Was für Deutsch ist das?
"Loibere risen von den boimen hin zu tal, des stan blot ir este. Blomen sich wisen daz se sint verturben al, schoone was ir gleste. Sus twinget de rife maniger hande wurzel sal, des bin ich gar sere betrübet. Nu ich zu grife sinte der winder ist so kal des wirt newe froide geübet."
-Loibere Risen (Faun)
5 Antworten
Überliefert
ist der dort um 1350 nachträglich eingefügte Text in der Jenaer
Liederhandschrift, die in den ersten Jahrzehnten des 14. Jh, geschrieben wurde. (Glaub also songtexte.com besser nicht, wenn dort steht:"Loibere Risen Songtext von Angelo Branduardi", der lebt nämlich noch.)
In der Jenaer HS sind alle „Sprüche“ (= lehrhafte Dichtung) und Minnelieder enthalten, die von „Wizlaw dem Jungen“ erhalten sind, von dem alle Regionalpatrioten und die Mehrzahl der Forscher annehmen, dass es sich bei ihm um den späteren Fürsten der Insel Rügen Wizlaw III. (gestorben 1325) handelt.
Die Sprache, in der die Texte überliefert sind, zeigen das Bestreben, sie in der damals üblichen einheitlichen Sprache aller dt. Dichter abzufassen, und das war ein Mittelhochdeutsch oberdeutscher (d.i. bairisch-allemannischer)
Prägung. Etliche Elemente zeigen jedoch, dass die Heimatsprache offensichtlich nicht das Hoch-, sondern das Niederdeutsche gewesen sein muss.
Was die eigenartige Rechtschreibung der Verse in der Jenaer Handschrift mit u.a. einer Menge y und ph anlangt, so ist klar: Einen Konrad Duden hat’s damals (leider?) noch nicht gegeben:
Loybere risen
Loybere risen.
von dem boymē hin tzů tal.
des stan blot ir este.
Blomen sich wisen.
daz se sint vůr torben al.
scone wast ir gleste
Sus twinghet deriphe.
manigher hande vůrtzel sal.
des bin ich ghar sere be trůbet.
Nu ich tzů griphe.
sint der winder ist so kal.
des wirt nuwe vroyde ghe ůbet.
Helphet mir scallen.
hundert tusent vroyden mer.
wen des meyien blůte kan bringhen.
Rosen de vallen.
an mir vrowen roter ler.
da von wil ich singhen.
Tuwinct mich de kulde.
al ir vůrtzel smaghes ger.
de sint an ir libe ghe strowet.
Vvorbe ich ir hulde.
so be drocht ich vroyden mer.
sus demīningliche mich vrowet.
Zu finden als Lied Nr. XVI auf: http://www.wizlaw.de/Wizlaw_Texte_mhd.pdf>
Daneben sieht man die vereinheitlichte Schreibweise, in der man im 19. Jh.
mittelhochdeutschen Texte gewöhnlich darstellte.
Sogar wie’s im Mittelniederdeutschen jener Zeit (also dem Platt des 13.Jh.) ausgesehen haben könnte oder dürfte, kann man im Internet sehen, denn da hat sich einer drum bemüht, der bezweifelt hat, dass die literarische mittelhochdeutsche Einheitssprache, in der es uns überliefert ist, vom Dichter selber stammt:
Nr XIII, Seite 50 auf https://books.google.at/books?id=_zzzuDPKrwsC&pg=PA50&lpg=PA50&dq=loybere+risen&source=bl&ots=tciChbOTYs&sig=3E_TlDCAHmpo0n4T2TkmDh3hijc&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwi73pObotzMAhXIXRQKHafhA0k4ChDoAQgcMAA#v=onepage&q=XIII.&f=false
Der Verfasser dieses Textes war offensichtlich Witzlaw III von Rügen (geboren im 13. Jahrhundert):
https://de.wikipedia.org/wiki/Wizlaw_III._(R%C3%BCgen)
Ein Zitat aus dem Wikipedia-Artikel:
"Vom Sänger Wizlaw sind uns 14 Lieder und 13 Sprüche überliefert, die als Nachtrag in der Jenaer Liederhandschrift auf den Blättern 72vb - 80vb enthalten sind. Sein Werk ist erstaunlich vielseitig: Sangsprüche zu moralischen Fragen, Minnelieder im Sinne der alten Meister, geistliche Gesänge, ein Rätsel, ein Tagelied, ein Lobspruch und immer wieder auch deutliche erotische Anspielungen. Auch musikalisch ist Wizlaw sehr experimentierfreudig: Man findet hochkomplexe melismatische Melodien genauso wie zupackende Gassenhauer, eine Komposition in reiner Pentatonik und sogar orientalische Anklänge. Sein bekanntestes Lied ist das Herbstlied Loibere risen, das sich auch heute noch im Repertoire vieler Mittelaltergruppen findet und sogar von Angelo Branduardi interpretiert wurde."
@adabei: Wie's mir so oft passiert: Ich seh jetzt erst nach dem Absenden meiner Antwort, wie viel davon du schon längst geschrieben hast. Tut mir leid! Wie ich den PC aufgemacht hab, war nämlich noch nichts Ernsthaftes da, und dann war die Seite viele Stunden lang - unverändert - offen.
Zur Unterhaltung: Da sind - von Krefeld bis Upsala - noch zwei Loybere risen-Versionen (das Y der JenaHS hört man nicht) :
http://tidido.com/a35184374491406/al55f1bf82a5f3907573a70983/t55f1bf83a5f3907573a70a00
https://mp3-music-download.com/music/Joculatores+Upsalienses/Loybere+risen
LG.-
K
Das ist doch kein Problem. Außerdem enthält deine Antwort schon noch einige neue Informationen.
Mittelhochdeutsch, nicht niederdeutsch oder plattdeutsch. Das zeigt sich an daz statt dat. Die hochdeutsche (auch: zweite) Lautverschiebung hat schon stattgefunden.
Klingt nach Mittel- oder Althochdeutsch aus dem Mittelalter. Es gibt noch überlieferte Dichtungen, z Bsp. von Walther von der Vogelweide, die in so einer Sprache geschrieben sind.
Der Text ist mittelalterlich (13. Jahrhundert). Daher tippe ich mal auf Mittelhochdeutsch.
@ LaplacesDemon: Hier ist die Version von Angelo Branduardi. Vielleicht interessiert die dich auch:
https://www.youtube.com/watch?v=jDw5Fwu2hTc