Wieso leben nicht mehr Linke vegan?
Sowohl in Hinblick auf die politische Ausrichtung generell, als auch speziell hinsichtlich der Spitzenpolitiker*innen der gleichnamigen Partei, erscheint es verwunderlich, dass der Egalitarismus allzuoft am Speziesismus seine Grenze findet.
Warum eigentlich? Sind doch gerade Linke sonst systemkritisch, reflektierend und intellektuell.
(Und liebe nicht-Linke, Antiveganer*innen und Genderfeinde: scrollt doch an dieser Stelle bitte einfach weiter!)
5 Antworten
Weil Linke sehr viele andere pseudomoralische Masturbationsvorlagen haben (Klimarettung, Verhätschelung von "Flüchtlingen", Zeichen-setzen gegen die angebliche "Gefahr" von Rechts usw.), so daß es in der Ernährung dann nicht mehr nötig ist, mit dieser auch noch Moral-Masturbation zu betreiben.
Ich verstehe deinen Ansatz, dass die Ablehnung von Ausbeutung Kernelement linker Überzeugung ist und daher eine Verbindung zum Veganismus hat.
Ich denke aber, dass dieses Schwarz-Weiß-Denken auch nicht richtig ist. Es muss nicht jeder Linke dem Ideal eines perfekten Menschen entsprechen. Ich möchte dir an der Stelle keine Spaltung unterstellen, aber viele linke Gruppen sorgen durch so eine Argumentation - nur deutlich radikaler - dafür, dass „linkssein“ immer schwammiger wird und immer unbeliebter. Wenn wir beginnen zu bestimmen was links sein muss und was nicht, dann sind wir wieder im Identitäts- und Kulturkampf angekommen.
Es gibt Linke, die Interesse am Tierwohl haben und es gibt Linke, die sich in erster Linie für die Gesellschaft an sich und das Wirtschaftssystem interessieren. Veganismus ist am Ende immer noch ein Nischenthema, welches sehr viel Auseinandersetzung und Interesse erfordert.
Ebenso sollte man sich nicht zu sehr auf den intellektuellen Teil des linken Spektrums fokussieren. Es stimmt, dass es viele linksdenkende Intellektuelle gab, die die Welt nachhaltig beeinflussten. Doch gibt es genauso eher rechts denkende Menschen, die ebenso große Denker waren.
Aber das ist nicht der Punkt: Es geht mir eher darum, dass diese Betonung von Intellekt und kognitiver Überlegenheit zum einen wahnsinnig zynisch ist und zum anderen die Mehrheitsgesellschaft per se als minderwertiger einstuft und genau gegen die internationale Solidarität vorgeht, die wir als Linke ja verfolgen. Wir dürfen nicht zu einer möchtegern-Elite werden, die sich an der „Dummheit“ der Gesellschaft ergötzt. Denn genau das macht linke Politik unattraktiv. Linke Politik muss bodenständiger und volksnaher werden. Und das funktioniert nicht, in dem man sich elitär gibt, sondern indem man Politik für die Arbeiterklasse macht, die nicht zwangsläufig aus Akademikern besteht, sondern aus ausgebildeten Arbeitern, die mit einem Hungerlohn nach Hause gehen und durch ihre 40-50 Stunden Woche keine Zeit mehr für politische Bildung haben, geschweige denn für einen Veganismus Workshop.
Man erreicht die Gesellschaft nicht durch Gesellschafts- und Staatstheorie oder Philosophie. Man erreicht sie durch einfachere Sprache und weniger Gequatsche. Die Leute wollen am Ende des Tages fairere Arbeitsbedingungen, mehr netto vom brutto und bezahlbaren Wohnraum sowie mehr Freizeit und niedrigere Lebenskosten.
Vielen Dank für Deine Antwort.
"Ich denke aber, dass dieses Schwarz-Weiß-Denken auch nicht richtig ist."
Gerade im Denken ist Klarheit der einzige Weg, um zu finden, was richtig sein soll. Wenn Denken den Grau-Fehlschluss nicht überwindet, gibt es kein richtig und falsch, sondern nur Beliebigkeit.
"Es muss nicht jeder Linke dem Ideal eines perfekten Menschen entsprechen."
Menschen sind nicht perfekt, daran besteht kein Zweifel. Kein Grund, die Gesellschaft, also die Menschen, verbessern zu wollen.
"(...) viele linke Gruppen sorgen durch so eine Argumentation - nur deutlich radikaler - dafür, dass „linkssein“ immer schwammiger wird und immer unbeliebter."
Ist links nicht eher unbeliebt wegen der Betäubung durch prokapitalistische Propaganda und Indokrination von rechts, als wegen der linken Kernbotschaften? Bedeutet radikal nicht nur einfach klar und konsequent? Radikal ist doch nur, sich in Fragen nach wahr oder falsch und Recht oder Unrecht nicht auf Kompromisse einzulassen, weil die nur bedeuten, Dinge falsch zu machen und Unrecht vor Recht platz einzuräumen.
"Veganismus ist am Ende immer noch ein Nischenthema (...)"
Das System, dem der Veganismus begegnet, ist ein massives Unrechtssystem mit Billionen von Opfern. Ja, in der Wahrnehmung der Menschen ein Nischenthema - wegen der Betäubung durch prokarnistische Propaganda und Indokrination von Seiten der Tierausbeutungsindustrie. Aber gerade Linke sollten doch aufmerken, wenn sie auf diese Parallele gestoßen werden.
"Ebenso sollte man sich nicht zu sehr auf den intellektuellen Teil des linken Spektrums fokussieren."
Da möchte ich widersprechen. Denn Dinge ändern sich zuerst in den Köpfen. Wo die dicht sind, gibt es keine Veränderung. Für Veränderung lohnt es also nur, die offenen Köpfe zu adressieren - und nicht mehr meine ich, wenn ich von Intellekt spreche (bitte nicht mit elitären IQ-Skalen-Phantasien millionenerbender Internatszöglinge vermixen).
"Doch gibt es genauso eher rechts denkende Menschen, die ebenso große Denker waren."
Da melde ich Zweifel an. Wer sich nicht für Unbekanntes und Ungedachtes interessierte, wird auch nichts Neues entdecken.
"Linke Politik muss bodenständiger und volksnaher werden. Und das funktioniert nicht, in dem man sich elitär gibt, sondern indem man Politik für die Arbeiterklasse macht"
Mir erscheint es nicht angemessen, die Einsichtsfähigkeit der Arbeiterklasse in richtig und falsch in Zweifel zu ziehen. Es braucht keine akadamische Bildung, um zu erkennen, dass Ausbeutung schlecht ist und dass Grausamkeit abzulehnen ist. Dazu ist auch kein Veganismus Workshop nötig.
"Man erreicht die Gesellschaft nicht durch Gesellschafts- und Staatstheorie oder Philosophie. Man erreicht sie durch einfachere Sprache und weniger Gequatsche."
Was ist schwierig daran, sich gegen Grausamkeit und Ausbeutung zu positionieren? Die Ausflüchte, die vorgebracht werden, um dies nicht zu tun, verdienen die Einordnung "Gequatsche" wohl eher.
"Die Leute wollen am Ende des Tages fairere Arbeitsbedingungen, mehr netto vom brutto und bezahlbaren Wohnraum sowie mehr Freizeit und niedrigere Lebenskosten."
Ist ja kein Widerspruch zum Thema, also eher ein anderes Thema, oder nicht?
Dass linke besonders intellektuell sind, ist eine Behauptung.
Und mit der Ernährungsform hat das überhaupt nichts zu tun.
Weil wir Politik für Menschen machen, nicht für Tiere und der Durchschnittsarbeiter ist auch eher weniger ein Veganer.
Bevor wir da tiefer reingehen: ist es okay, zu fragen, ob Du Dich bei der SPD als Linker eher an Herbert Wehner oder an Gerhard Schröter orientieren würdest?
was hat denn bitte schön die Ernährung mit den politischen Ansichten zu tun
wäre das so, was würdest du z.B. der FDP zuordnen: Lachschnittchen und Champagner ?
unsere Welt wird wirklich immer verrückter
Veganismus ist keine Ernährungsform. Es ist eine Weltanschauung, die Ausbeutung und Grausamkeit ablehnt und diese Ablehnung auch im eigenen Handeln in die Welt zu bringen sucht. Deshalb kaufen vegan lebende Menschen auch kein Leder o.ä.
Und weil es da um Solidarität mit Opfern geht, statt ihnen ihr Schicksal aus eigener Höherbewertung heraus ohne Gewissensbisse zuzumuten, ist es eine Frage, die linkes (also egalitäres) und rechtes (also elitäres) Denken betrifft, imho.
Da Du schon mit einem Kommentar hier geblieben bist, statt weiterzuscrollen: Veganismus ist keine Ernährungsform. Menschen menschenwürdig zu behandeln, ist kein Verhätscheln. Klimarettung ist leider nicht mehr möglich, wäre aber nicht pseudomoralisch, sondern tatsächlich moralisch und sogar ethisch richtig.