Warum existiert Methanal?

4 Antworten

Gewöhnlich versteht man unter einem primären Alkohol einen, dessen OH-Gruppe an einem primären C hängt. Ein primäres C ist eines, das an genau zwei H-Atome ge­bun­­den ist.

Beim Methanol sind es aber drei H-Atome. Andererseits ist Methanol der einzige Al­ko­hol mit dieser Eigenschaft, und daher gibt es nicht viel Sinn, sich dafür eine neue Be­zeich­nung auszudenken. Deshalb gilt CH₃OH als primärer Alkohol ehren­halber.

Natürlich hat das Konsequenzen: Jedes H-Atom an einem OH-tragenden C-Atom ist oxidierbar. Primäre Alkohole sind zweimal oxidierbar, sekundäre nur einmal und ter­tiäre dreimal. Methanol ist als einziger Alkohol dreimal oxidierbar.

Beim ersten Mal Oxidieren entsteht ein Aldehyd, so wie bei jedem anderen primären Alkohol, nämlich Methanal. Beim zweiten Mal entsteht eine Carbonsäure, auch wie bei jedem primären Alkohol, und das ist die Methansäure. Carbonsäuren sind nicht weiter oxidierbar, zumindest an dieser Stelle.

Bei Methansäure geht es aber nochmal, und man sieht sofort, warum das so sein muß: Die Strukturformel H–CO–OH kann man nicht nur als Carbonsäure lesen, son­dern auch als Aldehyd (fett). Weil eine Aldehydgruppe drin versteckt ist, kann man das Ding nochmals oxidieren, und raus kommt eine COOH-Gruppe, also die Ver­bin­dung HO–CO–OH, bei der das mittelere C sozusagen Bestandteil zweier COOH-Grup­pen ist, einmal links und einmal rechts.

Und was ist diese komische Verbindung HO–CO–OH? Natürlich H₂CO₃, die Kohlen­säure. Und von der wissen wir, daß sie beim Hinsehen in CO₂+H₂O zerfällt, und ge­nau das bekommt man, wenn man Ameisensäure mit etwas ordentlich Oxidie­ren­dem behandelt, z.B. KMnO₄ in saurer Lösung.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Chemiestudium mit Diss über Quanten­chemie und Thermodynamik

Methanol ist sehr wohl ein primärer Alkohol. Denn die Definition ist wie folgt:

Ein primärer Alkohol ist ein Alkohol, bei dem die OH-Gruppe an einem primären C-Atom sitzt. Entsprechend befindet sich bei sekundären Alkoholen die Hydroxy-Gruppe an einem sekundären C-Atom und bei tertiären Alkoholen an einem tertiären C-Atom.

Da es kein "nulläre" Alkohole gibt, zählt Methanol im erweiterten Sinne zu den prim. Alkoholen. Auch hinsichtlich des Oxidationverhaltens.


jaykee07 
Beitragsersteller
 25.04.2019, 19:37

Vielen Dank

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Oft wird Methanol zu den primären Alkoholen gezählt, weil es sich praktisch gleich wie diese verhält. Außerdem ist "nullär" ein selten gebrauchter Ausdruck.

Wenn man es ganz streng sieht, hast du recht - Methanol ist kein primärer, sondern ein nullärer Alkohol (bzw. der einzige nulläre Alkohol), und Methanal entsprechend ein nulläres Analogon (bzw. das einzige nulläre Analogon) zu Ketonen und Aldehyden.

Woher ich das weiß:Hobby – seit meiner Schulzeit; leider haupts. theoretisch

jaykee07 
Beitragsersteller
 25.04.2019, 19:38

Dankeschön!

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Muhtant  25.04.2019, 19:33

Nur verwendet niemand in der Industrie oder in R&D-Sektoren den Begriff "nullär". Auch Fachliteratur verzichtet darauf.

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PWolff  25.04.2019, 19:40
@Muhtant

Ich kenne den Begriff auch nur aus Diskussionen wie dieser hier. Ansonsten kenne ich Methanol auch nur als primär.

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Moin,

also zunächst einmal kannst du aus der Formulierung "Aldehyde entstehen, wenn primäre Alkohole oxidiert werden..." logisch nicht schlussfolgern, dass Aldehyde ausschließlich durch die Oxidation von primären Alkoholen entstehen, verstehst du?! Du kannst schlussfolgern, dass ein Aldehyd entsteht, wenn ein primärer Alkohol (milde) oxidiert wird, aber nicht, dass ein Aldehyd nur aus der Oxidation eines primären Alkohols gebildet werden kann.

Ein Aldehyd ist ein Kohlenwasserstoff, der die sogenannte Aldehydgruppe (–CH=O) besitzt. Damit diese Gruppierung aus einer Oxidation eines Alkanols hervorgehen kann, benötigst du an dem Kohlenstoffatom, dass die alkoholische Hydroxygruppe trägt, außerdem (mindestens) ein gebundenes Wasserstoffatom.
Das ist im Falle von primären Alkoholen der Fall, aber eben auch beim Methanol! Das ist bei sekundären oder tertiären Alkanolen nicht der Fall (weshalb sie nur unter Zerstörung des Kohlenstoffgerüstes oxidierbar sind).

Auf der anderen Seite zählt man Methanol mit zu den primären Alkoholen, obwohl das Kohlenstoffatom im Methanol keine Bindung zu einem weiteren Kohlenstoffatom aufweist (was ja streng genommen die Definition eines primären Kohlenstoffatoms ist). Das kommt daher, dass es "nulläre" Kohlenstoffatome in der Nomenklatur (Benennung) nicht gibt.

Wenn du die Definition eines primären Kohlenstoffatoms trotzdem so einschränkend auffassen willst und Methanol damit aus den primären Alkoholen ausschließt, bleibt immer noch das anfänglich angeführte Argument, dass Aldehyde nicht nur aus der (milden) Oxidation primärer Alkohole entstehen...

Und wenn dich das nicht überzeugt (was dich nahe an einen starrköpfigen und uneinsichtigen Querulanten rücken würde), bleibt noch, dass Kohlenstoff ein Atom ist, das bevorzugt vier Atombindungen ausbildet. Wasserstoffatome gehen gerne einfache Atombindungen ein und Sauerstoffatome bilden bevorzugt zwei Atombindungen aus. Somit lässt sich eine Lewisformel darstellen, bei der ein Kohlenstoffatom mit einem Sauerstoffatom über eine Doppelbindung verknüpft ist, während die beiden noch fehlenden Bindungen am Kohlenstoffatom von zwei Wasserstoffatomen mit jeweils einer Einfachbindung zufriedenstellend ausgefüllt werden können. Somit kannst du ein Methanal-Molekül (H2C=O) formulieren, was zwanglos die Existenz von Methanal erklärt. Die Geschichte mit den primären Alkoholen ist dagegen eine von Menschen gemachte Nomenklatur, auf die Methanalmoleküle "pfeifen"...

LG von der Waterkant