Wie konnte das sein?

6 Antworten

Nicht die Menschen haben sich zurückentwickelt, sondern die menschliche Zivilisation. Menschen im Mittelalter waren nicht dümmer oder schwächer als Römer, allerdings verfügten sie nicht mehr im gleichen Maße über Wissen und Kulturtechniken. Der Grund dafür liegt in dem tiefen Bruch, den das Ende der Antike im 5. Jahrhundert markiert.

Über die Ursachen für diese Zäsur, die mit dem Untergang des weströmischen Reiches zusammenfällt, gibt es sehr unterschiedliche Ansichten: Völkerwanderung, spätrömische Dekadenz (!), Klimawandel und weitere. Die Verbreitung des Christentums dafür verantwortlich machen zu wollen, ist - im besten Fall - kurzsichtig. Da verwechselt man Ursache und Wirkung.

Fast noch interessanter als die Frage nach den Gründen für diesen Kulturverlust ist die, ob sich so etwas wiederholen kann, womöglich noch zu unseren Lebzeiten. Mit Blick auf die Spätantike ist etwas mehr Skepsis gegenüber der Stabilität unserer Kultur und der Verankerung des von uns verwendeten Wissens nicht unangebracht. Um 350 n.Chr. wäre wohl kein Römer auf die Idee gekommen, dass von seiner Kultur hundert Jahre später nur noch Trümmer übrig sind.

Die Römer waren weltoffen. Das meiste haben sie ja nicht selbst erfunden sondern von anderen Völkern ab geschaut, vor allem von den Arabischen.

Es war ja schon kein Fortschritt, als die "Barbaren" halb Rom in Schutt und Asche gelegt haben, aber der Todesstoß für die zivilisatorischen Fortschritte war sicher die katholische Kirche mit ihrer Phobie gegenüber allen anderen Kulturen und Religionen. Da war die Devise nicht mehr "Was können wir von denen lernen" sondern "wie könne wir die Gottlosen auslöschen".

Das ist natürlich sehr einfach gedacht, aber eine ausführliche Analyse würde ganze Bücher füllen.


Mixia  22.06.2011, 17:35

Nana, da stimmt ja gar nichts an diesem Geschitsbild: Die Römer haben rein gar nichts von arabischen Völkern abgeschaut, die Araber wraren damals Beduinen in der Wüste. Und die Rolle der Kirche muss man differenziert sehen, die hat die Antike Welt auch stabilisiert.

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Panazee  22.06.2011, 18:36
@Mixia

OK. Streichen wir Araber und ersetzen es durch Griechen und Perser. Wobei die Perser wiederum das eine oder andere von den Indern hatten, was diese wiederum zum Teil von den Chinesen hatten.

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Mixia  24.06.2011, 13:26
@Panazee

Da kommen wir der Sache schon näher ...

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naja, so toll wars im alten rom auch nicht...da haben sich die leute auch auf die straße (in den kanal der offen überall durchgelaufen ist) erleichtert und wenn man ans mittelalter denkt (burgen, rittertum) denkt ,man auch gleich ans viel kältere mitteleuropa...die aquädukte, die von den römern gebaut wurden, wurden auch weiter benutzt.

aber, das geht natürlich mit der christianisierung einher (da war plötzlich nichts mehr mit erforschung der natur und heidentum)


Nunuhueper  22.06.2011, 19:19

Die Christianisierung ist nicht die Ursache des kulturellen Niedergangs, das wolltest Du doch hoffentlich sagen?

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ailuj  26.06.2011, 19:16
@Nunuhueper

je rigider die religion (und monotheistische sind da ja besonders zu erwähnen) desto weniger wird geforscht und versucht zu verstehen, weil ja alles mit gott erklärt werden kann (soll)...die kirche hat ja ordentlich mitgemischt bei der unterdrückung aller grundfreiheiten und die sind nunmal nötig für die weiterentwicklung und beibehaltung kultureller errungenschaften...und wie gesagt, mit kulturellem niedergang würd ich das mittelalter überhaupt nicht beschreiben, aber wenn du so willst trägt die christianisierung auf jeden fall dazu bei :)

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Die antike Welt ging größtenteils unter im 5.-7. Jahrhundert. Die Ursachen sind vielschichtig, aber die früher oft genannten Faktoren wie Dekadenz und Christentum werden von modernen Althistorikern ganz überwiegend als nicht relevant eingeschätzt.

Das Römische Reich und auch das Neupersische Reich – die beiden Weltmächte der Antike – waren durch Bürgerkriege und Kriege gegeneinander geschwächt. Dazu kam ein sehr instabiles politisches System: Die Herrscher wurden immer wieder von Usurpatoren gestürzt, es gab im Römischen Reich keine feste Regelung der Nachfolge des Kaisers. Dazu kam, dass der Staat trotz ökonomischer Blüte vor allem von den Reichsten und mächtigsten ausgebeutet wurde: Diese schafften es durch ihre Macht, trotz immer größerem Reichtum immer weniger Steuern zu zahlen.

In dieser Situation kamen gewaltige äußere Bedrohungen:

Im 5. Jahrhundert fielen germanische Heerscharen in später „Völkerwanderung“ genannten Kriegszügen in den Westen des römischen Reiches ein. Sie zerstörten dort die staatliche Ordnung und errichteten eigene Reiche. Damit brach dort der überregionale Handel ein und die antike Wirtschaft verfiel, und damit auch Städte und Kultur.

Ähnliches passierte mit dem Osten und Süden des Römischen Reiches und dem Neupersischen Reich im 7. Jahrhundert. Dann überrannten die Araber diese Gebiete. Nur Konstantinopel und Umgebung blieb römisch.

Die nun folgende Epoche nennt man Frühmittelalter. Die Städte waren verfallen, staatliche Ordnung konnte kaum noch durchgesetzt werden, fast nur noch in Klöstern konnten die Menschen lesen und schreiben. Das kann man durchaus eine Rückentwicklung nennen. Auf anderen Gebieten entwickelten sich die Menschen aber rasch weiter: Wegen der fortwährenden Kriege entwickelte sich die Waffentechnik auf ein nie da gewesenes Niveau: Es wurden immer bessere Schwerter, Bögen, Brandwaffen und schließlich Schusswaffen entwickelt …


Nunuhueper  22.06.2011, 19:26

Du beschreibst es sehr gut, Mixia. Doch die Klöster im frühen Mittelalter waren die ersten und einzigen Bildungsstätten in unserem Gebiet, sie waren eher ein Fortschritt als Rückschritt. Öffentliche Schulen gab es erst viel später.

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Mixia  23.06.2011, 18:58
@Nunuhueper

Ja, in Gebieten Mitteleuropas, die außerhalb des ehemaligen Römischen Reiches lagen, brachte das fränkisch-deutsche Reich erstmalls staatliche Ordnung und lateinische Kultur, die aus der Antike stammte. Und die Klöster waren damals die Zentren der Kultur, denn von der städtischen Kultur war nicht mehr viel übrig, und öffentliche Schulen ga b es seit dem Ende der Antike nicht mehr.

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Vergleichst du hier Italien/Griechenland mit Deutschland (also von den heutigen Bezeichnungen und Grenzen ausgehend)? Meiner Meinung nach waren da doch sehr krasse Völkerwanderungen dazwischen, die Reiche hatten keine stabile Führung mehr. Und nach so ein paar Kriegen um Land, da ist nicht mehr viel mit Infrastrukur. Aber das ist jetzt sehr unkonkret.