was bedeutet orexis bzw. euphraxia von Aristoteles?

2 Antworten

Orexis (ὄρεξις) bedeutet: Streben, Verlangen, Begehren

Das altgriechische Wort steht mit dem Verb ὀρέγειν (recken, strecken, ausstrecken; a) darreichen, entgegenstrecken; b) verleihen, geben; ὀρέγεσθαι = sich (aus)strecken; a) erreichen, treffen, b) nach etwas zielen, trachten, verlangen, begehren, streben) in Verbindung.

Orexis (ὄρεξις), Streben, ist nach Aristoteles eine allgemeine Bewegungsart der Lebewesen.

Beim Menschen kann das Streben vernunftgelenkt oder nicht vernunftgelenkt sein. Wo die Wahrnehmung entscheidet, lebt der Mensch nach Leidenschaft und strebt nach dem scheinbar Guten, der Begierde und dem Affekt unterworfen. Wenn der Mensch der Vernunft folgt, strebt er nach dem schlichten und zugleich wahrhaft Guten. Andere Antriebskräfte werden nicht beseitigt, wohl aber gelenkt.

Beim Streben im technischen Sinn (Tätigkeiten, die mit dem Einsatz von Mitteln auf ein über sie hinausgehendes eigenständiges Ziel weisen), dem Herstellen/Machen (ποίησις), kommt es nicht auf den Vollzug der Tätigkeit, sondern das schließliche Ergebnis an. Beim Handeln (πρᾶξίς) dagegen fallen Vollzug der Tätigkeit und Ziel zusammen. Dabei ist das gute Handeln, die εὐπραξία (eupraxia), selbst das Ziel (Aristoteles, Nikomachische Ethik 6, 5, 1140 b).

Eupraxia (εὐπραξία) bedeutet: Glück im Handeln, gutes Handeln, gute Handlung, gute Handlungsweise, guter Erfolg, Wohlergehen, Glück(seligkeit)

Der Begriff εὐπραξία (eupraxia) bzw. (mit gleicher Bedeutung) εὐπραγία (eupragia) drückt eine Koppelung von einem Handeln auf gute Weise mit Wohlergehen/Glückseligkeit aus.

Das Verb dazu ist εὖ πράττειν (sich wohlbefinden, glücklich sein, guten Erfolg haben; wörtlich genommen: gut handeln).

Der nähere Inhalt, der mit den Begriffen verbunden ist, ergibt sich aus dem Denkansatz des Philosophen Aristoteles in seiner Ethik und ihrer Anthropologie, insbesondere seiner Seelenlehre (Psychologie).

Allgemeine Philosophielexika (am ehesten bei Verwendung deutscher Wörter) und spezielle zur Antike bzw. zu Aristoteles können Informationen bieten.

Carolin Oser-Grote, orexis. In: Wörterbuch der antiken Philosophie. Herausgegeben von Christoph Horn und Christof Rapp. Originalausgabe. München : Beck, 2002 (Beck'sche Reihe ; 1483), S. 317:
„Größere Überlegungen über die o. stellte erstmals Aristoteles an, der o. als ein auf bewusster Willensentscheidung basierendes und der Vernunft zugängliches Vermögen der Seele definiert, welches sich in Begierde (→ epithymia/epithymêtikon), Mut/Eifer (→ thymos) und Wille (→ boulêsis) differenziert (De an. II 3, 414 b2). Die Willensentscheidung ist entweder strebende Vernunft oder vernünftiges Streben (o. dianoêtike), und das entsprechende Prinzip ist der Mensch (EN VI 2, 1139b4f.). Der Wille gehört zum überlegenden Teil der Seele, Begierde und Mut/Eifer zum unvernünftigen Teil (De an. III 9, 432 b4 – 6). Die o. ist daher ein Charakteristikum des Menschen, denn nur bei ihm – im Gegensatz zu den durch die → hormê bestimmten Tieren – kann das Streben auch vernunftgelenkt sein (De an. III 10, 433 b5 ff.). Der Mensch allein kann also zwei einander entgegengesetzten orexeis haben, was Aristoteles durch den dem Menschen eigentümlichen Zeitsinn erklärt, der bewirkt, dass die Vernunft um etwas Zukünftigen willen nach der einen Richtung, die Begierde aber wegen etwas Jetzigem nach der anderen zieht (De an. III 10, 433 b5 – 10; EN VI 2, 1139 b6 – 8). Da das Entschiedene en Überlegtes und Erstrebtes ist, das in unserer Gewalt steht, wird die Entscheidung das überlegende Streben (or. bouleutikê) nach den Dingen sein, die in unserer Gewalt stehen. Denn aus der Überlegung entsteht unser Urteil, und dann streben wir gemäß der Überlegung (EN III 6, 113 a10 – 13).“

o. = orexis (ὄρεξις)
De an. = Aristoteles, De anima (Περὶ ψυχῆς; Über die Seele)
EN = Ethica Nicomachea (Ἠθικὰ Νικομάχεια; Nikomachische Ethik)

Friedemann Buddensiek, eu prattein/eupraxia. In: Wörterbuch der antiken Philosophie. Herausgegeben von Christoph Horn und Christof Rapp. Originalausgabe. München : Beck, 2002 (Beck'sche Reihe ; 1483), S. 163:
„ 1. […]. Die mit eudaimonia gleichgesetzte eupraxia (Arist. Pol. 1325 b14f., EE 1219 b1f.) ist eine besondere → praxis (und in dieser Bedeutung nicht pluralfähig).
2. In pluralfähiger Bedeutung ist e. der glückliche Erfolg oder Glücksfall (EE 1233 b25).“

Arist. = Aristoteles
EE = Ethica Eudemia (Ἠθικὰ Εὐδήμεια; Eudemische Ethik)
e. = eupraxia (εὐπραξία)

Bücher über Aristoteles erhalten Erläuterungen, z. B.:

Otfried Höffe, Aristoteles. 3., überarbeitete Auflage, Originalausgabe. München : Beck, 2006 (Beck'sche Reihe : Denker ; 535), S. 197 – 199

Markus Riedenauer, Orexis und Eupraxia : Ethikbegründung im Streben bei Aristoteles. Würzburg : Königshausen & Neumann, 2000 (Epistemata : Reihe Philosophie ; Band 265). ISBN 3-8260-1693-9

orexis kann mit Streben übersetzt werden; alle Menschen streben nach Glück

eupraxia = gutes Handeln - A. war der Meinung, "dass man richtiges und ethisch gutes Handeln erlernen kann und muss, um fortschreitend richtig und gut zu handeln und um sein Urteilsvermögen in Bezug darauf zu entfalten." Wikipedia