Die Antwort darauf liegt in einer komplexen Kombination aus persönlicher Verdrängung, gesellschaftlichem Schweigen und politischen Entscheidungen. Nach 1945 überlebten viele Täter, darunter Personen, die direkt für Massenmorde verantwortlich waren. Psychologisch betrachtet, fanden viele Mittel und Wege, ihre Taten zu rechtfertigen oder zu verdrängen. Sie sahen sich als „Befehlsempfänger“ oder rationalisierten ihr Handeln als notwendigen Teil eines größeren Systems. Einige glaubten vielleicht sogar an die Rechtmäßigkeit ihrer Verbrechen – eine Folge der intensiven Propaganda und Entmenschlichung der Opfer durch das NS-Regime.
Die Nachkriegsgesellschaft bot ebenfalls eine Art Schutzschild. Die juristische Aufarbeitung war begrenzt: Nur ein kleiner Bruchteil der Täter wurde strafrechtlich verfolgt. Viele konnten in den Nachkriegsstaaten untertauchen oder sich durch falsche Identitäten schützen. In Westdeutschland, wo der Wiederaufbau und die Integration ehemaliger NSDAP-Mitglieder Vorrang hatten, wurden zahlreiche ehemalige Nazis wieder in öffentliche Ämter und wirtschaftliche Positionen integriert. Ein prominentes Beispiel ist Hans Globke, der trotz seiner Mitverantwortung für die Nürnberger Gesetze später in der Bundesregierung arbeitete. Viele Täter lebten nach dem Krieg ein unauffälliges Leben. Sie gründeten Familien, gingen alltäglichen Berufen nach und blendeten ihre Vergangenheit aus. Manche fühlten keine Reue, andere verdrängten ihre Schuldgefühle oder rechtfertigten ihr Handeln weiterhin. Einige wie Josef Mengele oder Alois Brunner flohen ins Ausland und entzogen sich gänzlich der Justiz.
Die Gesellschaft spielte ebenfalls eine Rolle. Die Mehrheit der Deutschen war in den ersten Nachkriegsjahren mehr mit dem Überleben und Wiederaufbau beschäftigt als mit der Aufarbeitung der NS-Verbrechen. Schweigen und Verdrängen waren weit verbreitet, sowohl bei den Tätern als auch bei der allgemeinen Bevölkerung.
LG aus Tel Aviv