woher wissen elektronen den "einfachsten" weg?

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Diese Annahme bzw. Frage beruht auf dem grössten Lehr-"Irrtum" der Elektrotechnik.
Die oft gehörte Aussage "Der Strom wählt den Weg des geringstens Widerstandes"
ist sachlich falsch.

Der Strom "wählt" nicht, er fliesst. Wie Wasser. Elektronen müssen nicht "entscheiden" und auch nicht "kommunizeren", es ist einfach wie in einem Menschengedränge: jeder Ausgang wird benutzt, die kleineren von wenigen Leuten, die grossen von vielen Leuten.

Der Strom "wählt" also nicht nur jenen Weg des geringsten Widertsandes, sondern "lieber" (mit höherem Anteil) jenen mit dem geringeren Widerstand.

Eben wie Wasser:
Angenommen du hast ein Flachdach mit einem winzigen Loch.
Überall am Dachrand hat es sehr dicke Abflussrohre. Was passiert?
-> Das meiste Wasser wird durch die dicken Rohre abfliessen, aber das Dach rinnt trotzdem! Sogar dann, wenn du die Rohre noch zahreicher oder noch grösser machst. Ein winziger Teil des Wassers geht eben doch durch das Loch. Da braucht es keine Kommunikation unter den Wassermölekülen, es ist einfach ein Verteilungsphänomen.

Genau so ist es beim Strom: durch den kleineren Widerstand fliesst der grössere Strom, aber auch im grössten Widerstand fliessst noch anteilsmässig ein Strom.


WalterE  29.11.2019, 17:28

wobei diese Personifizierung auch in Chemie oder Biologie total üblich sind, auch wenn sie falsch sind. Aber ein Säugetiergehirn denkt sich eben so leichter ;)

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Das hängt mit Übergangswahrscheinlichkeiten zusammen. Im räumlich periodischen Leiter ist die Übergangswahrscheinlichkeit hoch, da sich jeder Ort gleich für das Elektron anfühlt, ähnlich wie auch im leeren Raum.

Widerstand entsteht durch Störungen in dieser Periodizität und macht sich durch geringere Wahrscheinlichkeit bemerkbar.

Die Wahrscheinlichkeiten kannst du nun ausmultiplizieren und ommt auf eine Gesamtwahrscheinlichkeit für jeden Weg. Die Wahrscheinlichkeit für den periodischeren Weg ist einfach höher.


PeterKremsner  28.11.2019, 01:06

Das "lustige" daran ist aber eigentlich, dass sich der Stromfluss in solchen Strukturen überhaupt erst durch den Elektrischen Widerstand ergibt.

Ohne Widerstand würden die Elektronen nur eine Blochoszillation durchführen sich im mittel aber nicht bewegen. Die Driftgeschwindigkeit ergibt sich demnach aus der Streuung eines Elektrons am Gitter.

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Ladungsträger erfahren im elektrischen Feld eine Kraft aufgrund von Potentialunterschieden. Für e- stellt der +-Pol eine attraktives Potential da, so möglich, bewegt sich das Elektron auf direktem Weg zum +-Pol. Innerhalb eines Leiters kann es sich dann nur entlang des Leiters bewegen.

An einem Widerstand fällt bereits ein Teil des gesamten Spannungspotentials ab. Je größer der Potentialabfalls (= um so größer die über den Widerstand abfallende Spannung) ist, um so geringer wird die elektrische Kraft auf e- vor dem Widerstand. Habe ich einen großen Widerstand (viel Ohm) und einen kleineren Widerstand (weniger Ohm), fällt am großen mehr Spannung ab, vor dem Widerstand erfährt ein Elektron also eine geringere, elektrische Kraft. Und beim kleineren wirkt auf die Elektronen die größere Kraft. Und damit werden (umgekehrt proportional zu den Widerstandswerten) mehr Elektronen zum kleineren Widerstand hingezogen.

Anmerkung 1: Dafür ist die Geschwindigkeit nicht relevant, nicht mal Lichtgeschwindigkeit. (Im verwendeten Modell werden die Kräfte als unmittelbar sofort wirkend angesehen, was für die Elektrodynamik hinreichend ist.)

Anmerkung 2: Eine "Kommunikation" der Elektronen untereinander würde zu quantenmechanischen Betrachtungen führen, die hier nicht erforderlich sind. (Eher wären hier elektro-thermodynamische Betrachtungen relevant, was aber erst einmal auch zu vollständig wäre.)

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung

Die gängigste Vorstellung die ich kenne ist die eines Elektronengases. In Metallen ( (bzw in metallischen Modifikationen) können sich diese Elektronen relativ frei bewegen. Der Widerstand bedeutet nun sozusagen eine Verengung des Durchlasses. Der eine weg ist nur minimal verengt - 1Ohm, der andere um zwei Zehnerpotenzen enger. Da pfeift dann natürlich das Gas durch das große Rohr, während nur ein feiner Luftzug auf der anderen Seite feststellbar ist. Eventuell findest Du von der IEEE oder dem deutschen Projekt eine schöne Visualisierung und Erklärung auf youtube.

Das elektrische Feld breitet sich mit Lichtgeschwindigkeit aus. Die Elektronen spüren das elektrische Feld. Das gilt schon in der klassischen Physik. Ausserdem haben die Elektronen ja selbst ein elektrisches Feld. Wenn sie sich bewegen, verändert sich auch dieses. Dadurch 'wissen' die Elektronen, wo schon genug andere sind. Die Elektronen bewegen sich aber wesentlich langsamer.