Wie wurden Frisuren vor der Erfindung des Haarsprays fixiert?
Haarspray soll es seit 1955 geben, "heute bekannte" Haarfestiger angeblich seit den 1940er Jahren. (Aus Wikipedia)
Mir scheint es aber unmöglich, dass die Frisuren vor dieser Zeit einfach ohne irgendein Hilfsmittel frisiert wurden. Insbesondere solche lockeren Hochsteckfrisuren die gerade im 19. - Anfang 20. Jahrhundert oft in Mode waren bekommt man doch nicht einfach so hin. Gab es damals also ein Mittel, das weder Spray noch Festiger war, und das der Frisur Halt gab? Oder wie kamen die Frauen zu ihren Frisuren?
5 Antworten
Ich höre von Leuten ein oder zwei Generationen vor mir, immer wieder beispielsweise von Bier und anderen heute kurios anmutenden "Festigern".
Glaube ich dir gern! Man hat sicher vieles ausprobiert und genommen was gerade da war!
ich vermute mal: Zuckerwasser.
bzw. überhaupt Stärke. Man stärkte ja auch Röcke und Untersetzer, Krägen und Spitzen.
In Deutschland vermutlich Kartoffelstärke. In Italien hat man Reisstärke verwendet. Stärke kann man aber auch aus Mais und allen anderen stärkehaltigen Pflanzen gewinnen.
Diese Stärke wurde dann aber wieder ausgewaschen, oder nicht? Ansonsten gibt das doch weiße Farbe (jedenfalls habe ich einmal gelesen, dass das Puder im 18. Jahrhundert praktisch Stärke war, aber irgendetwas muss man dann ja ab dem 19. Jahrhundert geändert haben - schließlich gab es da wieder natürliche Haarfarben)
Die weiße Farbe war vor allem mit den früher üblichen Perücken verbunden (in England bis heute in Gerichten oder bei royalen Märchenauftritten zu sehen). Das Puder, mit dem Perücken weiß gepudert wurden, bestand vor allem aus Talk, einem Mineral, das in pulverisierter Form auch als Talcum bezeichnet wird und bis heute Basis für verschiedene Puder, z.B. für Babys, ist. Die Perücken wurden zuerst mit einer Stärkelösung gestärkt, um dann nach dem Trocknen mit Talcum weiß gepudert zu werden. Stärke von Kartoffeln, Reis oder Mais muss gekocht werden, damit sie ihre Kraft entfalten kann. Ein lustiger Selbstversuch: Ein zwei Kartoffeln in den Entsafter geben (am beste ein Spindelentsafter) und den gewonnenen Saft einige Zeit stehen lassen. Die Stärke setzt sich am Boden des Saftgefäßes ab, die Flüssigkeit kann man weggießen, und dann hat man reine Kartoffelstärke. Die vom Entsafter ausgeschiedenen festen Bestandteile wirf man natürlich nicht weg, sondern man kann damit z.B. Kartoffelpuffer machen. Die Stärke kann man zum Backen oder Kochen verwenden, wenn man damit etwas "stärken" will, muss man sie vorher kochen.
Achso, danke, also ist die Stärke praktisch gelöst und gekocht und hat nicht mehr die weiße Farbe wie in pulvriger Form?
Und mich würde noch interessieren, was du mit "royale Märchenauftritte" meinst?
Pomade, Brillantine, davor (vor den 1890ern) ähnliche Produkte, fast alle hausgemacht, aber aus den unterschiedlichsten Bestandteilen. Teils schmalz+zerstampfte, mehlige Äpfel + irgendein Puder + irgendein Parfüm.
Der Name kommt auch auch daher. Pomade - Pomatum - Pomum (Latein = Apfel).
Haben das tatsächlich auch Frauen benutzt? Ich dachte eher, diese Produkte wären Teil der Herrenmode gewesen
Pomaden und ähnliche Produkte, die auf tierischen oder pflanzlichen Fetten (Butter, Pflanzenöl) oder Mineralöl beruhten, wurden vor allem von Männern benutzt, die ihre Haare glätten wollten, weil Locken als weiblich galten.
Perücken, die von Männern und Frauen in früheren Jahrhunderten getragen wurden (von Männern in England noch heute) hatten Locken, das heißt dass man sie nicht mit fetthaltigen Pomaden behandeln konnte, mit denen Haare geglättet werden. Im 20. Jahrhundert wurden dann für Männer glatte Haare Mode, daher fett- oder mineralölhaltige Pomade und Brillantine. Auch für Frauen wurde in den 20er-Jahfren der Bubikopf mit glatten Haaren modern. Man muss also immer an die jeweilige Zeit denken.
Versuch mir doch bitte nicht mit Unsinn einen Knopf an die Backe labern zu wollen.
Ließ z. B. The Art of Perfumery von G. W. S. Piesse von 1857, darin wird auch beschrieben, wie Frauen ihre Haare mit Pomatum, Bandolin und Wachspomade fixieren können und woraus das angemischt wurde.
Dass die Currlyperrücken ein widerlich stinkiger, nie gewaschener Fetthaufen waren, die immer nur mit neuem Fett, Parfum und Puder ausgehfein gemacht wurden, ist kein Geheimnis. Das kannst du überall nachlesen.
Damals wurde verwendet, was verfügbar war und funktionierte.
Es mag einzelne regionale Hersteller gegeben haben, die schon eine genderspezifische Vermarktung betrieben oder zwei unterschiedliche Behältnisse mit dem gleichen Inhalt verkauften, aber letzendlich war es das gleiche/ähnliche Produkt, egal ob Mann es sich in den Bart oder Frau es sich in die Haare schmierte. Vielleicht war dazu gegebener Duftstoff unterschiedlich.
Bis in die 1890er wurden aber viele solcher Produkte auch sowieso daheim selbst angemischt. Man kaufte oft nur die einzelnen Zutaten, wenn man die nicht auch selbst erzeugte.
Es riecht ja eh schon anders, je nachdem, ob man Äpfel oder Quitten dafür verarbeitet.
Auch industriell hergestellte Pomade richtete sich ursprünglich und lange Zeit an Mann und Frau. Oftmals waren sowohl ein Frauenkopf als auch ein Männerkopf auf der Verpackung abgebildet. Dort, wo das Design seit Jahrzehnten nicht grundlegend geändert wurde (Sweet Georgia Brown, Murray's, Nu Nile...) ist das auch noch immer so.
Angeblich wurde früher Zuckerwasser benutzt.
Wo hast du das gelesen? (Ich frage aus Interesse, nicht weil ich dir nicht glaube)
vielleicht mit Zuckerwasser
Ja, das habe ich auch schon als "Haarspray zum selbermachen" entdeckt, interessant wäre nun irgendein Beweis, zum Beispiel in einem Buch - aber danke :)
Danke für den link, aber ich dachte jetzt eher an etwas "Originales" - trotzdem danke für die Mühe!
Herzlichen Dank für deine Antwort. Ich habe mich nach meiner Fragestellung noch weiter nach dem Thema erkundigt und bin auch auf so manche ungewöhnlichen Mittel gestoßen