Weshalb verjähren Straftaten?

7 Antworten

Spontan fällt mir da USA ein. Du bist zum Tode verurteilt - OK. Dann macht doch bitte.

Jetzt sitzen die Leute 20 Jahre dort und warten immer noch. Wie schlimm muss das sein. Nach 20 Jahren weiß du das doch überhaupt nicht mehr.

Teilweise kommt nach 15 Jahren raus, sie waren es überhaupt nicht. Interessiert niemanden mehr. Man kann das Verfahren nicht mehr aufnehmen.

Überleg mal wie lange 20 Jahre sind?


Ahzmandius  16.09.2019, 23:26

Und was hat das jetzt mit Verjährung zu tun?

0

Nun, Verjährung gibt es auch im Zivilrecht, z.B. bei Schulden und bei Vergewaltigung kann die Verjährungsfrist bis zu 30 Jahren betragen.

Im Strafrecht gibt es vor allem den Grund, daß irgendwann Zeugen sich nicht mehr gut genug erinnern können oder gar verstorben sind, eine gerichtliche Aufklärung nahezu unmöglich wird

Es gibt durchaus verschiedene Ansätze zur Erklärung der Verjährung im Strafrecht.

Der einfachste - den man auch immer wieder liest - ist, dass nach einer gewissen Zeit die Zeugen nicht mehr zuverlässig seien. Das ist aber in mehrfacher Hinsicht falsch. Erstens beurteilt der Richter jeden Zeugen immer individuell und nicht anhand vorgegebener abstrakter Kriterien. Zweitens verjährt Mord bekannterweise nicht. Hier funktioniert diese Erklärung also nicht. Drittens vergessen Zeugen im Regelfall bereits nach wenigen Tagen wesentliche Elemente des Geschehens, dafür braucht es keine jahrelange Verjährungsfrist.

Auch die Theorie, dass Gerichte entlastet werden sollen halte ich für nur schwer vertretbar. Einen Totschlag nicht mehr zu verfolgen weil ein Gericht sonst überlastet wäre, wäre absurd.

Wirklich stichhaltig ist das Konzept der Verjährung nur dann, wenn man sich mit den sogenannten Strafzwecktheorien (—> Wikipedia) auseinandersetzt. Strafe beruht - vereinfacht gesprochen - auf Abschreckung und Besserung. Wenn eine gewisse Zeit nach der Tat vergangen ist, nimmt das Abschreckungspotential einer Strafe ab. Auch der Besserungsgedanke würde vollkommen verfehlt, da eine Person im Zweifel nach der Tat jahrelang fehlerfrei gelebt hat und dann durch eine etwaige Haftstrafe die Zukunft dieser Person zerstört würde.

Sicherlich lassen sich auch Nachteile der Verjährung anführen. Sie nutzt z.B. eher dem klugen Täter der sich lange der Verfolgung entzieht. Zudem kann das Konzept natürlich zu nicht zufriedenstellenden Ergebnissen führen.

Im Ergebnis ist ein Rechtsstaat ohne Verjährung aber wohl nicht machbar und daher ein zentraler Bestandteil des Strafrechts in den allermeisten Ländern.

Den Rechtsfrieden. Wenn über so einen langen Zeitraum die Aufklärung des Falles keine Rolle gespielt hat, dann sollten die Gerichte ab irgendeinem Zeitpunkt auch davon entbunden werden sich damit befassen zu müssen.

Gleichzeitig verjähren ja auch Ansprüche... zumindest insoweit, dass man sie im Zivilrecht gesondert betonen muss (Einrede der Verjährung) oder was Verwaltung angeht z.B. im Finanzamt nicht mehr geltend machen kann bzw. sie nicht mehr geltend gemacht werden können.

Kurzum: Wenn sich all die Jahre niemand für den Fall interessiert hat... dann soll nach angemessener Zeit auch nicht mehr Himmel und Hölle verrückt gemacht werden können, um das doch noch aufzuklären und zu verurteilen.

Rein praktisch ließe sich das auch folgend nachvollziehen: Wenn jemand vor 30 Jahren straffällig geworden ist und dann nie wieder, dann hat er sich offensichtlich geändert. Eine eventuelle Haftstrafe wäre verfehlt und würde nichts weiter bedienen als Rachegelüste der Geschädigten... und das soll nicht der Sinn des deutschen Justizystems sein, worüber ich sehr glücklich bin

Weil unser Justizsystem kollabieren würde, wenn wir noch heute Straftaten, die keine Kapitalverbrechen sind, aus den letzten Jahrhunderten aufklären müssten.

Man stelle sich nur mal vor, dass ein Staatsanwalt sich heute noch mit einem Ladendiebstahl von 1887 beschäftigen müsste. :-)))