Würdet ihr Nietzsches Ansicht unterstützen?

10 Antworten

Wer Nietzsche ernst nimmt, wer ihm glaubt, ist verloren! Das hat einmal Thomas Mann gesagt. Bestätigt wird diese Auffassung durch Nietzsche selbst. So hat er bei seinen Lesern den ironischen Vorbehalt für sein Werk eingefordert, es sei ’durchaus nicht nötig, nicht einmal erwünscht, Partei ... für mich zu nehmen: im Gegenteil, eine Dosis Neugierde, wie von einem fremden Gewächs, mit einem ironischen Widerstande, schiene mir eine unvergleichlich intelligentere Stellung zu mir’ (s. Zitat bei Rüdiger Safranski, S. 310). Damit hat Nietzsche selbst zu erkennen gegeben, dass seine Philosophie eigentlich nur eine Art Gedankenspielerei ist, dass er sie nur als „Diskussionsgrundlage“, auf keinen Fall aber als ideologisches Programm aufgefasst wissen wollte. Dieses Zitat bestätigt auch die Meinung von Gunzelin Schmid Noerr (in „Geschichte der Ethik“), der sagt, man dürfe Nietzsche auf keinen Fall wörtlich nehmen. „Man kommt seinen eigentlichen Intentionen nur dann auf die Spur, wenn man erkennt, dass dort nichts als unmittelbar geltend behauptet wird, vielmehr alles auf ein kritisiertes Gegenüber bezogen ist.“

Nichtsdestoweniger muss man fragen, was Nietzsche heute noch so bedeutend und berühmt macht. M.E. ist es gerade seine Lehre vom Willen zur Macht. Sie ist nicht etwas, was Nietzsche – wie einige sagen – in unzulässiger Weise verabsolutiert hat, was er also gewissermaßen falsch gesehen hat, sondern es ist etwas durch und durch Reales, um nicht zusagen: Herrschendes.

Man gucke sich um! Was ist der entscheidende Antrieb in den Menschen? Moral, Humanität, Nächstenliebe? Nein, jeder will in seinem Leben an Macht gewinnen, das heißt seine Talente entfalten, seine Fähigkeiten ausspielen, besser sein als der andere, und dann möchte er seine Erfolge stolz herumzeigen. („Man befördert sein Ich stets auf Kosten des Andern“, sagt Nietzsche).

Andererseits: wenn man sieht, welche ungeheuerlichen Konsequenzen der Nietzsche-Nihilismus nach sich zieht, dann müsste jeder halbwegs vernünftige Mensch sagen: Das ist nicht ernst zu nehmen! Erst recht, wenn man sich die folgenden Nietzsche-Sprüche ansieht: „Jene ungeheure Größe zu gewinnen, um, durch Züchtung und andererseits durch Vernichtung von Millionen Missratener, den zukünftigen Menschen zu gestalten und nicht zugrunde zu gehen an dem Leid, das man schafft und dessen gleichen noch nie da war“ („Wille zur Macht“, Nr. 964; übrigens lässt hier auch die berüchtigte Himmler-Rede in Posen grüßen!); oder: „Die Schwachen und Missratenen sollen zugrunde gehen, erster Satz unserer Menschenliebe, und man soll ihnen noch dazu helfen“ („Antichrist“, Anfang). In „Jenseits von Gut und Böse“ (Nr. 265) heißt es: „Der Egoismus gehört zum Wesen der vornehmen Seele“. Nicht nur Robert Nachtwey („Der Irrweg des Darwinismus“, Berlin 1959) fragt sich da, wie weit die nervenkranke Phase dieses Philosophen eigentlich zurückreicht. Sicher hat Nietzsche – und dafür ist er berühmt – viel Erhellendes über die Welt und das Leben gesagt; aber wenn er (wieder im „Antichrist“) meint: „Was ist schädlicher als irgendein Laster? Das Mitleiden der Tat mit allen Missratenen und Schwachen – das Christentum“, dann kann man nur (milde) sagen: Die Flügel des Wahnsinns flatterten schon bedenklich. Außerdem: wie kann man nur so über eine Religion urteilen, für die die Nächstenliebe eine der wichtigsten Grundlagen darstellt. Nur wenn man sagt: Das ist doch alles nur eine Gedankenspielerei, die durchaus Erhellendes zum Rätsel des Menschseins beiträgt, kann man so etwas - sagen wir einmal: interessant finden.

Woher ich das weiß:Recherche

Nietzsche diagnostizierte den Tod Gottes, das heißt den Tod der christlichen Metaphysik, die Gott als den „Ursprung allen Seins“ betrachtete und ihn durch abstrakte Begriffe wie „unendliches Sein“, „höchstes Sein“ oder „erste Ursache“ (causa prima) zu definieren suchte. Seiner Meinung nach ist dieses Unterfangen gescheitert. Hinzu kommt, dass Nietzsche in einem evangelischen Pfarrhaus aufwuchs und einige Semester evangelische Theologie studierte, aber schnell feststellte, dass die Lehre des Christentums (Bibelkritik, historischer Jesus etc.) verlogen sei. Denn die christliche Lehre besagt, dass der Mensch immer ein Sünder vor Gott ist und nur durch die Gnade Gottes allein gerechtfertigt werden könne. Es ist daher auch vollkommen verständlich, dass Nietzsche die christliche Religion als eine „Sklavenmoral“ entlarvt, die dem Menschen nur seine eigene Sündhaftigkeit vor Augen führt und ihn vor einem allmächtigen und unendlichen Gott erzittern lässt. Dieser Gott der christlichen Metaphysik, so Nietzsche, ist tot! Er hat keine Macht mehr über uns, und nun ist der Mensch ganz auf sich selbst gestellt und muss seine ihm eingeimpfte „christliche Sklavenmoral“ ablegen, indem er sich nach einem neuen Ideal des Übermenschen ausrichtet, um sich von den Fesseln der Religion gänzlich zu befreien. Nietzsche hat meines Erachtens jedoch nicht erkannt, dass er mit seiner Lehre vom Übermenschen eine neue Religion geschaffen hat, die totalitäre Züge der Inhumanität aufweist. Alles Schwache und Kranke wird verworfen, sodass die NS-Tyrannei sich allzu gerne in ihrer menschenverachtenden Ideologie auf Nietzsche berief. Nietzsche nahm dies jedoch bewusst in Kauf und meinte lapidar, wer groß denke, denke gefährlich.

Nietzsche's Ansichten sind kontrovers und haben viele Diskussionen ausgelöst. Das Problem bei ihm ist das er oftmals viel Meinung und doch so wenig Ahnung hatte.

Worauf sich Nietzsche ja bezieht ist die Nächsten und Feindesliebe die Christen zu einem art passiven Prügelknaben machen wurden?!

Ich denke das er das Konzept der Christlichen Nächstenliebe nicht im Detail verstanden hat!

Nächstenliebe ist die aus der Liebe zu Gott genährte und an der Selbstliebe orientierte Zuwendung zum Mitmenschen. Nach dem Neuen Testament bekräftigt Jesus Christus dieses alttestamentliche Gebot und verleiht ihm gleichzeitig eine entscheidende Neubestimmung, indem er die Nächsten- zur Feindesliebe erweitert.

Die Gebote: Du sollst nicht ehebrechen, du sollst nicht töten, du sollst nicht stehlen, du sollst nicht begehren! und was es sonst noch an Geboten gibt, werden ja in diesem einen Wort zusammengefasst: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Die Liebe fügt dem Nächsten nichts Böses zu. So ist die Liebe die Erfüllung des Gesetzes.

Was er aber scheinbar auslässt ist die Selbstliebe. Aber ohne Liebe zu dir selbst kannst du selbst nicht lieben. Das bedeutet, ein Christ lässt sich nicht alles Gefallen.

Leider verwechseln wir manchmal "sich wehren" mit "sich rächen". Tut ein anderer uns Unrecht, soll er dafür bezahlen: Solche spontanen Rachegefühle sind nachvollziehbar. Aber wenn wir Rache ausleben in der Hoffnung, dass unser Schmerz heilt, täuschen wir uns. Das Gegenteil ist der Fall: Rache eskaliert und hinterlässt viel Zerstörung. Wie viele Beziehungen sind schon an diesem Kreislauf des Wie-du-mir-so-ich-Dir zugrunde gegangen! Rache Gelüste entsteht immer durch das eigene Versagen zu sich zu stehen in dem Moment wo uns Unrecht angetan wird. Nicht aber wenn wir in dem Moment des Unrechts zu uns selbst stehen.

Aus welcher Motivation heraus handeln wir? Wer sich später Rächen möchte, kann leicht dahin kommen, dass er selber Unrecht tut. Das Christentum sagt lediglich das Gott nicht will, dass wir uns selber rächen. Den Ausgleich von Recht und Gerechtigkeit sollen wir ihm überlassen. Also doch einfach hinnehmen, was andere tun? Nein!

Der Verzicht auf Vergeltung schliesst nicht aus, Grenzen zu setzen! Wer nicht nein sagen kann, fühlt sich durch andere ständig unter Druck gesetzt. Er ist nur ein Opfer des Moments, ein Mensch ohne eigene Persönlichkeit. Es ist gerade die Fähigkeit, angemessene Grenzen zu ziehen, der Frust verhindert oder abbaut. So schützen wir uns selbst ohne Rache und Vergeltung. In dem Moment wo uns Unrecht angetan wird setzen wir eine Grenze und dieser kannst und darfst du als Christ auch Nachdruck verleihen. Du musst es nicht jedem Menschen recht machen und dabei auf deine eigene Bedürfnisse verzichten und zu jedem freundlich sein der selbst mit Gottlosigkeit durch das Leben geht.


Der arme Junge, seine Ansichten sind für die Tonne. Meine Meinung.

Ich würde es nicht "Sklavenmoral", sondern "soziales Verantwortungsbewusstsein" nennen.

Für seine Erklärung müsste aber "Schwäche/Stärke" erstmal kontextgerecht definiert werden.


1Siuto  17.06.2024, 21:28

Man kann hier "Schwach" und "Stark" auf die Biblische Definition beziehen.
Nietzsche hat für eine Zeit Theologie studiert.

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1Siuto  18.06.2024, 17:19
@KlausvonAndern

Offensichtlich übersteigt die Macht des Geistes die des Fleisches, wie Paulus sehr deutlich schlussfolgert.

Wie soll materieller Besitz zu geistigem Reichtum führen?

Und auch Jesus hat dies gesagt:

"Denn wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden."

Gottes Macht wird dich erniedrigen, wenn du dich selbst über dich selbst stellst.

Und auch im dritten Buch Mose, wird das jüdische Sklavenvolk aus den Händen der Ägypter befreit. Steht nicht offensichtlich das gläubige Volk über der Herrscherklasse?

Wo siehst du hier "Macht" als entscheidenden Faktor? Und wer Gott hat, der ist nicht Mächtig, sondern den bemächtigt Gott in seinem Namen zu handeln.
Paulus sagte "Diejenigen, die schwach sind, werden am Ende doch die Starken sein, weil Gott mit ihnen ist"
"Es macht mich nicht klein als Mann, dass ich in manchem schwach bin. Weil ich gerade dann von Gott getragen bin."
Wo kannst du aus irgendeinen dieser Geschichten herausfiltern, dass Macht gleich Stärke ist?

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KlausvonAndern  18.06.2024, 17:31
@1Siuto

1. wo schlussfolgert er das?

2. Thema verfehlt.

3. Ja, das besagt, dass wir uns Macht und Stärke nicht selbst geben können.

4. Huch, das kenne ich aber nur aus dem 2. Buch Mosis. Das Volk wird durch höhere/stärkere Macht befreit. Wo das Volk steht, ist unerheblich.

5. Ist prinzipiell dasselbe wie 3.

Ich habe nicht behauptet, es aus diesen Geschichten zu filtern. Ist ja ein dickes Buch, wo noch mehr drinsteht als diese paar Sätze.

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1Siuto  18.06.2024, 17:46
@KlausvonAndern

"der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach"

"2." war immernoch bezogen auf "1."

auf "3." und "5." und "4."
"Jedes Tal soll erhöht und jeder Berg und Hügel erniedrigt werden; was uneben ist, soll gerade werden, und was hügelig ist, zur Ebene!"
Exakt. Somit ist nicht der Stark, der Macht hat, sondern der Stark, der Glauben hat.
Denn die Macht kommt alleine durch den Glauben.

Wo steht denn nach dir, das Macht = Stärke ist?

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Hallo Edward,

Nietzsches Aussagen werden sehr oft so stark vereinfacht / abgespeckt, dass von dem eigentlichen Sinn garnichts mehr übrig bleibt.

Wer Nietzsches verstehen will, wie er wirklich war, muss seine Bücher lesen.

z.B. sagte Nietzsche: "Gott ist tot" ....

... und alle Denken: "Ah Nietzsche glaubte nicht an Gott...."

DREI Worte aus einem kompletten Buch heraus gerissen... und DARÜBER wird jetzt diskutiert?

Lest doch mal weiter:

"Gott ist tot. Gott bleibt tot! Und wir haben ihn getötet! Wie trösten wir uns, die Mörder aller Mörder? Das Heiligste und Mächtigste, was die Welt bisher besaß, es ist unter unseren Messern verblutet."

Klingt das immer noch nach Unglaube? Oder will uns Nietzsche nicht mit unserer Schuld konfrontieren, das wir Menschen Gott auf der Erde getötet haben?


Edwards5726 
Beitragsersteller
 19.06.2024, 14:16

Ich weiß. Aus seiner Parabel hast du zitiert. Klar, Nietzsche will darauf aufmerksam machen, dass immer mehr Menschen den Glauben an Gott verlieren und sich damit die Werte und Normen in der Gesellschaft verändern würden.

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GandalfAwA  19.06.2024, 14:23
@Edwards5726

Ja... 🙏 😊

Ich muss zugeben dass ich selbst Nietzsche für viele Jahre falsch eingeschätzt hatte, bis ich mal einen größeren Artikel von ihm gelesen hatte, wo ich verstanden hatte, wie er wirklich ist. 😊💖

Man darf eigentlich NIE lesen was andere Leute über xxxxxx sagen, sondern immer die Schriften von Person xxxxxx selbst lesen. Sonst bekommt man schnell einen falschen Eindruck: Falsch zitiert / unvollständig / falscher zusammenhang / was weggelassen das wichtig ist, usw. 🙏

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Was Du übrigens zitiert hast über „Sklavenmoral“ - ich wette da muss man auch tiefer einsteigen, was Nietzsche damit genau (und in allen Details) mit gemeint hat. 🙏

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