Wenn Kanzler und Vizekanzler sterben

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Der Bundespräsident schlägt dem Parlament gem. Art. 63 GG einen neuen Kanzler zur Wahl vor.

Außerdem wird er gem. Art. 69 Abs. 3 GG die bisherigen Minister verpflichten, die Geschäfte bis zur Wahl eines neuen Bundeskanzlers fortzuführen. Mehr wird nicht passieren, außer natürlich einem Staatsakt für die beiden Verstorbenen.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Insiderwissen

Immofachwirt  04.10.2013, 18:26

Außerdem wird er gem. Art. 69 Abs. 3 GG die bisherigen Minister verpflichten, die Geschäfte bis zur Wahl eines neuen Bundeskanzlers fortzuführen.

Nur zur besseren Verständlichkeit:

Der dienstälteste Minister wird dabei zum geschäftsführenden Bundeskanzler ernannt. Da derzeit drei Minister als dienstälteste Minister zur Verfügung stünden, würde gem. der Geschäftsordnung der Bundesregierung der mit dem höchsten Lebensalter zum geschäftsführenden Bundeskanzler ernannt. Das wäre derzeit Wolfgang Schäuble.

Hintergrund:

Das Grundgesetz enthält für den Fall des Todes des Bundeskanzler keine ausdrückliche Regelung.

Art. 69 Abs. 1 GG bestimmt, dass der Bundeskanzler einen Bundesminister zum Stellvertreter zu ernennen hat. Hieraus könnte man schließen, dass automatisch der Stellvertreter das Amt des Bundeskanzlers wahrzunehmen hat, wenn dieser stirbt. Jedoch zeitgt Art. 69 Abs. 2 GG, dass eine solche Argumentation nicht zutrifft, weil nach dieser Bestimmung das Amt eines Bundesministers und natürlich auch des Stellvertreters mit jeder Erledigung des Amtes des Bundeskanzlers endet. Somit existiert mit dem Tod des Bundeskanzlers keine Bundesregierung mehr.


Darf der Bundespräsident eine geschäftsführende Bundesregierung ernennen?

Art. 69 Abs. 3 GG sieht das nur für den Fall vor, dass der bisherige Bundeskanzler zurück tritt, oder durch Zusammentritt eines neuen Bundestages noch keine neue Regierung gebildet wurde. Für diesen Fall (in Deutschland ab 22. Oktober 2013) kann der Bundespräsident den bisherigen Bundeskanzler ersuchen, die Geschäfte weiter zu führen.

Der Bundespräsident kann aber die Geschäfte gem. Art. 55 Abs. 1 GG nicht selbst führen. Daher kann die Regelungslücke für den Fall des Todes des Bundeskanzlers nur durch eine analoge Anwendung des Art. 69 Abs. 3 GG geschlossen werden: Auch beim Tode des Bundeskanzlers muss wieder eine parlamentarisch verantwortliche Regierung eingesetzt werden. Wenn der Bundestag nicht in der Lage ist, einen neuen Bundeskanzler zu wählen, muss deshalb dem Bundespräsidenten eine außerordentliche Ernennungsbefugnis zuerkannt werden, die sich an die Regelung des Art. 69 Abs. 3 GG anlehnt (Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 69 Rn. 59; Mager, in: von Münch/Kunig, Art. 69 Rn. 23; von Mangoldt/Klein, Art. 69 Anm. V 7 b). Da es dem Bundestag möglich ist gem. Art. 63 GG binnen kürzester Frist einen von ihm gewählten Bundeskanzler einzusetzen, verstößt die außerordentliche Ernennungsbefugnis des Bundespräsidenten nicht gegen die Kreationsfunktion des Bundestages.


Allerdings steht dem Bundespräsidenten bei der Ausübung der ihm eingeräumten Befungnis kein Ermessen zu (Herog, in Maunz/Dürig, Art. 69 Rn. 59, u. a.). Er ist hinsichtlich der Person des Bundeskanzlers auf ein Vorschlagsrecht beschränkt (Art. 63 Abs. 1 GG).

Seine Auswahlmöglichkeit ist auf die Person des Stellvertreters des Bundeskanzlers beschränkt. Dies ist gerechtfertigt, weil Art. 69 Abs. 3 GG sich bei der Auswahl der Mitglieder einer geschäftsführenden Bundesregierung an der politischen Legitimation orientiert, die die Betreffenden zuvor innegehabt haben. Nach Art. 69 Abs. 1 GG ernennt der Bundeskanzler einen der Bundesminister zu seinem Stellvertreter, und wenn auch die Stellvertretung mit dem Tod des Bundeskanzlers erlischt, so ist doch zu berücksichtigen, dass der Stellvertreter in der alten Bundesregierung zur (vertretenden) Wahrnehmung der Geschäfte des Bundeskanzlers befugt war. Das weist den Stellvertreter von seiner Legitimation her als denjenigen aus, der dem Amt eines geschäftsführenden Bundeskanzlers am nachsten steht (Epping, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Art. 69 Rn. 39). Der Stellvertreter ist nach der Verfassung schlechthin zur Vertretung des Bundeskanzlers geeignet und deshalb auch der geeignete geschäftsführende Bundeskanzler.

Quellen: Klaus Grupp (Uni Saarland), Ulrich Stelkens (Uni Speyer), sowie FH Schmalkalden


Das gleiche gilt analog für den Fall, dass auch der Stellvertreter stirbt. In diesem Fall ist der Bundespräsident noch immer nicht frei in seinem Ermessen, sondern hat nach der Geschäftsordnung der Bundesregierung in diesem Fall den dienstältesten Minister zum geschäftsführenden Bundeskanzler zu ernennen. Sind davon mehrere Minister gleichlang im Amt, hat er den mit dem höchsten Lebensalter zum geschäftsführenden Bundeskanzler zu ernennen.

Sorry für den kleinen Exkurs, aber es erschien mir notwendig, damit hier keine Legendenbildung entsteht.

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Dann wird eine(r) kommissarisch eingesetzt, bis eine(r) neu gewählt wird.

Was passiert wenn der kanzler UND Vizekanzler sterben? Wer übernimmt dann?

In Deutschland haben wir keinen "Vize-Kanzler". Dieses Amt existiert nicht und ist lediglich eine liebevolle - aber inhaltsleere - Bezeichnung, die den Macht-Status ausdrücken soll. (Etwa vergleichbar mit "Frau vom Chef".)

Da der "Vize-Kanzler" meist vom kleinen Koalitionspartner gestellt wird, gibt dieser Titel ihm das Gefühl, quasi "Vize-Wichtig" zu sein. Für mehr ist er aber nicht gut.

Tatsächlich hat der Kanzler nicht einmal einen "Stellvertreter für den Fall seines Todes". Lediglich innerhalb seiner Amtszeit (die vollautomatisch mit seinem Tod endet) kann er eine "Vertretung" für spezifische Situationen benennen; beispielsweise, um ihn bei einer Rede, einem Kongress oder bei Delegationen zu vertreten. Eine "General-Vertretung", also einen "echten Stellvertreter" für den Fall des Todes oder des Rücktritts sieht das Gesetz jedoch nicht vor.

ACHTUNG: Auch wenn es pingelig klingt, ist es wichtig, die Begriffe auseinander zu halten: Ein Stellvertreter besitzt 100% der Befugnisse desjenigen, den er vertritt. Ein Vertreter besitzt nur die Befugnisse, die er für die aktuelle Aufgabe braucht. Beispielsweise könnte Art 115b (= Führer-Artikel) NIEMALS "vom Vize-Kanzler vertreten" werden.

Stirbt der Bundeskanzler, oder tritt er auch nur zurück, ist Holland ... errr Deutschland ... in Not. :)

Mit dem Tod oder dem Ausscheiden des Bundeskanzlers werden schlagartig auch alle Minister arbeitslos. Damit ist auch der sogenannte "Vize-Kanzler" arbeitslos und nicht befugt, seine eigenen oder die des "Ex-Kanzlers" stellvertretend zu führen.

Einerseits gibt es keinen, der die Amtsgeschäfte weiterführen kann; andererseits verlangt unsere Verfassung eine ununterbrochene Funktion des Bundestages; auch der Bundesregierung, die ZWINGEND aus "Kanzler + Ministern" bestehen muss. Fehlt eines, ist es verfassungswidrig.

Aber eine exakte Regelung für diesen Fall sieht das Gesetz nicht vor.

Insofern ist alles erlaubt, was nicht verboten ist: Neuwahl eines Kanzlers im Bundestag; aber auch Neuwahl des Bundestages stehen dann nach den Regeln des Grundgesetzes zur Debatte. Beides ist mit gleichem Recht möglich. Was also gemacht wird, entscheidet der, der am besten "überzeugen" kann. ;)

Es könnte aber auch sein, dass der Tod des Kanzlers im Amt dazu führt, dass man die seit Jahrzehnten geführte Grundsatzdebatte, wie diese Fälle "Rücktritt" und "Tod" zukünftig zu behandeln sind, zu Ende führt und sich verfassungsrechtlich auf einen anderen Weg einigt. So wird beispielsweise bis heute heftig darüber gestritten, ob der Präsident durch seine außerordentliche Ernennungsbefugnis nicht doch eingreifen und Neuwahlen verhindern/vermeiden könne. Wenn jedoch diese Ernennungsbefugnis greift, wäre der Präsident nicht auf den/die bisherigen "Vize-Kanzler" beschränkt, was es wiederum nicht einfacher macht...


Immofachwirt  04.10.2013, 10:28

Tatsächlich hat der Kanzler nicht einmal einen "Stellvertreter für den Fall seines Todes"

Art. 69 Abs. 1 GG

Der Bundeskanzler ernennt einen Bundesminister zu seinem Stellvertreter.

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Immofachwirt  04.10.2013, 12:49
@Immofachwirt

Zum besseren Verständnis hier noch ein Nachtrag:

Es ist in der Rechtswissenschaft strittig, ob der Bundespräsident (gem. Art. 69 Abs. 3), würde der Bundeskanzler sterben, den Vizekanzler gleichsam automatisch zum geschäftsführenden Bundeskanzler ernennen müsste oder aber auch einen anderen Bundesminister mit der Aufgabe betrauen könnte.

In jedem Fall aber würde Art. 69 Abs. 3 zur Anwendung kommen, also der Bundespräsident die Minister verpflichten ihre Geschäfte bis zur Ernennung eines Nachfolgers, weiter zu führen. Natürlich müsste unverzüglich ein neuer Bundeskanzler vom Bundestag gewählt werden.

Fällt, wie in dem Beispiel des Fragestellers, auch der Vizekanzler aus, müsste der Bundespräsident gem. Art. 69 Abs. 3 zunächst die Minister verpflichten die Geschäfte bis zur Ernennung eines Nachfolgers weiterzuführen. Wie @Realito schon richtig geschrieben hat, müsste dann, nach der Vertretungsreihenfolge der Geschäftsordnung der Bundesregierung die Aufgaben des Bundeskanzlers, (geschäftsführend) auf den dienstältesten Minister über gehen.

Wenn mehrere Minister gleichlang im Amt sind, würde diese (geschäftsführende) Vertretungsreihenfolge auf den Minister übergehen, der das höchste Lebensalter hat. Das wäre heute Wolfgang Schäuble.

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als wenn das einen unterschied machen würde, wer von den bretzelbirnen vorne ist

die sind doch 100% austauschbar bis in die letzte bank

irgendwer, der profalla oder so


PatrickLassan  03.01.2014, 09:05

als wenn das einen unterschied machen würde, wer von den bretzelbirnen vorne ist

In einem Rechtsstaat macht das durchaus einen Unterschied.

irgendwer, der profalla oder so

Der übrigens Pofalla heißt und Chef des Bundeskamzleramts war.

Im Kabinett Merkel II war er vom 28. Oktober 2009 bis 17. Dezember 2013 Bundesminister für besondere Aufgaben und Chef des Bundeskanzleramtes.

http://de.wikipedia.org/wiki/Ronald_Pofalla

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Dann uebernimmt der Bundesratspraesident das Amt solange bis ein neuer Kanzler gewaehlt wurde vom Bundestag.


PatrickLassan  03.01.2014, 09:02

Dann uebernimmt der Bundesratspraesident das Amt

Der Bundesratspräsident ist der Vertreter des Bundespräsidenten (Artikel 57 GG).

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