Die Lichtgeschwindigkeit erreichen, würde es klappen (Theorie)?

7 Antworten

Hallo User69Speed,

kurze Antwort: Es würde nicht klappen, schon in der Theorie nicht, und in der Praxis erst recht nicht.

... ein System von Waggons, die sich in einem Kreis bewegen.

Das würden sie auf der Erde immer, selbst wenn sie sich "geradeaus" bewegen. In diesem Fall hätte der Kreis eben einen Umfang von 40000 km. Allerdings verursacht jede Kreisbewegung eine Zentrifugalbeschleunigung, und bei etwas über 8km/s ist die gleich der Fallbeschleunigung auf der Erde, und bei etwa 11,2 km⁄s würde ein Fahrzeug die Erde auf einer parabelförmigen Bahm verlassen und nicht zurückkehren.

Relativistische Geschwindigkeits"addition"
Jeder Waggon, enthält einen kleineren Waggon, der sich ebenfalls mit einer konstanten Geschwindigkeit von beispielsweise 1000 km/h bewegt. Diese Geschwindigkeiten addieren sich relativ zueinander, ...

Genau das tun sie eben nicht. Wenn ein großer Waggon relativ zum Boden die 1D-Geschwindigkeit v₁ und ein kleinerer Waggon im großen relativ zu diesem die 1D-Geschwindigkeit v₂' hat, ist die 1D-Geschwindigkeit des kleineren Waggons relativ zum Boden nach der Speziellen Relativitätstheorie (SRT)

(1) v₂ = (v₁ + v₂')/(1 + (v₁v₂')⁄c²),

was immer ≤ c ist. Dass sich in Alltagssituationen Geschwindigkeiten einfach zu addieren scheinen, liegt daran, dass normalerweise sowohl v₁ << c als auch v₂' << c ist und der Nenner daher praktisch immer nahezu gleich 1 ist.

Wenn wir den kleinen Waggon durch ein Lichtsignal ersetzen, sodass v₂' = c ist, erhalten wir für die 1D-Geschwindigkeit des Lichtsignals relativ zum Boden

(2) v₂ = (v₁ + c)/(1 + v₁⁄c) = c.

GALILEI meets MAXWELL

Das ist kein Zufall; die SRT beruht auf dem Prinzip, dass das Ausbreitungstempo elektromagnetischer Wellen in jedem Koordinatensystem denselben Wert c haben muss, z.B. im Ruhesystem des Bodens ebenso wie in dem des großen Waggons.

Dahinter steckt letztlich GALILEIs Relativitätsprinzip (RP): Die grundlegenden Beziehungen zwischen physikalischen Größen (nichts anderes sind Naturgesetze) sind zumindest in allen Inertialsystemen gleich, das sind Koordinatensysteme, in denen keine Trägheitskräfte auftreten.

Zu den Naturgesetzen gehören freilich auch MAXWELLs Grundgleichungen der Elektrodynamik und damit auch die elektromagnetische Wellengleichung, da die direkt daraus folgt. Und diese Wellengleichung sagt nun einmal aus, dass sich elektromagnetische Wellen mit c ausbreiten.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – + Auseinandersetzung mit Gegnern der RT

User69Speed 
Beitragsersteller
 04.03.2024, 20:49

Danke für die ausführliche Antwort

das ist Galileische Geschwindigkeitssuperposition, die nur für kleine Geschwindigkeiten v << c gilt.

Die sogenannte Lichtgeschwindigkeit ist die Geschwindigkeit, mit der Realität sich ausbreitet. Nichts was Ruhemasse* hat kann diese Geschwindigkeit erreichen, und nur weil Photonen keine Ruhemasse haben, haben sie diese Geschwindigkeit, daher der Name.

Der Name kommt auch daher, dass man früher glaubte, das Licht brauche ein absolut stationäres Medium, in dem sich elektromagnetische Wellen ausbreiten (so wie Schallwellen in Luft), den sog. Äther. Die Frage, woran so ein stationärer Äther räumlich festgemacht sei, führte zum Michelson-Morley Experiment, bei dem eigentlich erwartet wurde, dass mit der Geschwindigkeit der Erde durch den Äther unterschiedliche Geschwindigkeiten des Lichts in unterschiedliche Richtungen gemessen würden. Überraschung: kein Unterschied, also kein Äther (es sei denn er würde zufällig ausgerechnet an der Erde festgemacht sein). Daraus geht nicht nur hervor, dass es keinen Äther gibt, sondern dass diese Geschwindigkeit eine in allen Inertialsystemen gleiche Naturkonstante und damit nicht überholbar ist, denn wenn man versucht den Strahl einer Taschenlampe mit dem Auto zu überholen, ist er relativ zum Auto genauso schnell wie relativ zur Taschenlampe.

Erst hier setzt die spezielle Relativitätstheorie an, die mit recht einfacher Mathematik (Lorentz-Transformationen) darlegt, was das für Auswirkungen auf Zeiten und Längen (und auch die kinetische Energie*) in bewegten Systemen hat.

*) Kinetische Energie von Objekten mit Ruhemasse enthält einen Term der Lorentz-Transformation wie Zeiten und Längen. Wenn man ein Fahrzeug in die Nähe der Lichtgeschwindigkeit beschleunigt, geht mit wachsender Geschwindigkeit ein immer größerer Anteil der zugeführten Energie in immer weniger Geschwindigkeitszuwachs und lässt für den äußeren Beobachter das Fahrzeug immer träger erscheinen - die Lichtgeschwindigkeit wird nie erreicht.

Das Problem ist, dass Du die Relativität von Zeit und Raum außer acht lässt. Nehmen wir mal ein analoges Beispiel, dass sich jeder Waggon relativ zum äußeren mit 1000 km/s bewegt. Nach Deiner Annahme würde sich dann der 300. Waggon mit Lichtgeschwindigkeit zum Boden bewegen - das ist aber nicht so. Da z.B. der 299. Waggon sich mit annähernd Lichtgeschwindigkeit bewegt, vergeht in ihm im Vergleich zum Boden die Zeit langsamer, d.h. vom Boden aus gesehen, beträgt die Relativgeschwindigkeit zwischen Waggon Nr. 299 und 300 eben nicht 1000 km/s, sondern weniger. Das gilt für alle Waggons, also addieren sich die Geschwindigkeiten vom Boden aus betrachtet immer zu einer Geschwindigkeit unterhalb der des Lichtes.

Vom Waggon Nr 300 aus gesehen, verkürzen sich die Strecken am Boden, so dass innerhalb einer Sekunde (vom Waggon aus gesehen) am Boden weniger als 300.000 km zurückgelegt werden.

Naturgesetze lassen sich nunmal leider nicht austricksen...

Du nimmst an dass die inneren Wägen sich beliebig schneller bewegen als die äußeren. Die erste Frage ist, warum nimmst du eine Kreisbahn an? Das Prinzip würde ja auch bei einer linearen Bewegung funktionieren, wenn es denn funktionieren würde. Weiter, du darfst nicht die Geschwindigkeiten linear addieren. Dies gilt nur in der sogenannten klassischen Mechanik, bei der die relativistische Korrektur der Geschwindigkeit nicht ins Gewicht fällt. Bei einer hinreichnenden Annäherung an die Lichtgeschwindigkeit mußt du aber statt dessen das

https://de.wikipedia.org/wiki/Relativistisches_Additionstheorem_f%C3%BCr_Geschwindigkeiten

verwenden.


SlowPhil  02.03.2024, 17:49

Es würde mit linearen Bewegungen sogar besser funktionieren, weil man sich dann nicht mit Zentrifugalbeschleunigung herumärgern müsste.

RobertLiebling  28.02.2024, 22:12

Vermutlich geht es um einen geschlossenen Kreis (bzw. Ring) von Waggons. Sonst dürfte den schnelleren Waggons ziemlich schnell die Strecke ausgehen.

Aber sind wir mal nicht geizig und bauen eine geschlossene Bahn entlang des Äquators um die Erde.

Bei Lichtgeschwindigkeit (nehmen wir mal an, man könnte sie erreichen) würde der letzte Waggon ja pro Sekunde ca. 7,5 Mal die Erde umrunden. Wie groß ist eigentlich die Fluchtgeschwindigkeit bei Bewegung parallel zur Erdoberfläche? 🤔

Nein. Der Innerste würde sich dann ja mit Lichtgeschwindigkeit bewegen, was unendlich viel Energie benötigen würde. Man könnte den Waggon also gar nicht auf diese Geschwindigkeit beschleunigen. Es geht ja nicht um die Geschwindigkeit mit der sich der Waggon relativ zu irgendeinem anderen Waggon bewegt.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Maschinenbaustudent, RWTH Aachen