Mein Gott, habe ich "pflegeleichte" Töchter gehabt. Bei mir als Alleinerziehende, bei der das Geld unregelmäßig reinkam (selbständig), war das Geld ständig knapp. Als die beiden richtig rechnen konnten, habe ich ihnen die Haushaltskasse offen gelegt. Ich habe ihnen vorgerechnet, was reinkommt und wie viel jeden Monat an Fixkosten rausgeht. Wenn sie etwas gern haben wollten, dann musste das Geld an anderer Stelle eingespart werden. Das wurde dann gemeinsam beschlossen. Meine beiden stellten deshalb keine unangemessenen Forderungen, schließlich sahen sie ja selbst, wie viel Geld zur Verfügung stand und wie viel man leisten muss, damit Geld in die Kasse kommt.
Als die beiden 14 wurden, trugen sie das Wochenblatt im Dorf aus und übernahmen Babysitter-Dienste bei den Nachbarn. Wenn dann tatsächlich mal in einem Monat das Geld sehr knapp war, überwiesen sie von ihrem Konto die Telefon- oder Stromrechnung oder bezahlten auch mal den Essenseinkauf.
Schon als Kleinkinder halfen sie freiwillig im Haushalt mit. Mein teures Geschirr und die Kristallgläser wurden eben eingemottet und ein Billiggeschirr aus dem Kaufhaus besorgt und aus Billiggläsern getrunken. Wenn dann mal etwas zu Bruch ging, entlockte mir das nur ein: "Nichts hält ewig! Mein Schatz, brauchst Du meine Hilfe beim Aufkehren?"
Meine beiden blieben mit 15 und 16 wochenlang allein zu Hause, weil ich eine Reisetätigkeit angenommen hatte. Ich hatte den beiden eine eigene Karte und den Pincode für mein Konto gegeben, sodass sie vollkommen selbständig einkaufen gingen und das Haus sauber hielten. Wenn ich wieder im Hause war, legten die beiden mir unaufgefordert das Haushaltsbuch mit allen Rechnungen vor und waren stolz darauf, wenn sie günstig eingekauft und gespart hatten.
Noch heute, wo die beiden erwachsen sind, helfen wir uns gegenseitig in der Not aus. Das ist eine Selbstverständlichkeit bei uns. Einer für alle, alle für einen!
Wenn ich so manches Mal die Probleme mit pubertierenden Kindern lese, kann ich nur mit dem Kopf schütteln, denn solche Probleme hatte ich mit meinen beiden nicht. Die sind komplikationslos durch alle Entwicklungsstufen gegangen und Probleme, von denen man so gut wie in jedem Erziehungsbuch liest, habe ich nie kennengelernt. Beide haben nie einen Schnuller genommen, beide hatten keine Fremdelphase und keine Trotzphase, denn sie mussten mir nie ihre Selbständigkeit abtrotzen; ich gab ihnen die Entscheidungen für ihr Leben - natürlich altersgemäß - selbst in die Hand und gängelte sie so gut wie nie. Ich machte höchstens mal Vorschläge oder gab etwas zu bedenken. Das reichte vollkommen aus, die beiden zu lenken und sie zum Mitdenken anzuregen.
Die beiden waren höflich, freundlich, liebevoll, umgänglich und wussten sich zu benehmen. Schon mit meiner Dreijährigen konnte ich in ein Kirchenkonzert gehen und sie lauschte andächtig einem Zweistundenkonzert (sie hat später Musik und Gesang studiert).
Verbote sprach ich gar nicht aus. Wenn etwas absolut nicht ging, dann erklärte ich kurz und knapp den beiden den Sachverhalt, sodass die beiden aus Einsicht folgten und nicht aus Angst vor Strafe. Bei uns ging's stets locker, freundlich und fröhlich zu. Bei uns wurde weder gestraft noch gedroht, noch herumgeschrien. Wir vertrauten uns gegenseitig bedingungslos.
Kinder sind Kinder und sollen auch Kinder sein dürfen, jedoch verstehen Kinder sehr viel mehr, als Erwachsene ihnen zugestehen wollen. Meine beiden haben mit 1,5 Jahren über ihr Schlafbedürfnis und später über ihre Schulwegsentscheidungen selbst bestimmt. Ich habe mich nie um ihre Hausaufgaben kümmern müssen. Wenn sie Hilfe brauchten, haben sie diese abgefordert. Beide haben mit Bravour ihr Abi gemacht und beide haben aus eigenem Antrieb heraus studiert und sich ihr Studium auch selbst verdient.
Wenn Ihr Eure Kinder unselbständig haltet, Ihnen die Eigenverantwortung nehmt, sie bevormundet, ständig gängelt, dann benehmen die sich auch entsprechend unreif. Ich habe bei meinen beiden immer auf Verstand und Vernunft gesetzt und mich auf ihr Wort verlassen. Beide haben mich nie enttäuscht.
Also, liebe Eltern, "Erziehung" geht wahrlich anders!