln. […].

Die Ursache für diese weitere Ausgestaltung der kleisthenischen Ordnung lag in der Notwendigkeit, ihre Errungenschaften - die zentrale Stellung der Volksversammlung – gegen Tendenzen zu verteidigen, die die traditionelle Ordnung de facto außer Kraft zu setzen bestrebt waren. Diese Bestrebungen sind vor allem in der Person Kimons verkörpert. In dreierlei Hinsicht hatte Kimon sich von der Tradition der athenischen Politik in dem zurückliegenden halben Jahrhundert entfernt: außenpolitisch durch seinen auf Koexistenz und Ausgleich mit Sparta zielenden Kurs, innenpoltisch durch eine faktische Aufwertung des Areopag als politsicher Institution und neue Formen, persönliche Loyalitäten, d. h. Anhängerschaften im Volks zu gewinnen.“

Gustav Adolf Lehmann, Perikles : Staatsmann und Stratege im klassischen Athen ; eine Biographie. München : Beck, 2008, S. 90 – 97 weist darauf hin, daß vom Areopag vertraulich, in nichtöffentlicher Sitzung, ohne konkret Rechenschafts- und Begründungspflicht verhandelt worden ist.

S. 73 – 74 und S. 89 erwähnt er, daß Xanthippos, Vater des Perikles, 479/8 v. Chr. sich als athenischer Stratege vor Sestos für Anerkennung des Prinzips einer Regierung der Polis allein durch das Gemeinwesen der Athener, d. h. durch die Volksversammlung und den Rat der 500 eingesetzt habe.

Perikles stammte mütterlicherseits von der Adelsfamilie der Alkmeoniden ab, zu der z. B. Kleisthenes gehörte. Die Alkmeoniden hatten aber nicht eine durchgehende bestimmte politische Ausrichtung, durch die als familiärer Hintergrund eine Einstellung des Perikles zur politischen Gleichheit erklärt werden könnte.

In der athenischen Demokratie hatten alle Vollbürger das Recht zur Abstimmung und zur politischen Teilhabe. Nicht abstimmungsberechtigt waren: Kinder, Frauen, Sklaven, dauerhaft in Athen lebende Ausländer (μέτοικοι [metoikoi]: Metöken [Mitwohner]). Die ausgeschlossenen Gruppen kamen nach damaligem Verständnis nicht als an der politischen Herrschaft Beteiligte in Frage. Dies ist eine Einschränkung, aber alle in Betracht kommenden Bürger (ohne Begrenzung nach gesellschaftlicher Herkunft oder Besitz) hatten Anteil und sie stellten nach zeitgenössischen Äußerungen das Volks dar.

Perikles hat das Bürgerrechtsgesetz beantragt, das 451/450 v. Chr. festlegte, Anspruch auf das athenischer Bürgerrecht habe nur, wessen beide Eltern athenische Bürger seien (Aristoteles, Athenaion Politeia 26, 4; Plutarch, Perikles 37, 3). Anscheinend wurde Wert darauf gelegt, nur „echten“ Athenern poltische Teilhabe zu gewähren.

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