Wie wollen die Aufklärer eine Veränderung der Verhältnisse zustande bringen?

2 Antworten

Die sog. Aufklärer sind ja eine Fortsetzung dessen, was bereits in der Renaissance begann. Ein wichtiger Motor war dabei die Entdeckung der epikureischen Philosophie, vor allem die Wiederentdeckung des Lukrez-Gedichts "De rerum natura". Im 18. JH sind die Philosophen nur die Kristallisation einer breiten Bürgerbewegung mit in Parties vollzogenen physikalischen Versuchen als Begeisterung für die aufbrechende Wissenschaft. Das alles zusammen hat die Macht kirchlicher und feudaler Dogmen zurückgedrängt. Hinzu kam, dass die feudale Ökonomie, der Merkantilismus schnell an seine Grenzen stieß und im Land - vor allem in Frankreich - zu großer Verarmung führte - was wesentlich die franz. Revolution ausgelöst hat.

Auf Seiten der Aufklärer entstand mit Adam Smith' s "Wohlstand der Nationen" eine erste klassische Wirtschaftstheorie als Zurückweisung merkantilistischer Theorien. Vor allem in England hatten sich die Bürger gegen den König politisch profiliert. Mit dem Utilitarismus, einer Frucht der angelsächsischen Aufklärung, fand eine breite Diskussion statt, wie klerikale, religiöse und feudale Wertbegründungen auch als bürgerlich-gesellschaftsbezogen dargestellt werden können, als Frucht respektvollen Umgangs freier Bürger miteinander ohne die Willkür der Herrschenden. England und die USA sind folgerichtig die einzigen Länder, die einen nachhaltigen Übergang vom Feudalismus in die Bürgerdemokratie schaffen. In Frankreich verlief das viel ungeordneter, teils von realitätsfremden Idealismen in die Irre geführt und dann im eigenen Blut erstickt. Daraus entstieg dann Napoleon, der zigtausend Menschen mit falscher nationaler Begeisterung in den Tod geschickt hat.

Das führte in Frankreich wie Deutschland zu einem Wiedererstarken des Feudalismus. Die Illusion vieler Aufklärer in Frankreich wie Deutschland war, dass eine kleine Intelligenzelite die Kraft zu einer politischen Veränderung hätte. Spätestens 1848 ist diese Fehleinschätzung gescheitert. Studenten und wenige Professoren reichen nicht aus, ein Volk umzukrempeln, wenn man sich auch noch über diesem Volk erhaben fühlte. Vor allem in Deutschland haben zarte aufklärerische Pflänzchen nie gereicht, sich aus eigener Kraft von Feudalismus und Kirchen zu lösen. Immer wurden uns die Früchte anderer Länder, vor allem USA und England, nach verlorenen Kriegen von außen übergestülpt. Die Sehnsucht nach einem Kaiser, Führer oder Obernanny sitzt tief in der deutschen Seele.


lifego 
Beitragsersteller
 04.04.2018, 11:23

Dankeschön für die ausführliche Antwort!

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Ich habe die andere sehr ausführliche Antwort jetzt nicht komplett gelesen, wollte nur noch kurz auf zwei Gesichtspunkte aufmerksam machen, die ich letztens in einem aktuellen Buch über die Aufklärung gelesen habe. Zum einen waren die Aufklärer selbst Leute, die zwar viel von den Rechten anderer Menschen sprachen, selbst aber sehr intensiv auf den eigenen Vorteil bedacht waren (zum Beispiel Voltaire).
Der zweite interessante Punkt ist, dass die Aufklärer zum Teil keine Bedenken hatten mit sehr autoritären Herrschern wie der russischen Zarin zusammen zu arbeiten. Sie erhofft sich davon, dass ihre hohen Gedanken auf diese Art und Weise dem dummen einfachen Volk aufgedrückt werden konnten. D.h.: wir hatten damals schon so ein Phänomen, dass eine selbst ernannte Elite glaubte, dem Rest der Bevölkerung vorschreiben zu können, wie sie zu leben hätten. Dass sie damit auch mit verantwortlich wurden für den Terror der französischen Revolution, ist in der anderen Antwort ja wohl schon angesprochen worden.