Was haltet ihr von Archäologischen Ausgrabungen? Grabschändung oder nicht?

8 Antworten

Schwierige Frage, in der Tat.

Man kann und sollte einiges tun, um die Toten und ihre Kultur zu respektieren.

Es ist ja grundsätzlich so: wenn man etwas archäologisch ausgräbt, dann macht man es dabei kaputt. Es gehen immer Funde und Daten dabei verloren. Deswegen werden manche Bereiche schon heute absichtlich im Boden gelassen oder wieder zugeschüttet. Wenn man also Grabungsprojekte vorsichtig abwägt, die Menschen vor Ort einbezieht und nach Notwendigkeit (weil dort gebaut wird) oder zu erwartenden Erkenntnisgewinn entscheidet, dann überwiegt für mich die Suche nach Wissen und Verständnis alter Kulturen gegenüber dem Respekt vor den materiellen Resten.

Ich persönlich kenne mich vor allem mit Ägypten aus, und da ist es wirklich extrem zwiespältig: einerseits sollte man nach altägyptischem Glaube die Gräber nicht zerstören... andererseits waren Renovierungen, Umnutzung der Gräber und Umbettungen durchaus schon in der Bronzezeit verbreitet. Und heute noch die Namen der damals Verstorbenen auszusprechen und aufzuschreiben ist absolut im Sinne der altägyptischen Kultur - der Körper des Tutanchamun mag allein in seinem entleerten Grab liegen, aber sein Name ist bekannter und berühmter als zu seinen Lebzeiten!

Wenn ein Museum zum Beispiel eine Mumie in einer abgedunkelten Nische ausstellt, den Namen der Person dranschreibt und die zugehörigen Grabbeigaben in unmittelbarer Nähe ausstellt - das ist nach ägyptischer Vorstellung eigentlich ganz ok.

Eine ausgewickelte Mumie, ohne ihre Binden, Amulette, Sarg und Besitztümer in einen Glaskasten mitten im Raum, als Gegenstand für 's Gaffen und Gruseln? - eher nicht.

Ich spreche halt immer noch ein Totengebet, wenn ich in einem ägyptischen Museum bin, oder lese die Opferformeln von den Scheintüren ab.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Grundstudium Ägyptologie und Geschichtswissenschaft

Frage von Jiren729:

Was haltet ihr von Archäologischen Ausgrabungen? Grabschändung oder nicht?
[...]
Dabei wurden ja Leichen bzw. Särge geöffnet ...
[...]
Wie steht ihr dazu, seht ihr es als Leichenschändung oder nicht?
Ich meine damit, streng genommen waren das ja Menschen, wenn ich mir vorstelle das Menschen in der Zukunft unsere Särge öffnen werden und uns ins Museum stellen.

Aufgrund meines Hobbys - meiner persönlichen Kontakte zu Archäologinnen und Archäologen - kann ich sagen, dass die Archäologie mit Ehrfurcht und Respekt diese Themen erforscht.

Wer je dabei war, merkt, dass es an Pietät nicht mangelt, wenn Gebeine geborgen werden.

Wenn Du, Jiren729, in diesem Zusammenhang von Zukunft sprichst, weiß ich nicht wann das für Dich ist, wann Dein Grab ggf. geöffnet wird - in 100 Jahren in 1000 oder gar in 10.000 Jahren?

Grundsätzlich halte ich das für nicht verwerflich, ja unserer Natur zu schulden, natürlich, gar notwendig.

Mich belustigt der Gedanke, wenn mein ´Haus und Hof´, mit mir und samt meinen archäologischen Steinzeitfunden wie in Pompeji begraben wird, ob die ausgrabende Archäologie dieses Rätsel in 50.000 Jahren lösen kann?

Meinen Segen haben sie. 😇

Woher ich das weiß:Hobby – Kooperation mit Archäologen und Landesämtern

Neugier4711  09.09.2024, 14:37

Wenn es die Menschheit dann noch gibt und sie sich nicht selbst ausgelöscht haben, könnte es von Interesse sein, wie heute Museen aus der Antike https://en-m-wikipedia-org.translate.goog/wiki/Ennigaldi-Nanna's_museum?_x_tr_sl=en&_x_tr_tl=de&_x_tr_hl=de&_x_tr_pto=sc Hoffe der Link funktioniert, denn tatsächlich gibt es bei Wikipedia über diese alten Museen nur englischsprachige Artikel. https://en.wikipedia.org/wiki/Ennigaldi-Nanna%27s_museum falls übersetzung nicht möglich

Hayns  09.09.2024, 17:12
@Neugier4711

Daran angelehnt war mein Beitrag - denn meine Artefakte tragen überwiegend keine "Museumsetiketten" oder sonstige Beschriftungen, da alles in Bild und Schrift dokumentiert ist und in den Landesämtern archiviert.

Nur meine Dokumentationen und die der Landesämter werden längst vergangen sein, aber die Steinartefakte bleiben.

Solange man mit Respekt und Vorsicht vorgeht und das ganze nur macht um mehr über das Leben damals herrauszufinden, denke ich nicht das das als Grab/Leichenschändung anzusehen seien sollte.

Schwierige Frage.
Grundsätzlich gilt es natürlich, das man da andere Kulturen und Gesellschaften respektieren sollte.
Das ist dann natürlich sehr einfach, wenn entsprechende Kulturne oder zumindest deren Nachfahren heute noch leben, oder es sonstwie Willensbekundungen gibt.
So empfinde ich z.b. Ausgrabungen auf Stammesgebieten (egal in welchem Land/Kontinent) ohne deren Zustimmung als höchst verwerflich.
Als Archäologie oder Kulturwissenschaftler ist man da quasi Gast in einer anderen Kultur und hat sich meiner Meinung nach als Gast zu verhalten - das man da untersuchen und lernen darf sollte man als Geschenk und nicht als Selbstverständlichkeit empfinden.

Schwieriger ist es dann natürlich, wenn es weder entsprechende Stämme, Kulturen usw gibt.
Zum Glück greifen dann hierzulande, aber auch in vielen anderen Ländern, diverse rechtliche Rahmenbedingungen.

Insgesamt würde ich sagen, dass man deine Frage nicht so einfach beantworten kann und das sicher auch eine sehr individuelle Sache ist, die nicht jeder gleich sieht.

Wenn mit Vorsicht und Respekt bei der Öffnung von Gräbern, Bergung der Toten und der Grabbeigaben vorgegangen wird, kann man nicht von Leichenschändung sprechen. Alles trägt zur Erforschung des damaligen Lebens und damit auch unseres heutigen Lebens bei. Außerdem lässt sich durch Untersuchung der Mumien das Verwandtschaftsverhältnis der Toten ermitteln, welche Krankheiten evtl. vorlagen, welche Verletzungen sie erlitten, die evtl. auch zum Tod führten usw.

Ötzi hat man auch geborgen und nicht da oben am Berg liegen gelassen. Durch die Untersuchungen hat man sehr viel Einblick in die Zeit erhalten, zu der er lebte, welche Regionen miteinander Handel betrieben und mehr.

Wir wüsste sehr viel weniger aus unserer Vorzeit, wenn Gräber und Leichen nicht erforscht worden wären.