Wurden englische Begriffe in der Alltagssprache der DDR verwendet?
Heyhey,
ich schreibe gerade ein Paper über eine Buch-Zensorin in der DDR. Nun ist mir aufgefallen, dass in ihren Gutachten (Mitte 50er bis Ende 60er) viele englische Begriffe auftauchen (z.B. 'Girl', 'Story', 'Gag', 'Auspowerung').
Zum einen war die Dame sehr anti-kapitalistisch eingestellt, zum anderen ist sie definitiv nicht in der DDR zur Schule gegangen (1897 ist sie geboren). In Anbetracht des kalten Krieges und dem damit einhergehenden Verhältnis der DDR zu den Alliierten, hätte ich solche Worte bei einer regimetreuen Zensorin also nicht erwartet.
Meine eigentliche Frage an alle, die in der DDR groß geworden sind: Wurden solche Anglizismen (wie man sie auch heute benutzt) in der Alltagssprache der DDR gebraucht oder waren sie verpönt? Und gab es eventuell doch Menschen, die Anglizismen benutzten - welchen Hintergrund hatten die (Politiker??)?
7 Antworten
Oh yes; wir haben z. B. gesagt:
"mai hemmd is gledschness" oder
"heff ju ä worderklosedd or shidd ju off emmer".
Solche Anglizismen wurden genau so gebraucht wie in der damaligen BRD, vielleicht ein wenig quantitativ unterschiedlich, weil sich Sprache immer an den realen Gegebenheiten orientiert und bestimmte Begriffe aus dem BRD-Deutsch und damit auch deren "Veranglisierung" eben in der DDR gar nicht bekannt waren: z. B. "hardcore-por.no", "headhunter", "workaholic", "mortgage debenture" (u. a. Fachbegriffe aus der Finanzwelt), "outsourcing", uvam.
Die an der Regierung waren, mochten Anglizismen absolut nicht, sozusagen aus politischen Gründen. Das war aber für die Bevölkerung nur ein Grund, sie nun erst recht zu verwenden!!! Kein Schwein hat Brettsegeln gesagt, immer surfen!!! Ebenso die andern Worte, Kassettenrecorder, Broiler, cool, Computer Knowhow usw. Mfg
nein, die einzigen, die englisch sprachen waren die englisch-lehrer und -schüler. :)
in der ddr gab es für alles einen eigenen und völlig einzigartigen wortschatz. da waren anglizismen vollkommen unnötig.
hab dir hier mal was rausgepobelt:
Brettsegeln – offizielle Bezeichnung für Windsurfen
Brigade – kleinstes Kollektiv im Produktionsprozess, eine für einen bestimmten Bereich verantwortliche Arbeitsgruppe
Broiler, auch Goldbroiler – Brathähnchen
Bruderländer – Bezeichnung für sozialistische ('gleichgesinnte') Länder
Bückware – begehrte Artikel, die nicht in den Regalen, sondern vor den Blicken der Käufer verdeckt unter dem Ladentisch lagerten (und zu denen sich der Verkäufer bücken musste).
http://de.wikipedia.org/wiki/Sprachgebrauch_in_der_DDR#Liste_DDR-typischer_W.C3.B6rterundNeusch.C3.B6pfungen
nein, anglizismen waren echt nicht nötig :) das beste beispiel ist surfen
lg :)
Das einzige Wort, das hier rausfällt, ist "Broiler". Das ist nämlich ein Anglizismus. Ich habe mich schon immer gefragt, warum dieses Wort verwendet wurde.
Sorry Snugata - in den 80ern hat die Jugend durch Musik, Technologie und aufkommende Computer längst genauso halbenglisch gelabert wie der Rest der Welt. Im "Business" gabs das natürlich nicht, aber der Seniorconsultant kam eh erst in den späten 90ern auf.
Ok, in Sachsen hörte sich das alles noch ein wenig weniger englisch an, aber trotzdem ;-)
heu jorgfried - hallöchen
du musst dich echt nicht entschuldigen, das hat sicher auch jeder anders erlebt. ich hab keine ahnung wie alt du bist, aber ich kenne diese begriffe alle erst seit nach der wende
das einzige, was ich noch so in der edv-branche (xD) mitbekommen habe, war basic und pascal, einfach unglaublich!
in sachsen konnte man in den 90er so richtig sänglisch breien - du glaubst nicht, wie peinlich das war. ich war noch recht jung und bekam beim puren hören drahthaare :)
ich wünsch dir noch viel spaß :)
äscha, nach preussen?! - vorrädor!
dutt mor äschd leid fier dich :)
aber angeregt von dieser niedlichen frage, bin ich gestern noch drauf gekommen, dass es doch noch was gab - eine kosmetikserie namens: action :) (sächsisch: ägdschn xD).. und wir sind getrampt (dafür gab es kein anderes wort)
desweiteren hab ich mal so überlegt, was wir so im sprachgebrauch hatten..
wir waren nicht campen, sondern zelten;
es gab keine high-heels, sondern absatzschuhe ("salamander" waren die begehrtesten)
wir haben nicht recycelt, sondern altstoffe gesammelt (was nebenbei bemerkt auch sehr lukrativ war )
die landwirtschaft wurde im sprachgebrauch als kolchose bezeichnet (was sachlich eigentlich nicht 100%ig richtig war. die älteren leute sagen das auch heute noch)
ein ärztehaus war eine poliklinik
es gibt noch viele bsp. - die ddr war eben sehr speziell :)
vielen dank für diese herrliche frage xD
lg :)
Haha, danke - und bitte, gern geschehen :)
Danke für die interessanten Kommentare!!! Aber nur für mich: Ihr habt also ganz bewusst erst die 80er Jahre in der DDR miterlebt, ja?
Denn leider war meine Zensorin vor allem in den 50er/60er Jahren aktiv. Aber schön, dass euch das Erinnern Spaß gemacht hat :D
hihi :)
hab mal mit meinen eltern gesprochen.. sie haben nicht nur sehr viel gelesen, sie waren viel unterwegs und haben auch vieles erlebt.
sie haben mir versichert, dass es auch zu dieser zeit (abgesehen von musiktiteln und interpreten und evtl modetänzen) keine anglizismen gab..
da englisch in ihrer generation kein schulfach war, konnten die meisten eben auch nix mit der sprache anfangen.. wir hatten immer sehr viel spaß, wenn meine wirklich gebildeten eltern englische namen oder titel vorlasen -- oh man, gleich bekomme ich wieder einen lachkoller :)
für mich ist das die logischste erklärung.. es wäre vielleicht noch vorteilig, herauszufinden, ab wann das fach englisch in den schulen (POS) bzw. beim abi (EOS) eingeführt wurde
vielleicht hilft dir das ja ein wenig weiter.. immerhin haben wir deine frage als kleine ausflugsplattform genutzt :)
lgchen :)
Ach cool! Danke für den Wikipedia-Link, seltsam, dass ich den einfach mal nich gefunden habe???!! Danke!
Wir haben in der DDR, gelebt nicht hinter dem Mond. Natürlich gab es auch in der DDR Anglizismen. Das beste Beispiel dafür ist doch Inter-Shop. Wer meint es wurden solch vollkommen unsinnige Begriffe gebraucht, wie uns heute weiß gemacht werden soll, hat von der DDR keine Ahnung.
Naja, ganz so eindeutig scheint das gar nicht zu sein. Dass solche Lehnwörter in den 80ern gängig waren, allein schon druchs Westfernsehen, finde ich auch noch absolut nachvollziehbar.
Aber die Frau, um die es geht, hat ja Bücher in den 60ern (!) (re)zensiert und auf ihren ideologischen Zusammenhang abgeklopft. Ihr Job war also 'saubere' und vor allem (im weitesten Sine) 'regimetreue' Sprache. Da sind Anglizismen schon auffällig.
Plus ich habe auch schon mit Menschen gesprochen, die in den 60ern/70ern groß geworden sind (in Ost-Berlin), die ganz klar gesagt haben: Sowas durften wir gar nicht sagen.
Von daher wollte ich mal ein paar andere Meinungen hören, um in die richtige Richtung zu recherchieren.
Okay, wenn du 40 Jahre DDR und 16 Mio. Bürger auf eine Person reduzierst dann war es wohl so. Soll übrigens heute auch Leute geben die der Meinungs sind wir dürfen solch böse Worte nicht sagen, habe da letztens so einen getroffen. Darf ich sie nun nicht mehr benutzen.
40 Jahre x 16 Mio. Ew. => Alltagssprache
Der einzige der hier grade pauschalisiert, bist du doch. Ich habe doch gerade erklärt, dass ich einfach ein paar Meinungsbilder von anderen Menschen hören wollte, um mich nicht auf irgendeinen vagen Blödsinn festzulegen.
Und überhaupt, wenn du die Frage schon unsinnig findest, warum antwortest du dann nur um zukacken?
Ja, klar gab es Anglizismen und zwar jede Menge. Mir fallen gerade ein: Combine (Maehdrescher), Broiler (Haehnchen), Dispatcher (jemand, der fuer die zentrale Lenkung und Kontrolle des Arbeitsablaufs - workflows - in der Produktion und im Verkehrswesen zustaendig ist), diese kamen ueber das Russische. Und dann gab es noch direkte Entlehnungen aus dem Englischen oder Neuschoepfungen aus der DDR wie Intershop (Geschaeft fuer den Verkauf von auslaendischen Waren). Feature, Show, Fan, Camping. Rallye, Make-up usw.
Darueber hinaus gab"s Mischwoerter (Denglisch) Vietnam-Killer, Luftgangster, High Society, Kongress-Lobby, Manager, Gewerkschaftsboss usw. mit politischen negativen Konnotationen. Natuerlich gab es noch die Woerter, die vor 1945 entlehnt wurden.
Ich erinnere mich nur an die zunehmende Bedeutung der englischen Sprache, weshalb (fast) jeder DDR Bürger auf die Frage, "Do you speak english!" in bestem Oxford-English antworten konnte: "jäs än paar brooken!"