"Wo ein Genosse ist, da ist die Partei. Wo 20 Genossen sind, da ist der Intershop"- DDR Witz Erklärung?

4 Antworten

Den kannte ich noch gar nicht (und ich kenne eine Menge DDR-Witze).

Der erste Satz war eine von der SED ausgegebene Parole, die man als Losung an Betrieben usw. lesen konnte. Statt Werbung, wie heute, gab es in der DDR viele Propagendaplakate, und dieser Spruch ist mir noch geläufig.

Der zweite Satz zieht den ersten ins Lächerliche und verweist auf die Realität, nach der viele treue Genossen so linientreu nicht waren, sondern ebenfalls mit Westgeld im Intershop einkauften (egal, ob es von der Verwandtschaft stammte oder vom Betrieb ausgezahlt wurde. Ich habe auch gelesen, dass viele Stasi-Mitarbeiter, die keine Westkontakte haben durften, einen Teil ihres Einkommens in Westgeld ausgezahlt bekamen, um nicht gegenüber der normalen Bevölkerung im Nachteil zu sein). Und ja, im Intershop konnte man nur mit konvertierbarer Währung einkaufen, nicht mit unseren Alu-Chips.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

Ich denke, der Witz soll die Heuchelei des Systems aufdecken. "Wo ein Genosse ist, da ist die Partei", war vorgegebener Partei-Usus, also politisch korrekt.

Das jeder Genosse aber auch sein Ego hat, wird jetzt dadurch verdeutlicht, dass er sich einen "feuchten Kehricht" um Parteidoktrien schert, wenn er die Möglichkeit hat, mal so richtig schön mit Westgeld einkaufen zu können.

Dass Genossen über mehr Westgeld verfügten als die anderen DDR-Bürger, kann ich nicht bestätigen. Da gibt es keinen Zusammenhang.

Der erste Satz drückte aus, dass jeder Genosse, daher jedes SED-Mitglied, wo es sich gerade aufhielt, die Position der SED vertreten sollte.

Der zweite Satz drückt aus, dass sich SED-Genossen häufig durch Besitz von Westwährung vom Rest der DDR-Bevölkerung abhoben - und daher im „Intershop“ einkaufen konnten.

Weitere Informationen:

https://zzf-potsdam.de/de/forschung/projekte/wo-ein-genosse-ist-da-ist-die-partei

https://www.ddr-wissen.de/wiki/ddr.pl?Intershop/Erlebnisbericht

Gruß, Martin Harwig

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands.

Intershop waren Verkaufsstellen in der DDR, in der man für Westgeld (DM), Westware kaufen konnte. Westgeld war legal schwer zu bekommen, aber wenn man Beziehungen hatte. Der "Witz" unterstellt, dass Genossen stehts diese Beziehungen hatten und entgegen der offiziellen Lesart gerne das Westangebot in Anspruch nahmen.

Der Witz koketiert gleichzeitig mit dem Anspruch des Staates und der davon abweichenden Lebenswirklichkeit der Staatsträger.

Ich halte diese Konstruktion nur für mäßig witzig,.