Existieren Objekte wenn wir nicht hinschauen?

14 Antworten

Hallo Jetstreams,

die kurze Antwort ist "ja". Anders lautende Antworten auf der Grundlage der Quantik, die Du ja getaggt hast, halte ich für extreme Fehldeutungen.

Allerdings werden ähnliche Fragen auch schon länger in der Philosophie diskutiert.

DESCARTES' "cogito ergo sum"

Wirklich wissen, ohne jeden Zweifel, kannst Du eigentlich nur, dass Dein eigenes Bewusstsein existiert. Die Frage, ob das so ist, könntest Du Dir sonst nämlich nicht stellen.

Was und wer genau Du aufgrund Deiner Erfahrung zu sein glaubst, dass es auch andere Menschen etc. gibt, könnte rein theoretisch auch Illusion sein, denn Du kannst ja von Menschen träumen, die es in echt nicht (oder nicht mehr) gibt.

Wachzustand vs. Traum

Natürlich ist das unwahrscheinlich. Die Welt, die wir im Wachzustand wahrnehmen, ist dafür zu konsistent. Mir ist es tatsächlich während eines Traumes schon gelungen, herauszufinden, dass ich träumte, weil eben nicht alles konsistent war.

Insofern würde ich jederzeit behaupten, dass es andere "Bewusstseins" und Objekte gibt.

Eigenschaften und Wahrnehmung

Wir können natürlich sagen, dass es bestimmte "Qualia" deshalb ohne unsere Sinneswahrnehmung existieren, weil sie gar keine wirklichen physikalischen Eigenschaften der Objekte unserer Beobachtung sind, sondern eben unserer Wahrnehmung. Eine schwarze Glasplatte hat z.B. nicht "die Eigenschaft, schwarz zu sein", sondern die Eigenschaft, den Teil des elektromagnetischen Spektrums komplett zu absorbieren, den wir sehen können. Mit Kameras, die nahes Infrarot sehen, können wir durchgucken, und diese Wahrnehmung ist nicht weniger "gültig" als unsere natürliche.

In der Klassischen Physik geht man allerdings davon aus, dass zumindest die physikalischen, messbaren Eigenschaften, die auch den Qualia zugrunde liegen, unabhängig von uns sind.

Quantische Superposition

Im frühen 20. Jahrhundert wurde erstmals durch PLANCK und EINSTEIN entdeckt, dass sich elektromagnetische Wellen aus Energieportionen zusammensetzen, die also einen Teilchencharakter haben. Später fand DE BROGLIE heraus dass sich das Prinzip auch umdrehen lässt: Was wir "Teilchen" nennen, sind elementare Anregungen von Feldern und haben einen Wellencharakter.

Dabei erweisen sich bestimmte "körpermechanische" Größen mit bestimmten typischen wellenmechanischen Größen als (bis auf konstanten Faktor h, das PLANCKsche Wirkungsquantum) identisch: Energie entspricht Frequenz, Impuls dem Wellenvektor (der die Ausbreitungsrichtung einer Welle anzeigt und dessen Betrag antiproportional zur Wellenlänge ist).

Der Zustand eines Teilchens wird durch seine Wellenfunktion ψᵤ beschrieben, die quadratintegrabel sein muss, d.h. das Integral von |ψᵤ|² über den ganzen Raum, muss eine endliche Zahl α sein. Teilt man ψᵤ durch √{α}, erhält man die normierte Wellenfunktion ψ, und das Intregral von |ψ|² über einen begrenzten Raumbereich stellt die Wahrscheinlichkeit dar, es bei einer Ortsmessung darin zu finden.

Ein Teilchen mit scharf definierten Impuls kann es daher nicht geben, denn dann müsste ψᵤ eine Ebene Welle sein, die den ganzen Raum ausfüllt.

Um ein einigermaßen lokalisiertes Teilchen zu beschreiben, muss man viele Wellenfunktionen mit unterschiedlichen Wellenvektoren überlagern. Dabei kann eine solche Welle natürlich eine dominante Rolle spielen, sodass wir ein Wellenpaket mit mehr oder minder scharf definiertem Wellenvektor bekommen, das aber räumlich ausgedehnt ist.

Das lässt sich allerdings nicht als räumliche Ausdehnung des Teilchens im klassischen Sinne deuten, sondern als Superposition (Überlagerung) vieler möglicher Orte, an denen es bei einer Ortsmessung lokalisiert werden könnte.

Zum Beispiel durch ein Detektorfeld, dessen Zellen deutlich kleiner sind als die Ausdehnung unseres Paketes (dafür muss das Teilchen sehr leicht oder sehr langsam sein) und mit dem das Teilchen interagiert. Dabei wird eine der Zellen ansprechen, und die anderen nicht, denn als elementare Anregung eines Feldes kann es nur als Ganzes registriert werden.

Das heißt aber nicht, dass das Teilchen in Wahrheit auch vorher genau in diesem Bereich war, sondern die Größe "Position" hat erst durch die Interaktion einen bestimmten Wert erhalten – auf Kosten der Größe "Impuls", denn die Wellenfunktion hat dadurch (in einem Diagramm, das Ort gegen Wahrscheinlichkeitsdichte darstellt) die Form einer spitzen Nadel angenommen, und das ist eine Superposition vieler sehr unterschiedlicher Wellenvektoren.

Dieses Modell erklärt ganz natürlich HEISENBERGs Unbestimmtheitsrelation, auch wenn diese ganz anders hergeleitet wurde.

Es gibt also nicht bestimmte Zustände auf der einen und Superpositionszustände auf der anderen – jeder Zustand ist ein Superpositionszustand.

Bild zum Beitrag

Abb. 1: Das Elektron im Atom ist auch in einem ganz bestimmten Zustand, sofern es um Energie und Drehimpuls geht. Dass das natürlich kein Ortseigenzustand ist, liegt auf der Hand. Das Bild zeigt zwei verschiedene Zustände; die Farbe steht für die Phase.

Was sagt uns das, und was sagt es uns nicht?

Durch eine Messung, d.h. eine Interaktion mit Teilchen der Umgebung bzw. Vielteilchensystemen, erhält eine physikalische Größe für ein gegebenes Teilchen also u.U. erst einen ganz bestimmten Wert, der in der Wellenfunktion vor der Messung aber schon als Möglichkeit enthalten sein.

Daran ändert es nichts, wenn ein Experimentator einfach nicht hinguckt, sich weigert, den Messwert zur Kenntnis zu nehmen. Allein die Tatsache, das ist einem aufmerksamen Experimentator möglich wäre, etwas über die Position oder andere physikalische Zustandsgrößen des Teilchens zu erfahren, lässt diese Werte als die realen Werte aus dem See der möglichen Werte herausragen.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung
 - (Mathematik, Physik, Philosophie und Gesellschaft)

Diesen Satz brachte Albert Einstein in die Welt und machte sich auf diese Weise sozusagen über die Quantenmechanik lustig. Doch so einfach ist das nicht.

In der Quantenmechanik sorgte der Messprozess selber dafür, dass die Natur gewissermaßen die Karten auf den Tisch legen musste. Da es in unserer Makroskopischen Welt ständig zu Wechselwirkungen kommt ist jede Wechselwirkung eine Art "Messprozess".

Somit Ja! Der Mond existiert auch dann, wenn man nicht hinschaut. Die Quantenmechanik ist nicht vom Beobachter sondern von der Wechselwirkung abhängig. Der Beobachter selber spielt erstmal keine Rolle.

Ja, man kann auch im Dunkeln über den Hund fallen, wenn man nicht aufpasst. :)

Nein. Sie werden ins nichts gesaugt, und tauchen erst wieder auf wenn du hinschaust.

Im Ernst, warum stellst du diese Frage? Durch Selbststudien kann man es doch leicht herausfinden. Die Welt ist keine Website und kein Videospiel, wo nur das nötigste generiert wird. Und wie könnten blind sonst existieren, im nichts schwebend, ohne Nahrung und Atemluft? Wie könntest du Dinge berühren oder hören, riechen oder schmecken, ohne sie anzusehen?

Ich vermute: Ja. Falls nicht, dann müßte mir jemand erklären: (1) wie meine Uhr, ohne zu laufen, es anstellt, daß sie immer, wenn ich hinschaue, tatsächlich die aktuelle Uhrzeit anzeigt, und (2), wieso ich sie die ganze Zeit ticken höre.