Wie können wir hilflosen oder behinderten Menschen helfen, die von vielen Menschen und Institutionen gemobbt werden?

Eisenklinge  28.11.2022, 12:03

Ich habe immer nur unterstützendes Verhalten gegenüber Behinderten erlebt. Deine Frage ist mMn nicht mit der Realität in Einklang zu bringen. Wo siehst du konkret so etwas?

Nobodyrotz 
Beitragsersteller
 28.11.2022, 12:25

Nein, um Gottes Willen, es gibt ja keine Straftaten, es gibt nur Heilige, das habe ich glatt vergessen. Schwache werden ja verwöhnt, auf Kosten unserer Steuergelder. (Ironie aus)

10 Antworten

Vom Beitragsersteller als hilfreich ausgezeichnet

Du kannst ein Ally (also ein*e Verbündete*r) sein und andere Menschen über die problematische Lage behinderter Menschen in Deutschland aufklären.

Du wirst dafür mehr Kapazität haben als Betroffene, die schon für alltägliche Dinge wie Duschen wesentlich mehr Kapazitäten benötigen als ein nicht-behinderter Mensch.
Daher sind Allies sehr wichtig, da Betroffene alleine sich nicht gegen die ableistische Gesellschaft auflehnen können.

Wenn du also in der Öffentlichkeit einen Menschen siehst, der einen schwächeren Menschen mobbt oder sogar diskriminiert, dann kannst du deine Stimme erheben, darüber informieren, dass dies nicht in Ordnung ist und dem schwächeren Menschen so zur Seite stehen.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Heilerziehungspflegerin/ Ally der Behindertencommunity

Eisenklinge  28.11.2022, 12:01

Moin. Ich habe in meinem ganzen Leben keine Situation miterlebt, in der Behinderte "gemobbt" wurden. Im Gegenteil bemühen sich alle, z.B. Rollstuhlfahrer in Bussen zu helfen etc.

Selkiade  28.11.2022, 12:09
@Eisenklinge

Das freut mich, dass du solch eine Situation noch nicht erleben musstest.

Ich habe schon sehr oft Dinge erlebt, nicht nur weil ich mittlerweile in der Behindertenhilfe arbeite.

Vor allem unbewusst, wie z.B. auf den Blindenleitstreifen stehen.

Ich war z.B. mal mit einer Klientin auf dem Weg in die Stadt. Da ich keinen Führerschein habe sind wir mit Bus & Bahn unterwegs gewesen. Die Klientin hat eine Gangunsicherheit weswegen sie einen Rollator nutzt. Im Bus hat sie einen Fahrgast gebeten ihr den Klappsitz zu überlassen (dort wo auch Rollstühle und Kinderwagen stehen können). Dieser hat sie angepöbelt, was sie denn meint wer sie sei Fahrgäste vertreiben zu können, sie könnte sich doch woanders hinsetzen.

Wohlgemerkt der Fahrgast hatte weder ein Hilfsmittel noch einen Koffer oder große Einkaufstüten noch sonst irgendwas dabei.

Eisenklinge  28.11.2022, 12:23
@Selkiade

(Gerade sitze ich zu Tisch und ein junger Mann sprang auf um einer alten Frau die Stufe hoch zu helfen. Wie passend gerade(

Darf ich es einmal frech formulieren?

Behinderte haben mMn das gleiche Recht auf schlechtes Benehmen der anderen, wie Nichtbehinderte auch. Das was du beschrieben hast, ist das alltägliche schlechte und gedankenlose Benehmen vieler Leute und keine Diskriminierung oder Mobbing, wie es in der Frage formuliert wurde. Und der Blindenstreifen? Ich wusste nicht einmal, dass es so etwas gibt. Du gehst ja selbst von einem Versehen aus.

Selkiade  28.11.2022, 12:28
@Eisenklinge
Ich wusste nicht einmal, dass es so etwas gibt. 

Und genau das ist das Problem. Es gibt viel zu wenig Informationen und Wissen über Barrierefreiheit, aber auch wenig Aufklärung, da es eben meist von Betroffenen selbst geschehen muss, da viele nicht-betroffene keinen Bock haben Informationen über eine marginalisierte Gruppe zu verbreiten!

keine Diskriminierung oder Mobbing, wie es in der Frage formuliert wurde.

Das war von mir ja auch nur EIN Beispiel. Ich kann dir noch Hunderte weitere nennen, die auch ganz tiefe Diskriminierung beinhalten.

Eisenklinge  28.11.2022, 15:37
@Selkiade

Nun glaube ich gern, dass über die Jahre viele Geschichten zusammen kommen. Dennoch war dies die erste, welche du erzählt hast. Und während ich antwortete, ereignete sich eine ganz andere.

nicht-betroffene keinen Bock haben Informationen über eine marginalisierte Gruppe zu verbreiten!

Abgesehen vom Begriff "marginalisiert" kann ich deinen Einwand verstehen, muss aber sagen dass es normal ist. Die eigenen Interessen zu vertreten sollten diejenigen schon selbst, gleich welcher Art, ob es um Behinderungen geht oder nicht. Lobbyarbeit in eigener Sache ist richtig und wichtig und sollte nicht von anderen vorausgesetzt werden.

Und genau das ist das Problem. Es gibt viel zu wenig Informationen und Wissen über Barrierefreiheit

Da stimme ich dir zu und könnte mir ebenfalls mehr Aufklärung vorstellen. Ich hoffe nur, dass diese dann nicht in die Falle der Linken Identätspolitik und Intersektionismus abrutscht. Das wäre kontraproduktiv und ideologisch. Ich will damit aber nicht sagen, dass dies schon so wäre.

Selkiade  28.11.2022, 15:58
@Eisenklinge
Die eigenen Interessen zu vertreten sollten diejenigen schon selbst, gleich welcher Art, ob es um Behinderungen geht oder nicht.

Das machen Betroffene ja auch schon, aber viele davon haben eben nicht die Kapazität sich jeden Tag der Diskriminierung entgegenzustellen.

Es gibt die Löffel-Theorie, das ist ein Gedankenexperiment, um die Lebensrealität von vielen Menschen mit Behinderungen und/oder chronischen Krankheiten zu veranschaulichen. Die Löffel stehen für Energie.

Wenn man gesund und/oder nicht-behindert ist, geht man davon aus, unbegrenzt viele Löffel, also Energie, zur Verfügung zu haben. Als behinderter und/oder chronisch kranker Mensch startet man mit einer bestimmten Anzahl an Löffeln in den Tag – und muss damit rechnen, im Laufe des Tages einige zu verlieren.

Selkiade  28.11.2022, 16:18
@Eisenklinge
Lobbyarbeit in eigener Sache ist richtig und wichtig und sollte nicht von anderen vorausgesetzt werden.

Die Gesellschaft fordert aber, dass Betroffene immer einen auf Friede, Freude, Eierkuchen machen, immer glücklich zu sein haben und nie wütend sein dürfen über die vorhandenen Problematiken

Dadurch KÖNNEN Betroffene gar keine Lobbyarbeit machen, selbst wenn sie wollen und die Kapazitäten dafür haben!

“Ach komm, man muss doch nicht alles so ernst nehmen!”

“Leg doch nicht immer alles auf die Goldwaage.”

“Du bist aber schon auch sehr emotional bei diesem Thema.”

“Ach Mensch, du weißt doch, wie ich’s meine!” (Quelle: Angry Cripples)

Diese und noch viele weitere Sätze bekommen behinderte Menschen nämlich regelmäßig zu hören, wenn sie Lobbyarbeit in eigener Sache machen wollen!

Ich hoffe nur, dass diese dann nicht in die Falle der Linken Identätspolitik [...] abrutscht.

Inwiefern meinst du das?

Die Politik hat schon vor über 10 Jahren ein Gesetz unterzeichnet, was bislang aber leider nicht bzw. nur sehr unzureichend umgesetzt wurde. Vielleicht sollte die Politik also mal anfangen dieses Gesetz endlich mal umzusetzen! Und das wird dann nicht zu einer Identitätspolitik, nur weil MENSCHENRECHTE umgesetzt werden.

und Intersektionismus

Meinst du Intersektionalität? Das wäre sogar sehr gut, wenn dies auch mitgedacht würde.

Eisenklinge  28.11.2022, 16:18
@Selkiade

Ich verstehe.

Dann ist es gut, dass du deine Energie dafür teilst.

Hoegaard  28.11.2022, 12:06

Die ableistische Gesellschaft bezahlt den Betroffenen doch sehr teure Hilfsmittel und persönliche Assistenten sowie extra ausgebildete Heilerziehungspfleger.

Aber das reicht natürlich nicht, denn aufgelehnt muss sein, sonst macht es ja keine Freude.

PS: Muss ich auch meine "Stimme erheben", wenn die zu dritt sind?

Selkiade  28.11.2022, 12:11
@Hoegaard
Aber das reicht natürlich nicht, denn aufgelehnt muss sein, sonst macht es ja keine Freude.

Behinderte Menschen müssen nicht immer nett sein!

Sie dürfen - das ist ihr gutes Recht - auch wütend sein, vor allem wenn sie diskriminiert werden und Teilhabe verwehrt wird!!!!

PS: Muss ich auch meine "Stimme erheben", wenn die zu dritt sind?

Du musst dich natürlich nicht selber in Gefahr bringen.

Hoegaard  28.11.2022, 13:40
@Selkiade

Du hast leider vergessen, warum die Lage behinderter Menschen "problematisch" ist, wenn doch teure Hilfsmittel zur Verfügung gestellt werden (1 Elektrorollstuhl = 5000-15000 Euro) und sogar die Ausbildung von speziellen Heilerziehungspflegern finanziert wird.

Kannst du auch gern mit mehreren Ausrufezeichen tun.

Selkiade  28.11.2022, 13:58
@Hoegaard
Du hast leider vergessen, warum die Lage behinderter Menschen "problematisch" ist [...]

Kann ich gerne nachtragen:

Weil aktuell bei vielen Menschen der Gedanke herrscht, dass behinderte Menschen kein lebenswertes Leben verdient haben, einfach nur ein Störfaktor sind und viel Geld kosten.

wenn doch teure Hilfsmittel zur Verfügung gestellt werden

Bei denen Betroffene zuvor jahrelang drum kämpfen musste, dass die Krankenkasse sie überhaupt genehmigt und die Kosten übernommen werden.

Ausbildung von speziellen Heilerziehungspflegern finanziert wird.

Also brauchen wir ja auch nicht die Ausbildung von speziellen Krankenpflegern oder gar Altenpflegern finanzieren, nicht wahr?

Ansprechen? Ja - aber so nicht: "Brauchen Sie Hilfe?", sondern "Kann ich Ihnen helfen?".

Dieses "brauchen Sie" beinhaltet schon die (versteckte) Unterstellung, dass es die betroffene Person nicht alleine schafft.


Nobodyrotz 
Beitragsersteller
 28.11.2022, 12:27

Wir haben nichts gelernt aus der Geschichte. Danke!

kiniro  28.11.2022, 13:02
@Nobodyrotz

Drücke dich doch mal etwas konkreter aus.

Mit versteckten Anspielungen kann ich nichts anfangen.

Nobodyrotz 
Beitragsersteller
 28.11.2022, 13:55
@kiniro

Schwache wurden noch nie nett behandelt. Reicht das?

Keine Ahnung!

Ich will unsere Erfahrungen keineswegs verallgemeinern, da unser "Sohn" geistig behindert und bestimmt nicht "pflegeleicht" ist.

Privat können wir leider nur eingeschränkt für ihn sorgen, da er "nur" ein (ehemaliger) Pflegesohn ist, der einen gesetzlichen Betreuer hat und in einer Wohngruppe lebt. Wir dürfen ihn offiziell nicht einmal vertreten und unsere Erfahrungen mit ihm interessiert leider kein [bekannte Tierart].

Hier einige Punkte (nur mal so spontan und durcheinander):

  • er darf die Wohngruppe nicht alleine verlassen, da Fluchtgefahr besteht.
  • er hat häufig Hunger und Durst. Von Besuchen bei uns darf er nur sehr wenig Lebensmittel mitbringen, vor allem Süßigkeiten werden ihm sofort abgenommen. Bei Verlangen nach Getränken außerhalb der Mahlzeiten wird auf den Wasserhahn verwiesen.
  • geschultes Personal? In der Stellenanzeige heißt es "oder ohne entsprechende Qualifikation".
  • hat er Fragen an eine Pflegekraft heißt es meistens "ich habe keine Zeit" oder "das interessiert mich nicht".
  • bei Zwistigkeiten mit anderen Bewohnern heißt es "das müsst ihr selber untereinander klären".
  • wenn wir telefonisch auf Streitpunkte hinweisen sagt man später zu ihm, er "soll nicht immer petzen". Anm.: Er kann weder lesen, schreiben, rechnen noch sich verständlich ausdrücken.
  • wenn er seinen Betreuer anrufen will wird ihm das nicht erlaubt.
  • sein Betreuer hat zwar guten Willen, aber er kann den Pflegekräften keine Weisungen erteilen.
  • Anrufe beim Kostenträger - da können wir auch nichts machen.

Unser Fazit: Jemand, der (zeitlich) intensive Betreuung bräuchte, ist fast immer aufgeschmissen.


Nobodyrotz 
Beitragsersteller
 28.11.2022, 14:31

Mächtige können, auch in Institutionen, oft mit Schwachen machen, was sie wollen, das geht manchmal bis zu furchtbarsten Verbrechen.

satian  28.11.2022, 14:41
@Nobodyrotz

Ja, da ist (leider) schon was dran.

Das meiste führe ich auf Bequemlichkeit und mangelndes Einfühlungsvermögen zurück.

Beispiel: Er darf täglich mit seinem eigenen Smartphone eine Stunde mit uns telefonieren, wozu ihm das Gerät nach dem Abendessen ausgehändigt wird. Da er keine Uhrzeit kennt, sagen wir ihm, wann die Gesprächszeit vorbei ist. Danach soll er das Telefon wieder abgeben, was aber nicht immer gelingt, weil das Personal ihren Aufenthaltsraum nicht öffnet weil sie gerade beim Essen sind. Das Gerät nach dem Essen will dann aber auch keiner holen.

Das traurige ist das es unserer Gesellschaft sch..egal ist, Hauptsache die müssen das Elend nicht sehen. Leider wird man so nie allen helfen können aber du kannst von einzelnen Menschen Die Welt verbessern indem deine Hilfe und vor allem auch ein offenes Ohr anbietest, viele sehnen sich einfach nach ganz normalen Gesprächen und Anerkennung was leider immer zu kurz kommt. Um hilflose und behinderte Menschen zu integrieren muss unsere Gesellschaft erstmal wieder lernen und über sich selbst hinauswachsen, im Moment seh ich da nur bei wenigen eine Änderung in der Wahrnehmung was Behinderung eigentlich ist. Wenn dich das Thema interessiert dann besuch doch mal die Rehacare in Düsseldorf, da hat man die Gelegenheit Träger, vereine aber auch wirtschaftdbetriebe rund um das Thema kennen zu lernen und sich auszutauschen mit Betroffenen.


Nobodyrotz 
Beitragsersteller
 28.11.2022, 12:02

Danke! Werde mal gucken.

Da gibt es schon genug Hilfe

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Beruflich

Nobodyrotz 
Beitragsersteller
 28.11.2022, 11:59

Aha

ToffeeFee50  28.11.2022, 12:00
@Nobodyrotz

Ich arbeite mit Behinderten, also als Hilfskraft und da hat keiner je geäußert, das es zu wenig Hilfe gibt, ganz im Gegenteil. Und gemobbt wurde auch noch keiner

Nobodyrotz 
Beitragsersteller
 28.11.2022, 12:03
@ToffeeFee50

Dann scheinst Du auf einer Insel der Glückseligen zu wohnen.