Was ist das Menschenbild von Immanuel Kant

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Das ist richtig und falsch. Der Mensch lebt in der "WELT AN SICH". Genauer DER MENSCH AN SICH lebt in der WELT AN SICH. Der Mensch mit seinem Bewusstsein lebt in der ERFAHRBAREN WELT. Aber die ERFAHRBARE WELT ist keine andere Welt als die WELT AN SICH, sondern, mengenmathematisch ausgedrückt, sie ist eine echte Teilmenge der WELT AN SICH.

Beispiel: Heute wissen wir - dank der Mikroskope - von Bazillen und Viren. Im Mittelalter jedoch hatten die Leute keine Ahnung von Bazillen und Viren. Aber diese waren dennoch existent und die Menschen damals haben sehr wohl die Krankheiten wahrgenommen, die von Bazillen und Viren verursacht wurden. Man kann also sagen, dass wissensmäßig die Welt des Mittelalters eine echte Teilmenge der heutigen bekannten Welt war. Und die heutige bekannte Welt ist eine echte Teilmenge einer noch nicht im ganzen Ausmaß bekannten WELT AN SICH:

Der Mensch jedoch nimmt seine jeweilige erfahrbare Welt nicht einfach als eins zu eins abgebildeter Teil der WELT AN SICH wahr. Er bastelt sich im Bestreben nach einer kompletten Kausalität eine Weltsicht, die ihm eine GESAMTWELTSICHT auf Basis seiner ihm zugänglichen Daten erklärt. Im Beispiel: Da sie im Mittelalter keine Ahnung von Bazillen und Viren hatten, haben sie sich die dadurch verursachten Krankheiten als Folge von Sünde, Schuld und bösen Geistern erklärt. Gemessen an unserer heutigen Sicht, da wir ja Bazillen und Viren als Krankheitsverursacher kennen, war deren Weltsicht gegenüber unserer nicht nur unvollkommener, sie war irgendwie auch grober und mehr verzerrt.

Warum habe ich oben in der Mensch und DER MENSCH AN SICH unterschieden. Weil wir auch uns selbst betreffend keine komplette Information haben. Hätten wir eine komplette Information, würden wir DEN MENSCHEN AN SICH KENNEN: Aber die neuesten Ergebnisse der Hirnforschung z.B. zeigen, dass wir noch lange nicht alles über uns wissen. Wir haben ein REDUZIERTES BILD von uns selbst in einer bewusst reflektierten Welt, die auch ein REDUZIERTES BILD der WELT AN SICH ist. Aber es gibt natürlich keinen reduzierten Menschen und keine reduzierte Welt. Beides ist ein Problem unseres unvollkommenen Wissens und unsere Theorien, wie alles zusammenpasst, spiegeln als Verzerrung nur die Unvollkommenheit unseres Wissens wieder. Daher können wir nach Kant sicher sein, dass unser Bild von der Welt und uns selbst immer in dem Maße "schief" ist, wie wir kein vollkommenes Wissen darüber haben.


esma58 
Beitragsersteller
 15.12.2011, 21:56

Super, genau das habe ich gebraucht. Vielen vielen Dank :)

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Der Mensch das rationale Wesen

Wir können apriori nur durch die Vernunft erkennen.

Es ist richtig, wenn du sagst, der Mensch gehöre nach Kant zwei Welten an: Er ist einerseits Naturwesen und insofern den Naturgesetzen unterworfen; andererseits ist er Vernunftwesen und insofern dem Sittengesetz „unterworfen“. Diese letztere Art der „Unterwerfung“ ist aber nach Kant ein Akt der Freiheit, nicht der zwanghaften Unterordnung, wie es gegenüber den Naturgesetzen geschieht. Diese Art der Freiheit ist für den Menschen die einzig mögliche. Das Freiheitsmoment liegt darin, dass sich das freie moralische Subjekt dem Sittengesetz um des Sittengesetzes willen „kategorisch“, d.h. ohne äußere Autorität, weder weltlicher noch himmlischer, unterordnet. Eine totale Freiheit, d.h. Loslösung von jeder irgendwie gearteten Gebundenheit führt zwangsläufig zum Kampf aller gegen alle; den aber muss der Mensch als Vernunftwesen ablehnen (s. weiter unten). So kommt Kant also zu der Notwendigkeit des Sittengesetzes in der Form des kategorischen Imperativs. Wie begründet er das? Da der Mensch auch ein Vernunftwesen ist und somit den Willen hat, vernünftig zu handeln, muss er sich allgemeingültigen, objektiv praktischen Vernunftgrundsätzen unterwerfen, denn nur Handlungen gemäß dieser Grundsätze sind Vernunfthandlungen. Ein Handeln außerhalb solcher allgemeingültiger vernünftiger Grundsätze ist unvernünftig. Insofern muss die subjektive Maxime eines Menschen immer zugleich einer allgemeingültigen (und vernünftigen) Gesetzgebung entsprechen. Dieses Handlungsprinzip lautet also: „Handle so, dass die Maxime deines Handelns jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne!“ Das Vernunftgesetz, dem allein sich die individuelle Vernunft unterwerfen will, muss aber zugleich auch ein moralisches Gesetz sein. Das begründet Kant so: Jeder will unter Zuständen leben, die moralisch erstrebenswert sind. Wie aber kann die Vernunft das moralisch Erstrebenswerte erkennen? Unmoralische Maximen führen zu einem Selbstwiderspruch bzw. zu heillosen Zuständen, die ein vernünftiger Mensch auf keinen Fall erstreben möchte. Z.B die Maxime: „Ich will mir Geld leihen, ohne die Absicht zu haben, es zurückzuzahlen.“ Oder: „Ich will mich nur um mich selber kümmern und nicht um die Probleme anderer.“ Oder: „Ich spende nie. Ich brauche mein Geld ausschließlich für mich selber; eventuell spende ich, aber nur, um mein Image zu pflegen.“ Solche Maximen (allgemein geübt!) befördern den Egoismus und führen allmählich zu einer Auflösung der Gesellschaft, letztlich zum Kampf aller gegen alle. Daraus ergibt sich der moralisch geprägte kategorische Imperativ: „Handle so, dass du die Menschheit jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchst.“ Aus diesen Gedankengängen resultiert auch der kantsche Freiheitsbegriff: Der Mensch als vernünftiges Wesen kann nur das Vernünftige wollen, denn das Unvernünftige widerspricht seinem Wesen. Er ist demnach nur frei, wenn er vernünftig handelt. Das Vernünftige ist aber zugleich das Moralische, denn unmoralische Zustände führen zu einem Selbstwiderspruch und zu heillosen Zuständen, die ein vernünftiger Mensch auf keinen Fall erstreben möchte (s.o.). Mit Hilfe der praktischen Vernunft kommt Kant auch zu einer Art moralischen Gottesbeweis (denn die Tatsache, dass er Gott kraft der theoretischen Vernunft für unerkennbar und unbeweisbar erklärt, bedeutet nicht, dass er die Existenz Gottes leugnet). Konsequentes moralisches Handeln ist nicht möglich ohne den Glauben an Freiheit, Unsterblichkeit und Gott. Wer moralisch handelt, gibt durch sein Handeln zu erkennen, dass er an die Existenz dieser Ideen glaubt - auch wenn er sie theoretisch vielleicht verleugnet. Sittliches Handeln ist praktische Gottesbejahung (allerdings nennt Kant diese Art Gottesbejahung nicht Beweis, sondern Postulat). Die „Gottbezogenheit“ der Philosophie Kants ergibt sich auch aus folgenden seiner Aussprüche: „Ich kann von Gott keine theoretische Erkenntnis haben, wohl aber eine Erkenntnis nach der Analogie, und zwar die der Vernunft zu denken notwendig ist.“
Oder: „Der Glaube an einen Gott und eine andere Welt ist mit meiner moralischen Gesinnung so verwebt, dass, so wenig ich Gefahr laufe, die letztere einzubüßen, eben so wenig besorge ich, dass mir der erstere jemals entrissen werden könne.“ (s. „Denken mit Kant“, S. 127)

Es ist richtig, wenn du sagst, der Mensch gehöre nach Kant zwei Welten an: Er ist einerseits Naturwesen und insofern den Naturgesetzen unterworfen; andererseits ist er Vernunftwesen und insofern dem Sittengesetz „unterworfen“. Diese letztere Art der „Unterwerfung“ ist aber nach Kant ein Akt der Freiheit, nicht der zwanghaften Unterordnung, wie es gegenüber den Naturgesetzen geschieht. Diese Art der Freiheit ist für den Menschen die einzig mögliche. Das Freiheitsmoment liegt darin, dass sich das freie moralische Subjekt dem Sittengesetz um des Sittengesetzes willen „kategorisch“, d.h. ohne äußere Autorität, weder weltlicher noch himmlischer, unterordnet. Eine totale Freiheit, d.h. Loslösung von jeder irgendwie gearteten Gebundenheit führt zwangsläufig zum Kampf aller gegen alle; den aber muss der Mensch als Vernunftwesen ablehnen (s. weiter unten). So kommt Kant also zu der Notwendigkeit des Sittengesetzes in der Form des kategorischen Imperativs. Wie begründet er das? Da der Mensch auch ein Vernunftwesen ist und somit den Willen hat, vernünftig zu handeln, muss er sich allgemeingültigen, objektiv praktischen Vernunftgrundsätzen unterwerfen, denn nur Handlungen gemäß dieser Grundsätze sind Vernunfthandlungen. Ein Handeln außerhalb solcher allgemeingültiger vernünftiger Grundsätze ist unvernünftig. Insofern muss die subjektive Maxime eines Menschen immer zugleich einer allgemeingültigen (und vernünftigen) Gesetzgebung entsprechen. Dieses Handlungsprinzip lautet also: „Handle so, dass die Maxime deines Handelns jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne!“ Das Vernunftgesetz, dem allein sich die individuelle Vernunft unterwerfen will, muss aber zugleich auch ein moralisches Gesetz sein. Das begründet Kant so: Jeder will unter Zuständen leben, die moralisch erstrebenswert sind. Wie aber kann die Vernunft das moralisch Erstrebenswerte erkennen? Unmoralische Maximen führen zu einem Selbstwiderspruch bzw. zu heillosen Zuständen, die ein vernünftiger Mensch auf keinen Fall erstreben möchte. Z.B die Maxime: „Ich will mir Geld leihen, ohne die Absicht zu haben, es zurückzuzahlen.“ Oder: „Ich will mich nur um mich selber kümmern und nicht um die Probleme anderer.“ Oder: „Ich spende nie. Ich brauche mein Geld ausschließlich für mich selber; eventuell spende ich, aber nur, um mein Image zu pflegen.“ Solche Maximen (allgemein geübt!) befördern den Egoismus und führen allmählich zu einer Auflösung der Gesellschaft, letztlich zum Kampf aller gegen alle. Daraus ergibt sich der moralisch geprägte kategorische Imperativ: „Handle so, dass du die Menschheit jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchst.“ Aus diesen Gedankengängen resultiert auch der kantsche Freiheitsbegriff: Der Mensch als vernünftiges Wesen kann nur das Vernünftige wollen, denn das Unvernünftige widerspricht seinem Wesen. Er ist demnach nur frei, wenn er vernünftig handelt. Das Vernünftige ist aber zugleich das Moralische, denn unmoralische Zustände führen zu einem Selbstwiderspruch und zu heillosen Zuständen, die ein unvernünftiger Mensch auf keinen Fall erstreben möchte (s.o.). Mit Hilfe der praktischen Vernunft kommt Kant auch zu einer Art moralischen Gottesbeweis (denn die Tatsache, dass er Gott kraft der theoretischen Vernunft für unerkennbar und unbeweisbar erklärt, bedeutet nicht, dass er die Existenz Gottes leugnet). Konsequentes moralisches Handeln ist nicht möglich ohne den Glauben an Freiheit, Unsterblichkeit und Gott. Wer moralisch handelt, gibt durch sein Handeln zu erkennen, dass er an die Existenz dieser Ideen glaubt - auch wenn er sie theoretisch vielleicht verleugnet. Sittliches Handeln ist praktische Gottesbejahung (allerdings nennt Kant diese Art Gottesbejahung nicht Beweis, sondern Postulat). Die „Gottbezogenheit“ der Philosophie Kants ergibt sich auch aus folgenden seiner Aussprüche: „Ich kann von Gott keine theoretische Erkenntnis haben, wohl aber eine Erkenntnis nach der Analogie, und zwar die der Vernunft zu denken notwendig ist.“
Oder: „Der Glaube an einen Gott und eine andere Welt ist mit meiner moralischen Gesinnung so verwebt, dass, so wenig ich Gefahr laufe, die letztere einzubüßen, eben so wenig besorge ich, dass mir der erstere jemals entrissen werden könne.“ (s. „Denken mit Kant“, S. 127)


Haldor  28.12.2011, 14:42

Hallo! In Zeile 15 (von unten) ist mir ein Flüchtigkeitsfehler unterlaufen. Es muss natürlich heißen: ".......die ein vernünftiger Mensch auf keinen Fall erstreben möchte."

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