was wäre mit KZ Wärtern passiert, wenn sie den Job verweigert hätten bzw nicht angenommen hätten?

18 Antworten

sie wären nicht erschossen worden, wie sie sich immer gerne herauslügen wollten. Allerdings wären sie halt an die Front gekommen, und da war es den Herren natürlich zu gefährlich. Da konnte man ja sterben. Nein, das wollten sie nicht. Sie saßen in Auschwitz und anderen KZ Unterkünften und soffen sich die Hucke voll. In Stalingrad frieren? Wir doch nicht.

Die Rede vom Befehlsnotstand ist meiner Meinung nach meistens nur eine vorschobene Ausrede um die eigene Verantwortung am größten Verbrechen der Menschheit auf Vorgesetzte und Befehle zu schieben. Doch so einfach ist es nicht, auch wenn es sicher sehr schwer gewesen sein mag, sich zu verweigern. Ich kann leider keine konkreten Quellen benennen aber ich habe viel über dieses Thema gelesen und mit Zeitzeugen gesprochen, sowie in der eigenen Familie (die nicht am Holocaust beteiligt, aber davon indirekt betroffen waren) gesprochen.

Es gab immer wieder Menschen, die nicht am Massenmord teilnehmen wollten, auch SS-Männer waren darunter. Zwar können sie durchaus überzeugte Nationalsozialisten gewesen sein, haben aber angesichts der unvorstellbaren Verbrechen aber ihre Beteiligung daran reduziert, sich ihr entzogen oder gar verweigert.

Der einfachste und wohl häufigste Weg war es, sich an die Front versetzen zu lassen. Dies sollte in der Regel möglich gewesen sein, schließlich war der Bedarf an Kanonenfutter enorm. Es gibt Berichte aus Konzentrationslagern, dass vereinzelnte SS-Männer die Zustände nicht ertrugen und diesen Weg gingen.

Andere haben die Taten ihrer Kameraden (oder auch ihre eigenen) nicht ertragen und haben sich erschossen. Die Suizidrate dürfte sich durchaus in den Statistiken niedergeschlagen haben, auch wenn die Nazis solche Dinge nicht an die große Glocke gehängt haben.

Mir ist kein Fall bekannt, in dem ein Soldat oder Angehöriger der SS aufgrund einer solchen Verweigerung hingerichtet wurde. Aber er musste dennoch empfindliche Degradierungen hinnehmen und musste sich in einem feindseeligen Chorpsgeist behaupten. Außerdem konnte die Versetzung an die Ostfront durchaus den Tod zur Folge haben, was viele sicher abgeschreckt hatte.

Die Flucht aus dieser Misere bestand für viele im exessiven Alkoholkonsum, der auch reichlich gefördert wurde. So waren die Maschienengewehrschützen der Massenmorde unter freiem Himmel während ihrer Mordtaten oft stockbesoffen. Alkohol enthemmt und dies wurde seitens der Führung durchaus erkannt und genutzt.

Himmler selbst beklagte in seiner Geheimrede vor hochrangigen SS-Offizieren selbst den moralischen Verfall seiner Truppe in dem er das "ehrenvolle Durchhalten" der übrigen besonders betont: "... bis auf wenige Ausnahmen dabei anständig geblieben zu sein..."

Das Massenmorden musste nicht zuletzt deshalb industrialisiert werden, weil die ausführenden Männer ihre eigenen Taten nicht ertrugen. Es ist selbst für einen überzeugten Nazi eben etwas anderes von einem judenfreien Europa zu faseln und dann selbst z.B. eine Mutter mit ihrem kleinen Kind zu erschießen, das vielleicht im gleichen Alter war wie das eigene Kind.Die Ausfallraten waren hoch, die Krankenstände erreichten Rekorde und so musste in den Augen der Führung andere Lösungen her - eben die Trennung zwischen dem eigentlichen Mordakt und dem eigenen Zutun.

Darum fiel es den Menschen leichter ihre Augen vor ihrer eigenen Grausamkeit zu verschließen, wenn die Opfer in Kammern gesperrt wurden und das grauenhafte Sterben nur gedämpft (wenn überhaupt) direkt miterlebt wurde.

Es ist außerdem bekannt, dass junge SS-Männer, die gerade ihren Dienst in den Konzentrationslagern begannen (vergessen wir nicht, das waren ja hauptsächlich sehr junge Leute, welche gerade von Mama und Papa ausgezogen waren) systematisch brutalisiert wurden. Wenn ein neuer der Wachmannschaften also zu zaghaft war, wurde er entsprechend "rangenommen". Und es ist leider wahr, das ständige Gewalt abstumpft, man gewöhnt sich einfach daran - egal wie grauenhaft die Szenerie sein mag.

Es gibt z.B. einen Grund, weshalb bei millitärischen Erschießungskommandos 12 Soldaten einen einzigen Gefangenen erschießen, dabei würde ja ein einziger Soldat reichen. Wenn mehrere Menschen diese Tat ausüben, wird die eigene Verantwortung erheblich reduziert - man kann ja zu recht sich einreden, dass es eh keinen Unterschied gemacht hätte.

Wenn sich Soldaten oder SS-Männer als schwierig erwiesen, wurden sie ohnehin nicht länger für diese Mordaufgaben eingesetzt. Denn natürlich fürchtete man mehrere Dinge:

  • rapider Verlust der Kampfmoral
  • Verlust der wackeligen Geheimhaltung
  • Zweifel oder moralische Bedenken sollten sich keinesfalls auf die anderen ausbreiten!

earnest  29.06.2022, 09:30

Sternantwort.

1
PlueschTiger  10.07.2022, 15:17
@earnest

Würde mich glatt mal interessieren was der ZdJ zu der Antwort sagt. Fürchte leider ich kenne die Antwort. In wirklichkeit ist es aber eine recht interessante Analyse und reduziert nicht jeden pauschal zum Monster. Interessanter Weise sieht man auch hier wieder Paralelen zu Russlands Millitär/Soldaten.

0
earnest  10.07.2022, 15:20
@PlueschTiger

Da der Zentralrat der Juden mit der Geschichte des "Dritten Reiches" bestens vertraut ist, bin ich sicher: Er würde dem zustimmen.

Diese Analyse dürfte jedem Kenner der Materie bekannt sein.

0
PlueschTiger  10.07.2022, 15:38
@earnest

Für den ZdJ dürfte einige Antworten meiner vermutung nach eher bereits an relativierung und ähnlichen grenzen. Wenn bereits Holocaus mit anderen Genoziden gleichstellen, als verharmlosung angesehen wird; Israel oder einen Israeli für seine Taten kritisieren vom ZdJ mit Israel das Existenzrecht aberkennen gleichstellt, da zweifle das der ZdJ es Neutral sieht. Bedenke das man eine 90 jährige Sekretären aus einem KZ nun den Prozess macht und das auch noch auf Zustimmung trifft, während selbst einige noch lebende Insassen darüber nur noch mit dem Kopf schütteln können.

0
earnest  10.07.2022, 15:39
@PlueschTiger

Ich kann dir bei nichts von dem, was du schreibst, folgen. Und das meine ich nicht "intellektuell".

Aber natürlich kann jeder spekulieren, wie es ihm gefällt.

0

Meine Mutter hat mir zumindest erzählt, dass Männer, die sich nicht einziehen haben lassen (generell, nicht fürs KZ) im 2WK erschossen worden sind.

Vielleicht ging es beim KZ gleich.

Woher ich das weiß:Hobby – Ich habe ein Gehirn und versuche, es zu benutzen.

Eisenhieb  28.06.2022, 13:22

Ja, Desertation oder Verweigerung wurde mit dem Tode bestraft. Dies gilt aber nicht so sehr für die Weigerung bei Massenmorden. Siehe meinen Text.

0

Durch Dokumente konnte belegt werden, dass Befehlshaber von Mordeinheiten wiederholt ihre Männer freistellten, wenn sie sich an Mordaktionen nicht beteiligen wollten. Wer sich so entschied, wurde nachweislich nicht bestraft. Tatsächlich kam es vor, dass solche Männer als „Schwächlinge“ oder „Feiglinge“ geschmäht und aus der Kameradschaft ausgegrenzt wurden. Doch solche relativ milden Nachteile rechtfertigen nicht den Zwang an einer Teilnahme an jeder Vorgabe. Ebenso verhält es sich mit Mitgliedern der SS die in Konzentrationslagern eingesetzt wurden. Jeder der dort war wollte auch dort sein!

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Geschichte Schwerpunkt Deutsches Reich / Nationalsozialismus

Nichts.

KZ-Wachmannschaften weisen eine hohe Fluktuation auf. Da hat man sich in diesem Rahmen jederzeit versetzen lassen können...