Was sind die größten Hindernisse, die Euch als Betroffene davon abhalten, professionelle Suchthilfe in Anspruch zu nehmen?

3 Antworten

Vom Beitragsersteller als hilfreich ausgezeichnet

Fehlende Motivation etwas ändern zu wollen, Mangel am Selbstwert und damit kein Vertrauen in sich und oft auch nicht in andere. Die Unterstützung wird oft nicht angenommen, weil man keine anderen mit reinziehen möchte und/oder belasten will. Das jedenfalls zu mir.


Sandro von mudrastreetwork 
Beitragsersteller
 30.07.2024, 11:11

Danke für deine persönliche Antwort! Aus diesen Gründen ist es für Einrichtungen der Suchthilfe wichtig, sich gute konzeptionelle Gedanken zu machen. Hilfsangebote müssen eine Umgebung schaffen, in der sich Betroffene sicher und unterstützt fühlen, ohne das Gefühl zu haben, eine Last für andere zu sein… Und der Zugang dazu muss so niedrigschwellig wie möglich gestaltet werden (z.B. durch Angebote der anonymen Onlineberatung).

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Es gab in meiner Vergangenheit Lebensabschnitte, da konnte man mir trotz massivem und exzessiven multiplen Substanzmissbrauch keine Sucht diagnostizieren, sondern obwohl die meisten Kriterin erfüllt wurden, war es nur "multipler Substanzmissbrauch" - denn an den Lebensunständen hätte auch eine Therapie oder Drogenberatung nichts ändern können.

Was mich persönlich aber zusätzlich davon abgehalten hat, eine Drogenberatungsstelle aufzusuchen, ist die Tatsache, dass die Sozialpädagogen und Therapeuten meistens keine persönliche Erfahrung haben und es für mich immer sehr schwer nachvollziehbar war, wie man jemandem etwas vermitteln möchte, von dem man nur Theoriekenntnisse hat, aber keine eigene Erfharung.

Ich weiss, es ist in 99% der Fällen so, aber das ist der Grund, warum ich den neuen Beruf "Genesungsbegleiter" so sehr feiere - dass sind Menschen in Therapieeinrichtungen, die selbst mindestens 1 psychische Krankheit erfogreich behandelt haben und geheilt sind.

Das sollte es meiner Meinung nach auch in Drogenberatungsstellen geben

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – 20+ Jahre Konsument gewesen | clean ✅️

Sandro von mudrastreetwork 
Beitragsersteller
 30.07.2024, 11:35

Vielen Dank für deine ausführliche Antwort! Sie unterstreicht die Bedeutung von Empathie und persönlicher Erfahrung in der Suchthilfe. Ich glaube auch, dass man Hilfe erst dann richtig annehmen kann, wenn man sich wirklich verstanden fühlt. Deshalb setzen bereits viele Einrichtungen aus der Suchthilfe ehemalige Betroffene (Ex-User) als Berater:innen ein. Diese bringen nicht nur theoretisches Wissen, sondern auch persönliche Einblicke in die Suchtproblematik mit, was sowohl den Beziehungsaufbau als auch den Beratungsprozess authentischer gestalten kann. Allerdings variiert der Einsatz von Ex-Usern natürlich je nach Konzeption und Trägerschaft der Drogenberatungsstelle… 

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SimpleHuman  30.07.2024, 11:41
@Sandro von mudrastreetwork

Schwer. Ich weiss nicht, ob "Empathie" wirklich der passende Begriff ist.

Vll bin ich auch ein Spezialfall, aber einem empathielosen Ex-User, der eine Sucht einmal durchgemacht und überwunden hat und einfach nur eiskalt Fakten auf den Tisch legt, hätte ich früher eher Hilfe angenommen als von jemanden der absolut und mega empathisch ist aber keinerlei persönliche Erfahrung hat.

Das ist eine tolle Entwicklung, dass es Konzepte gibt, in denen Ex-User eine Rolle spielen.

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Ich bin Problemtrinker und würde sofort eine Therapie machen, aber ich kann die Probleme selbst nicht lösen und Hilfe habe ich keine, würde danach wahrscheinlich gleich wieder trinken.
Vielleicht ändert sich das in ein paar Wochen bis Monaten, aber aktuell wäre es Quatsch.


Sandro von mudrastreetwork 
Beitragsersteller
 30.07.2024, 11:19

Vielen Dank für deine Antwort! Die Befürchtung, nach einer Therapie wieder in alte Muster zurückzufallen, ist nicht ungewöhnlich und unterstreicht die Notwendigkeit einer nachhaltigen Unterstützung. Hier kommt das ausdifferenzierte Hilfesystem ins Spiel. Die Suchthilfe ist tatsächlich sehr vielfältig und bietet verschiedenste Formen der Unterstützung, die weit über die initiale Therapie hinausgehen. Neben der direkten Behandlung der Sucht selbst beinhalten diese Programme oft Komponenten, die auf die zugrundeliegenden psychologischen oder sozialen Probleme eingehen, welche die Sucht begünstigen können. Therapeutische Angebote, Selbsthilfegruppen, ambulante Dienste und langfristige Nachsorgepläne sind Beispiele für die Unterstützungsstrukturen, die dazu beitragen können, die Resilienz der Betroffenen zu stärken und Rückfälle zu verhindern. Aber wie immer muss es dazu natürlich auch einen möglichst niedrigschwelligen Zugang geben, was sicherlich nicht überall der Fall ist. Darum spielen meines Erachtens nach Onlineberatungsangebote wie etwa DigiSucht eine wichtige Rolle in der Suchthilfelandschaft. 

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SirSulas74  30.07.2024, 11:28
@Sandro von mudrastreetwork

Ja, kenne mich etwas aus. Das liegt bei mir am ganzen Umfeld, ich muss da vorher oder gleichzeitig raus (Am besten gleich in eine andere Stadt), aber sowas geht ja nicht auf die Schnelle.

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SirSulas74  30.07.2024, 11:37
@SirSulas74

Die Zuständigen halten mich für einen "bösartigen" Menschen, der aus dem Grund Probleme hat. Kann froh sein, wenn ich überhaupt in irgendeiner Form Hilfe bekomme.

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Sandro von mudrastreetwork 
Beitragsersteller
 30.07.2024, 11:41
@SirSulas74

Ja das stimmt, sich einen neuen Lebensmittelpunkt abseits der eigenen Suchtgeschichte aufzubauen ist ein riesengroßer Schritt. Gleichzeitig ist das meines Erachtens nach für ganz viele Menschen und Lebenssituationen essenziell. Man kann sich noch so viele Konsumalternativen aufbauen, neue Tagesabläufe etablieren und sich von konsumbezogenen Kontakten distanzieren. Aber sobald man in der "alten" Stadt in einer wackeligen Situation "Leute von früher" trifft, wird's für die meisten Betroffenen wieder riskant. Trotzdem ist es natürlich alles andere als einfach, eine solche Entscheidung für einen neuen Lebensmittelpunkt zu treffen und umzusetzen.

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SirSulas74  30.07.2024, 11:45
@SirSulas74

Bin quasi der Löwe mit dem Dorn in der Tatze, der aggressiv wird, wenn man sich ihm nähert und sich nicht behandeln lassen will.

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