Unterschied der Willensfreiheit in der Antike und der Neuzeit

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In der tradition. Auffassung ist der Wille die Fähigkeit zur Wahl oder Entscheidung, durch die wir bestimmen, welche Handlungen wir ausführen werden. Im Sinne von Entscheidungsfähigkeit wird der Wille natürlicherweise als jener Punkt betrachtet, an dem wir unsere Handlungsfreiheit ausüben, d.h. als unsere Kontrolle darüber, wie wir handeln. Es untersteht nur deshalb unserer Kontrolle oder liegt bei uns, welche Handlungen wir durchführen, weil wir die Fähigkeit haben zu entscheiden, welche Handlungen wir ausführen werden, und es liegt auch an uns, welche dbzgl. Entscheidungen wir treffen. Wir üben unsere Handlungsfreiheit im Wege frei gewählter Entscheidungen darüber aus, wie wir handeln werden. Von der Spätantike an nahmen viele Philosophen diese traditionelle Konzeption des Willens sehr ernst und entwickelten sie als Teil einer allgemeinen Theorie des spezifisch menschlichen Handelns weiter.

Menschliche Handlungen sind nach dieser Theorie in wichtiger Hinsicht von jener der Tiere verschieden. Nicht nur, dass Menschen Freiheit in ihrer Kontrolle über ihre Handlungen zukommt, was den Tieren fehlt, sondern diese Freiheit entsteht angeblich, weil Menschen auf der Grundlage der Vernunft handeln können, während die tierische Handlung von der Gier und dem Instinkt getrieben ist. Sowohl diese Freiheit, als auch die Rationalität bringen es mit sich, dass der Mensch besitzt, was Tieren zu fehlen scheint: einen Wille oder ‚rationalen Appetit‘, d.h. eine echte Fähigkeit zur Entscheidung. Vom 16. Jahrhundert an stießen diese Konzeption des Willens und seine Rolle im menschlichen Handeln auf zunehmende Skepsis. Es bestand fortan keine Ein- mütigkeit mehr darüber, dass die menschlichen Handlungen geistige Kapazitäten mit sich bringen, die auf fundamentale Weise jenen der Tiere unähnlich sind. Und die Idee, dass freies Handeln durch freie Entscheidungen des Willens erklärt wird, wurde nunmehr als vitiöser Regress betrachtet: wenn unsere Handlungsfreiheit ein Ergebnis der zuvor bestehenden Willensfreiheit sein soll, warum sollte dann diese Freiheit des Willen nicht von einer noch früheren, willenserzeugenden Form von Freiheit abstammen, und so fort ad infinitum? Es ist jedoch ganz selbstverständlich zu glauben, dass wir über eine Entschei- dungsfähigkeit verfügen, und dass es an uns liegt, wie wir diese Fähigkeit ausüben, und dass es wirklich an uns liegt, welche Handlungen durchzuführen wir uns ent- scheiden. Der Willensskeptizismus des frühneuzeitlichen Europa, der immer noch in zahlreichen Werken der anglophonen Handlungsphilosophie anzutreffen ist, brach- te dann offenbar die Preisgabe eines Modells des menschlichen Handelns und der menschlichen Rationalität mit sich, die tief im common sense verwurzelt ist. Wir müssen dieses Modell noch wesentlich besser verstehen, bevor wir schließen kön- nen, dass die Abkehr davon wirklich berechtigt war.

illiams, Bernard Arthur Owen

Auffassungen zum Thema „Willensfreiheit“ anzugeben, die für Antike bzw. Neuzeit jeweils durchgehend gelten, ist schwierig. Einfacher ist es, Unterschiede zwischen einzelnen Philosophen (bzw. Philosophinnen) oder philosophischen Richtungen anzugeben.

Willensfreiheit ist eine traditionelle Bezeichnung des Themas. Ein Wille ist eine auf Handeln ausgerichtete Entscheidungsfindung, eine Willensbildung geschieht. Wille ist immer Wille zu etwas. Willensfreiheit meint genaugenommen, eine Person als wollende sei frei (die Person ist dabei Subjekt der Freiheit), es gebe eine Fähigkeit zu einer ungehinderten Willensbildung.

  • Faktoren, die als Instanzen angegeben werden, aufgrund derer Notwendigkeit herrscht und keine Willensfreiheit vorhanden ist, sind: Gott/Gottheiten, Schicksal, Naturgesetze

Sie werden sowohl in der Antike als auch in der Neuzeit genannt. In der Antike ist inhaltlich bei Naturgesetzen oft eher etwas wie die Natur der Dinge gemeint, nicht eine Kausalität genau nach dem Muster einer Ursache-Wirkungs-Kette und nichts anderem. Diese Art von naturwissenschaftlich orientiertem Kausalitätsverständnis ist in der Neuzeit vorherrschend geworden. Im Verlauf der Neuzeit bis zur Gegenwart hat in der philosophischen Erörterung eine Entwicklung stattgefunden, bei der vor allem Determinismustheorien mit Bezug auf Naturgesetze diskutiert werden. Zunächst traten für einen radikalen/harten Determinismus dabei mechanistisch-physikalische Ansätze auf. In neuerer Zeit ist vor allem Neurowissenschaft ein Bezugspunkt (Verweis auf Ergebnisse der Hirnforschung).

Was in diesem Zusammenhang Determinismus genannt wird, bedeutet im Grunde nicht nur, das Wollen sei irgendwie bestimmt (determiniert), sondern: es sei necessitiert/nezessitiert (lateinisch: necesse est = es ist nötig, es ist notwendig), es vollziehe sich ein Ablauf mit zwangsläufiger Notwendigkeit. Die gemeinte Determination könnte, um mehr Eindeutigkeit herzustellen, als Nezessitation bezeichnet werden.

  • In der Antike hat es sehr lange keine Auffassung gegeben, die den Willen als eigenständiges Seelenvermögen versteht, losgelöst/abgekoppelt von der Vernunft. Erst bei Aurelius Augustinus ist ein solcher Willensbegriff deutlich anzutreffen (Albrecht Dihle, Die Vorstellung vom Willen in der Antike. Göttingen : Vandenhoeck und Ruprecht, 1985 (Sammlung Vandenhoeck). ISBN 3-525-01334-5; Christoph Horn, Augustinus und die Entstehung des philosophischen Willensbegriffs. In: Zeitschrift für philosophische Forschung 50 (1996), S. 113 – 132). Ob mit Zugrundelegung eine theologischen Willensbegriffes ein vorheriges Vorhandensein eines Willensbegriffes verneint werden kann, ist eine andere Frage, zu der keine Einhelligkeit bestehet.

  • In der Antike hat es fast ausschließlich teleologische Ethiken gegeben. Danach streben Menschen Gutes/ein höchstes Gute an und das Wollen ist damit auf ein Ziel (griechisch τέλος [telos] = Ziel, Zweck) ausgerichtet. Als letztliches Ziel gilt Glückseligkeit (εὐδαιμονία [eudaimonia]). Rationalität wird als sowohl ein Orientierungsvermögen als auch als eine Strebenstendenz verstanden. Bei voller und klarer Einsicht ist nach diesem Verständnis ein wissentliches Wollen gegen das erkannte Gute ausgeschlossen. In der klassischen Antike wäre der Gedanke, jemand entscheide sich dafür, sein Glück zurückzuweisen, für seltsam und nicht gut nachvollziehbar gehalten worden. Mit Freiheit wurde etwas anders gemeint als völlige Selbständigkeit des Wollens in einer allgemeinen Indifferenz oder eine absolute/unbedingte Spontanität. Ein Bestimmtseín durch ein Ziel/das Gute/die Vernunft galt in der klassischen Antike nicht als eine Determination, die Freiheit ausschließt. In der Neuzeit hat es keinen solchen allgemein geteilten Rahmen gegeben und es ist oft eine Neigung bemerkbar, allgemein Ursachen stets als Determination aufzufassen, die Willensfreiheit zu einer Illusion werden läßt.

  • Die neuzeitliche Diskussion ist stark von einer modernen Bewußtseinsphilosophie geprägt. René Descartes war der Auffassung, bewußt sei den Menschen, was ihnen klar und deutlich gegenwärtig ist. Bei ihm gibt es einen Dualismus von Geist und Materie. Diese Standpunkte haben Auswirkungen auf die Frontstellung gehabt, einem Bezug in einem Für und Wider.


Albrecht  24.06.2013, 12:07

allgemeine Überblicke:

Walter Warnach, Freiheit I. In: Historisches Wörterbuch der Philosophie. Band 2: D – F. Basel ; Stuttgart : Schwabe, 1972, Spalte 1064 – 1074

Walter Warnach, Freiheit II. In: Historisches Wörterbuch der Philosophie. Band 2: D – F. Basel ; Stuttgart : Schwabe, 1972, Spalte 1074 – 1083

Robert Spaemann, Freiheit IV. In: Historisches Wörterbuch der Philosophie. Band 2: D – F. Basel ; Stuttgart : Schwabe, 1972, Spalte 1088 - 1098

Reiner Wimmer/Siegfried Blasche, Freiheit. In: Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie. Herausgegeben von Jürgen Mittelstraß. Band 2: C – F. 2., neubearbeitete und wesentlich ergänzte Auflage. Stuttgart ; Weimar : Metzler, 2005, S. 559 – 566

Martin Carrier, Freiheit (handlungstheoretisch). . In: Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie. Herausgegeben von Jürgen Mittelstraß. Band 2: C – F. 2., neubearbeitete und wesentlich ergänzte Auflage. Stuttgart ; Weimar : Metzler, 2005, S. 566 – 570

Christoph Horn, Wille I. Antike. In: Historisches Wörterbuch der Philosophie. Band 12: W – Z. Basel : Schwabe, 2004, Spalte 763 – 770

Tilman-Anselm Ramelow, Wille II. Mittelalter und frühe Neuzeit. In: Historisches Wörterbuch der Philosophie. Band 12: W – Z. Basel : Schwabe, 2004, Spalte 770 – 783

Helmut Hühn, Wille III. 19. und 20. Jh. A. Idealismus und Nachidealismus. In: Historisches Wörterbuch der Philosophie. Band 12: W – Z. Basel : Schwabe, 2004, Spalte 783 – 790

Gottfried Gabriel/Helmut Hühn/Sven Schlotter, Wille III. 19. und 20. Jh. B. Psychologie und Phänomenologie. In: Historisches Wörterbuch der Philosophie. Band 12: W – Z. Basel : Schwabe, 2004, Spalte 790 – 793

Neil Roughley, Wille III. 19. und 20. Jh. C. Analytische Philosophie. In: Historisches Wörterbuch der Philosophie. Band 12: W – Z. Basel : Schwabe, 2004, Spalte 790 – 793

Oswald Schwemmer, Wille. Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie. Band 4. Sp – Z. Unter ständiger Mitwirkung von Siegfried Blasche, Gottfried Gabriel, Herbert R. Ganslandt, Matthias Gatzemeier, Carl F. Gethmann, Peter Janich, Friedrich Kambartel, Kuno Lorenz, Kaus Mainzer, Peter Schroeder-Heister, Oswald Schwemmer, Christian Thiel, Reiner Wimmer in Verbindung mit Gereon Wolters herausgegeben von Jürgen Mittelstraß. Stuttgart ; Weimar : Metzler, 1996, S. 704 – 707

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Albrecht  24.06.2013, 12:06

Bei der Induktion (dem Schließen von Einzelfällen auf einen allgemeinen Zusammenhang) hält Hume es daher nicht für gerechtfertigt, ihr eine allgemeingültige Begründungsleistung als mit Sicherheit notwendiges Folgern zuzusprechen. Eine absolute Notwendigkeit einer Abfolge von Ereignissen bestimmter Art auch in Zukunft kann nicht aus der Erfahrung abgeleitet werden. Wenn bislang Ereignisse miteinander verbunden waren, ergibt sich aus der Erfahrung nicht die Notwendigkeit einer immer so weitergehenden regelmäßigen Verbindung (Induktionsproblem). Dafür ist zusätzlich eine Annahme über eine Gleichförmigkeit und Beständigkeit der Natur Voraussetzung. Die Erfahrung kann nur wiederholte Wahrnehmungen einer Abfolge (z. B. beim Zusammenprall von Billardkugeln) bieten. Daraus entsteht eine Erwartung über die Zukunft. Die Macht der Gewohnheit bringt die Einbildungskraft dazu, eine Kausalbeziehung herzustellen.

Hume fragt als Empirist nicht, was kausale Verknüpfungen ihrem Wesen nach sind, sondern auf welche Weise Menschen die Begriffe von Ursache und Wirkung erwerben. Aufgrund wiederholter Beobachtung gleichartiger Fälle bilden Menschen eine Gewohnheit aus, beim Auftreten des einen Ereignisses dessen übliche Begleiterscheinung zu erwarten.

Die Menschen seien subjektiv zu einer Erwartung genötigt. Hume nimmt eine Kausalität als wahrscheinlich an, aber die Zuschreibung von Notwendigkeit könne nicht vor aller Erfahrung aus den Begriffen hergeleitet werden und beruhe nicht auf der Wahrnehmung einer verbindenden Kraft zwischen Ursache und Wirkung.

David Hume vertritt eine Determiniertheit, nimmt allerdings eine schwache Determination an. Gleiche Motive führten zu gleichen Handlungen. Dieser Zusammenhang sei so regelmäßig und gleichförmig wie der zwischen Ursache und Wirkung in irgendeinem Bereich der Natur. Gleichförmigkeit in jeder Einzelheit gebe es nirgends in der Natur. Hume nimmt also eine begrenzte Gleichförmigkeit der Handlungsverursachung an. Wo Hume Ursachen erwähnt, die sich in der Hervorbringung einer bestimmten Wirkung völlig gleichförmig verhalten, handelt es sich, wie die angeführten Beispiele (z. B. Feuer hat Menschen jederzeit verbrannt) zeigen, nicht um ausnahmslose Verlaufsgesetze, sondern um unveränderliche Eigenschaften natürlicher Substanzen, die ihrer Natur nach bestimmte Eigenschaften haben, die sich umsetzen, wenn nicht irgendwelche Umstände dies stören.

Freihat in ihrer Anwendung auf willentliche Handlungen meine sicherlich nicht, die Handlungen hätten eine sehr geringe Verknüpfung mit Beweggründen, Neigungen und Umständen, folgten nicht mit einer gewissen Gleichförmigkeit. Freiheit falle nicht mit Zufall zusammen. Hume verwendet einen Freiheitsbegriff, nach dem Freiheit die Macht ist, entsprechend den Willensentscheidungen zu handeln (David Hume, Enquiry concerning human understanding, 8. Abschnitt, 1. Teil: „By liberty, then we can only mean a power of acting or not acting, according to the determinations of the will;”). Freiheit besteht in der Fähigkeit, den Willen handelnd zu verwirklichen, und der Abwesenheit von Zwang bei der Ausübung dieser Fähigkeit.

Welcher Art die Willensbildung dabei ist, ist damit nicht gesagt. Handlungsfreiheit kann auf diese Weise als mit einem Determinismus vereinbar (kompatibel) dargestellt werden. Willensfreiheit hält Hume für nicht vorhanden, wobei er sie als ein unverursachtes Wollen (ein Wollen ohne Gründe) versteht (dieses Verständnis, das sie bloßem Zufall zuordnet, ist allerdings sehr anfechtbar, weil die zugrundegelegte Auffassung nicht zwingend zum Standpunkt einer Willensfreiheit gehört). Hume meint, die Verbindung von Motiv und gewollter Handlung sei so regelmäßig und gleichförmig wie zwischen Ursache und Wirkung in irgendeinem Teil der Natur. Handlungen unterliegen nach Humes Auffassung genauso einer statistischen Wahrscheinlichkeit wie andere Ereignisse.

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Albrecht  24.06.2013, 12:04

Stoa

Die Welt/der Kosmos ist von Vernunft (Logos) durchwaltet. Die Vernunft ist als wirkende Kraft an unveränderliche Gesetzmäßigkeiten gebunden. Das Schicksal (εἱμαρμένη [heimarmene]; fatum) determiniert bzw. anders ausgedrückt die Vorsehung oder die göttliche Ordnung. Es herrscht Notwendigkeit. Freiheit hat eine Person in der Innerlichkeit, in der Einstellung dazu. Der Mensch kann Handlungsimpulsen seine Zustimmung geben oder nicht. Dies steht in Spannung zur Annahme der Schickalsnotwendigkeit und schafft ein Vereinbarungsproblem, weil eigentlich zu denken wäre, die Notwendigkeit erstrecke sich auch auf die innerliche Zustimmung/Nicht-Zustimmung.

Chrysippos hat eine Vermittlung versucht, indem Ordnung, Natur und Notwendigkeit des Schicksals Ursachen für die ersten Bewegungen sind, die Vorherbestimmung aber nur eine mithelfende Ursache ist, die Ausführung der Gedanken, Pläne und Handlungen trotzdem durch den eigenen Willen und die seelischen Kräfte gelenkt würden. Die Zustimmung zum Handlungsimpuls steht in der Macht der Menschen, sie werde zwar von außen nahegelegt, aber nicht erzwungen.

Der Gang des Schicksals des Menschen wird nach stoischer Auffassung als feststehend angenommen. Wer sich nicht fügen und der Natur folgen will, wird gezwungen und erleidet das Schicksal also dennoch. Der Weise hat Einsicht darin, daß eine göttliche Vernunft (der Logos) die Welt durchwaltet und ist bereit, ihre Sinnhaftigkeit anzuerkennen, auch wenn das begrenzte menschliche Wissen nicht immer dazu ausreicht, dies voll zu durchschauen. Daher fügt er sich in das Schicksal/das Göttliche.

Zenon und Chrysippos wird eine Veranschaulichung durch ein Gleichnis von Hund und Wagen zugeschrieben (SVF II 975). Wenn der an den Wagen angebundene Hund folge und neben dem Wagen herlaufe, spüre er die Leine nicht. Wenn er sich zu widersetzen versuche, werde er mitgeschleift. Das Gleichnis ist paradox. Als beabsichtigte Darstellung, wie etwas Unvermeidliches geschieht, ist es nicht ganz schlüssig, sondern etwas widersprüchlich. Der Hund kann die Fahrt des Wagens nicht beeinflussen, hat aber die Wahl, mitzulaufen oder an der Leine zu zerren. Konsequenter wäre eine Annahme, auch das Stattfinden von Versuche zur Widerspenstigkeit sei einer nicht zu beeinflussenden Notwendigkeit unterworfen.

einige Darstellungen:

Peter Steinmetz. Die Stoa. In: Die hellenistische Philosophie. Zweiter Halbband (Grundriss der Geschichte der Philosophie. Begründet von Friedrich Ueberweg. Völlig neu bearbeitete Ausgabe. Herausgegeben von Helmut Holzhey. Die Philosophie der Antike - Band 4/2). Herausgegeben von Hellmut Flashar. Basel ; Stuttgart : Schwabe, 1994, S. 610 - 612

Maximilian Forschner, Die stoische Ethik : über den Zusammenhang von Natur-, Sprach- und Moralphilosophie im altstoischen System. 2., durchgesehene und um ein Nachwort und einen Literaturanhang erweiterte Auflage. Darmstadt : Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1995, S. 104 – 113

Malte Hossenfelder, Die Philosophie der Antike 3: Stoa, Epikureismus und Skepsis. 2., aktualisierte Auflage. München : Beck, 1995 (Geschichte der Philosophie ; Band 3), S. 84 – 93

David Hume

David Hume hat nicht Willensfreiheit begründet, sondern ihre Existenz bestritten. Er behauptet eine Vereinbarkeit von Notwendigkeit und bedingter Freiheit (die nur Handlungsfreiheit ist, nicht Willensfreiheit).

Textgrundlagen zum Thema Notwendigkeit und Freiheit:

David Hume, A treatise of human nature: being an attempt to introduce the experimental method of reasoning into moral subjects (1740; „Ein Traktat über die menschliche Natur: ein Versuch, die Methode der Erfahrung in die Geisteswissenschaft einzuführen“). Book 2: Of the passions. Part 3: Of the will and direct passions (Buch 2: Über die Affekte. Teil 3: Über den Willen und die direkten Affekte).

David Hume, Enquiry concerning human understanding (1758; „Eine Untersuchung über den menschlichen Verstand; zuerst 1748 unter dem Titel „Philosophical essays concerning human understanding“). Section 8: Of liberty and necessity (Abteilung 8: Über Freiheit und Notwendigkeit)

Alle abstrakten Ordnungsbegriffe stammen nach Hume aus der Verknüpfung/Assoziation der Vorstellungen/Ideen, indem Menschen aus dem regelmäßigen Beisammensein von Sinneseindrücken Begriffe bilden. Prinzipien der Verknüpfung/Assoziation seien Ähnlichkeit, zeitliche oder räumliche Nachbarschaft/Berührung und regelmäßige Abfolge (Verhältnis Ursache – Wirkung/Kausalität).

Hume argumentiert eine notwendige Verknüpfung könne nicht aus der Erfahrung gewonnen werden. Die Menschen können Dinge und Ereignisse wahrnehmen, aber nicht unmittelbar die wirkenden Kräfte bzw. die Notwendigkeit der Verknüpfung.

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Albrecht  24.06.2013, 12:02

Aristoteles definiert ὄρεξις (orexis) als ein auf bewußter Willensentscheidung beruhendes und der Vernunft zugängliches Vermögen der Seele. Das Streben kann vernunftgelenkt oder nicht vernunftgelenkt sein. Wo die Wahrnehmung entscheidet, lebt der Mensch nach Leidenschaft und strebt nach dem scheinbar Guten, der Begierde und dem Affekt unterworfen. Wenn der Mensch der Vernunft folgt, strebt er nach dem schlichten und zugleich wahrhaft Guten. Andere Antriebskräfte werden nicht beseitigt, wohl aber gelenkt. Das Wollen/der Wille gehört zum überlegenden Teil der Seele, Begierde und Mut/Eifer zum unvernünftigen Teil (Aristoteles, Περὶ ψυχῆς [Über die Seele; lateinisch: De anima] 3, 9, 432 b 4 – 6).

Freiwilligkeit, Entscheidung und mit Überlegung/Abwägung//Sich-Beratschlagen verbundenes Wollen

Wesentliche Gedanken enthält Aristoteles, Ἠθικὰ Νικομάχεια (Nikomachische Ethik; lateinisch: Ethica Nicomachea) 3, 1 – 8.

Im Rahmen einer Handlungstheorie untersucht Aristoteles für Fragen der Zurechenbarkeit wichtige Begriffe.

Nicht-Freiwilligkeit (τὸ οὐχ ἑκούσιον) geschieht aufgrund von Unwissenheit (δι᾽ ἄγνοιαν), ohne daß die Handelnden es bedauern (3, 1, 1110 b).

Unfreiwilligkeit (τὸ ἀκούσιον) geschieht aufgrund von Zwang und einer Unwissenheit, aber nicht einer Unwissenheit über das die Handelnden Nützliche/Zuträgliche/Förderliche, sondern einer Unkenntnis der konkreten Umstände, unter denen das Handeln stattfindet (z. B. darüber, wer handelt, was er tut, in Bezug auf was, in welchem Bereich, womit, wozu/zu welchem Zweck, auf welche Weise) und wonach die Handelnden anschließend Schmerz und Bedauern empfinden (3, 2, 1111 a 3 – 8).

Freiwilligkeit (τὸ ἑκούσιον): Bei freiwilligen Handlungen ist Zwang ausgeschlossen und der Anfang/Ursprung (ἀρχή [arche]) liegt im Handelnden selbst (3, 3, 1111 a 22 – 24).

Eine Entscheidung/ein Entschluß (προαίρεσις [prohairesis]) ist weder eine Begierde noch eine Gemütsregung noch eine Meinung (3, 4, 1111 b 10 – 11) und mit Wollen/Wünschen (βούλησις) nur verwandt, weil sich die Entscheidung nicht auf Unmögliches bezieht, sondern Dinge zum Gegenstand hat, von denen man annimmt, sie aus sich selbst heraus zustandebringen zu können (das, was bei uns liegt/in unserer Macht steht). Der Entscheidung geht ein vorheriges Sich-Beratschlagen voraus. Sie ist daher notwendig mit Überlegung (λόγος [logos]) und Denkkraft/Verstand (διάνοια [dianoia]) verbunden (3, 4, 1112 a). Da das Entschiedene ein Überlegtes und Erstrebtes ist, das in unserer Gewalt steht, wird die Entscheidung das überlegende Streben nach den Dingen sein, die in unserer Gewalt stehen. Denn aus der Überlegung entsteht unser Urteil, und dann streben wir gemäß der Überlegung (3, 6, 1113 a).

einige Darstellungen zu dem Thema:

Dirk Fonfara, Freiwilliges Handeln und Tugend : Aristoteles’ Lehre von der Prohairesis im Rahmen einer eudaimonistischen Ethik. In: Geist und Willensfreiheit : klassische Theorien von der Antike bis zur Moderne. Herausgegeben von Edith und Klaus Düsing und Richard Klein. Würzburg : Königshausen & Neumann, 2006, S. 15 – 46

Christoph Rapp, Freiwilligkeit, Entscheidung und Verantwortlichkeit (III 1 – 7). In: Aristoteles: Nikomachische Ethik. Herausgegeben von Otfried Höffe. 3., gegenüber der 2. bearbeiteten, unveränderte Auflage. Berlin : Akademie-Verlag, 2010 (Klassiker auslegen ; Band 2), S. 109 - 134

Christoph Jedan, Willensfreiheit bei Aristoteles? Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht, 2000 (Neue Studien zur Philosophie ; Band 15). ISBN 3-525-30515-X

Epikur

Epikur vertritt zwar mit seiner Atomlehre einen Materialismus, hält aber im Gegensatz zu Demokritos, Leukippos und ihnen folgenden Atomisten Freiheit für gegeben.

Es kommt eine spontane minimale Abweichung (παρέγκλισις; lateinisch: clinanem) der Atome von einem senkrechten Fall vor. Lukrez, De rerum natura 2, 256 – 257 verwendet die Bezeichnung libera voluntas (freier Wille).

Es gibt Dinge, die von den Menschen abhängen. Dafür spricht auch das Auftreten moralischer Bewertungen wie Lob und Tadel und ein Vorbegriff von Eigenverantwortlichkeit.

Für die menschliche Disposition wesentliche Faktoren sind:

  • Zustand bei Geburt
  • Umwelt
  • entwickelte Merkmale/Erzeugnisse (verantwortlich für seelische Autonomie, hat Bedeutung für die Erzeugung eines eigenen Charakters)

Das Selbst des Menschen hat eine Kontrollfunktion über die Atomfiguration und die Freiheit, zwischen den Beeinflussungen von außen zu wählen.

eine Darstellung:

Michael Erler, Epikur. In: Die hellenistische Philosophie. Erster Halbband (Grundriss der Geschichte der Philosophie. Begründet von Friedrich Ueberweg. Völlig neu bearbeitete Ausgabe. Herausgegeben von Helmut Holzhey. Die Philosophie der Antike - Band 4/1). Herausgegeben von Hellmut Flashar. Basel ; Stuttgart : Schwabe, 1994, S. 160 – 161

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Albrecht  24.06.2013, 12:00

Platon

Wahlfreiheit ist eine wichtige Voraussetzung richtigen Handelns. Andererseits ist sie anscheinend durch eine Vorbestimmtheit begrenzt (Er-Mythos über die vorgeburtliche Wahl eines Lebensloses für das nächste Leben, Platon, Politeia 614 c – 621 a). Es gibt keine durchgehende Naturnotwendigkeit mit zwangsläufigem Ablauf. Platon legt eine Wahl (αἵρεσις, Platon, Phaidon 99 b; Platon, Phaidros 256 e) und Freiwilligkeit (ἑκών, «freiwillig», Platon, Apologie 37 a, Platon, Politeia 589 c; Platon, Timaios 86 e) zugrunde, nicht eine Spontanität als Wahl zwischen indifferenten Alternativen. Die Vernunft hat eine zentrale Rolle beim Entscheidungsprozeß, da der Wille sich auf das (vermeintlich oder wahrhaft) Gute richtet und ein Wissen um das wirklich Gute hinzutreten muß, damit das wahrhaft Gute gewählt wird. Die Vernunft setzt nicht einfach das Gute, sondern findet es als Standard vor. Die Richtung des Wollens ist damit gleichsam schon vorbestimmt.

Darstellung in Büchern zu Platon:

Michael Erler, Platon (Grundriss der Geschichte der Philosophie. Begründet von Friedrich Ueberweg. Völlig neu bearbeitete Ausgabe. Herausgegeben von Helmut Holzhey. Die Philosophie der Antike - Band 2/2). Schwabe : Basel ; Stuttgart, 2007, S. 388 – 390

Wolfgang Maria Zeitler, Entscheidungsfreiheit bei Platon. München : Beck, 1983 (Zetemata : Monographien zur klassischen Altertumswissenschaft ; Heft 78). ISBN 3-406-05168-5

Aristoteles

Ablehnung eines logischen Determinismus

Aristoteles, Lehre vom Satz/Urteil (Περὶ ἑρμηνείας lateinisch: De interpretatione) 9, wendet sich gegen einen logischen Determinismus. Aussagen über die Zukunft sind nicht immer entweder wahr oder falsch. Der Satz vom ausgeschlossenen Dritten kann her nicht angewendet werden. Es gibt Sätze über die Zukunft, die in der Gegenwart weder wahr noch falsch sind. Manches Zukünftige hat seinen Grund in Überlegungen und Handlungen. Beispiel ist der Satz, morgen werde eine Seeschlacht stattfinden. Eine Seeschlacht ist ein kontingentes Ereignis (etwas, das sein kann, aber nicht sein muß).

Ursachen

Zu den Prinzipien, die verschiedene Arten von Erklärungen darstellen, warum etwas so ist, steht etwas bei Aristoteles, Physik III 9, Metaphysik A 3 – 9 und Δ 1- 2.

Jede αἰτία (Grund, Ursache, Veranlassung), jedes αἴτιον (Verursachendes, Ursache, Grund) ist nach Aristoteles ein Prinzip (ἀρχή). Hauptarten sind:

1) Formursache (τὸ τί ἦν εἶναι, οὐσία; lateinisch causa formalis): die Form (εἶδος) von etwas, das in der Bestimmung des Was-es-heißt-dies zu sein erfaßt ist; das , was aus einer bestimmten Menge von Baumaterialien (z. B. Ziegel und Steine) hergestellt ist, ist ein Haus, weil es (in seiner Funktion) das ist, was es heißt, Haus zu sein

2) Materialursache/stoffliche Ursache (τὸ ἐξ οὗ, ὕλη, ὑποκείμενον; lateinisch causa materialis): das, woraus als Gegebenem (als Material) etwas entsteht oder besteht; beispielsweise wird aus Silber eine daraus angefertigte silberne Schale

3) Bewegungsursache/Wirkursache (ὅθεν ἡ ἀρχὴ τῆς κινήσεως; lateinisch causa motus, causa efficiens, causa agens): wirkende Ursache als Impuls, der zu einer Veränderung führt, etwas hervorbringt; das, was als erstes bewegt, den ursprünglichen Anstoß zur Bewegung oder Veränderung gibt, z. b. beim Gebautwerden eines im Bau befindlichen Hauses der Baumeister

4) Zweckursache (τὸ τοῦ ἕνεκα, τέλος; lateinisch causa finalis): das Ziel, das, um dessentwillen etwas geschieht; beispielsweise kann jemand sich jemand körperlich bewegen, um etwas für seine Gesundheit tun

Streben

Aristoteles unterscheidet (Nikomachische Ethik 1, 13, 1102 a – 1103 a) grob zwischen einem Teil der Seele, der Vernunft hat (das Vernunft/Logos habende: τὸ λόγον ἔχον), und einem, der nicht Vernunft hat (das ohne Logos/das Vernunftlose: τὸ ἄλογον).

Der nicht- rationale Teil kann noch einmal unterteilt werden: Das Vegetative (τὸ φυτικόν), das keinen Anteil an der Vernunft hat, und etwas, das auf die Vernunft hören kann, das Begehrende und insgesamt das Erstrebende (τὸ δ᾽ ἐπιθυμητικὸν καὶ ὅλως ὀρεκτικὸν). Orexis (ὄρεξις), Streben/Verlangen/Begehren, ist nach Aristoteles eine allgemeine Bewegungsart der Lebewesen. Beim Streben können Begierde (ἐπιθυμία), Mut/Eifer (θυμός) und Wunsch/mit Überlegung/Sich-Beratschlagen verbundener Wille (βούλησις) unterschieden werden (Aristoteles, Περὶ ψυχῆς [Über die Seele; lateinisch: De anima] 2, 3, 414 b).

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Die Frage der Willensfreiheit ist eine Kernfrage unseres Selbstverständnisses. Da kann man selbst Hume nicht mehr zur Neuzeit rechnen. Doch die moderne Physik des 20. JH und die Ergebnisse der Hirnforschung schaffen eine neue Interpretationsgrundlage, die man in der Antike genausowenig wie zu Humes Zeiten erwarten kann.

Der Unterschied zwischen Aristoteles und Hume ist bereits zwischen Aristoteles und Epikur zu finden. Es ist der Unterschied zwischen der Welt- und Menschensicht eines Idealisten und eines Empiristen, auch wenn Aristoteles den platonischen Idealismus stark empirisch zu gründen sucht.

Für Aristoteles ist die letzte Instranz der Weltursache und des Weltvollzugs außerhalb der erfahrbaren Welt, gibt es einen Dualismus mit Dominanz des Geistigen. Der Mensch als Wesen zweier Welten, der materiellen und der geistigen gründet seine Freiheit vor allem in der geistigen Sphäre. Dem folgt auch Kant, obwohl er erkenntnistheoretisch bekennender Empirist ist. Der von Catomaior gegebene Hume-Link zeigt einen "kantgewendeten" Hume. Hume hat die strenge kantche Kausalität immer abgelehnt.

Epikur und Hume sind konsequente Empiriker. Grund von Freiheit ist für sie die nicht durch und durch deterministische Welt. Eine über aller Realität schwebende Freiheit des Geistes kennen sie nicht. Freiheit und Notwendigkeit sind keine zwingenden Widersprüche. In einer Welt, in der nicht immer und überall zwingende Notwendigkeit herrscht, entstehen Entscheidungsräume. Das gilt für alles Leben, nicht nur für den Menschen. Für den Menschen, der sich infolge seiner kulturellen Entwicklung immer stärker aus den Zwängen der Natur befreien kann, nehmen die Freiheitsräume zu. Teils allerdings wird die Befreiung von Naturzwängen dafür durch Kulturzwänge ersetzt.

Freiheit wird heute oft als die Möglichkeit eines Handelns ohne Nebenwirkungen verstanden, obwohl diese auf jedem medizinischen Beipackzettel haufenweise aufgeführt sind, werden sie erst gar nicht gelesen. Die Fähigkeit des Menschen, sich in Phantasien und abstrakte Gedankenkonstrukte ohne Gegenprüfung zur Wirklichkeit zu flüchten, ist die größte Gefahr, die der Mensch für sich selbst ist. Extremismus und diktatorischer Zwang sollen dann die Lücke schließen. Empiriker wie Epikur, Hume oder die Existentialisten sehen den Prozess der kulturellen Selbstkonditionierung des Menschen als Gestaltungsaufgabe an für das Individuum wie für die Gesellschaft als Ganzes. In der Annahme dieser Aufgabe kann der Mensch seine Freiheit ausweiten. In der Verleugnung und Verweigerung der Realitätsanalyse gibt man den Kräften der Welt und der selbestgeschaffenen Systeme Macht über unsere Zukunft.

Menschliches Handeln kann für die griechische Antike in eine teleologische Ordnung gefügt werden, deren Endzweck ein höchstes Gut ist, das um seiner selbst willen erstrebt wird. Der Wille (boulesis) richtet sich nach diesem durch Überlegung bestimmten obersten Gut aus und resultiert in vernünftigem Streben danach (u.a. Platon: Gorgias 466d-e; Aristoteles: Metaphysik 1072a28 f., Rhetorik 1368b36-1369a49, Topik 126a13): Freiwillig handelt ein Mensch, wenn 1) der Ursprung der Handlung in ihm selbst liegt (willentlich) sowie 2) er die Handlungsumstände kennt (wissentlich). Dies mündet in einer Entscheidung (Nikomachische Ethik 1111b7 ff.). Freiwillige Entscheidungen stellen demnach eine reflektierte Wahl dar, die sich in letzter Instanz an einem obersten Ziel orientieren. Wer zwischen zwei Handlungsalternativen A und B wählt, entscheidet sich für diejenige, die er bezogen auf sein Ziel für die bessere hält (das gilt auch bei Affekthandlungen). Dabei ist ein Irrtum bezüglich der gewählten Handlung wie auch betreffend des obersten Gutes möglich: Schlechtigkeit ist eine Folge von Unwissen (u.a. Apologie 25d f.; Protagoras 325d f., 352d ff., 358a f.; Menon 77b ff; Gorgias 466d ff, 488a, 509e; Republik 336e, 382a, 412e f.)

Wenn das Vorhandensein eines obersten, letzten Ziels, dessen Erreichen das menschliche Glück ausmacht, allgemein anerkannt ist, wird sich das Interesse hauptsächlich darauf richten, worin dieses Gut besteht und wie man es erreicht. Die Frage nach der Willensfreiheit hingegen wird meines Erachtens obsolet, sobald ein oberster Zweck durch die Vernunft gesetzt wurde, weil die Verantwortlichkeit zugleich gegeben ist und niemand ein Interesse daran haben wird, sich auch anders entscheiden zu können: Niemand will entgegen seinen Intentionen handeln. Der Entschluss zum Handeln wird in diesem Konzept der vollständigen Handlungsdetermination immer von Wissen oder Emotionen bestimmt. Freiheit in Form einer nicht mehr weiter begründbaren Willensentscheidung ist in der griechischen Antike entsprechend nicht zu finden, sondern der Wille als eigenständige Instanz wird erst durch Augustinus eingeführt (vgl. Albtrecht Dihle: Die Vorstellung vom Willen in der Antike, Göttingen 1985: S. 42/S. 162).

Ob diese Auffassung dem modernen Konzept der Willensfreiheit widerspricht, hängt davon ab, ob man einen Kompatibilismus für möglich hält. Hume war dieser Aufassung: Er geht davon aus, dass unsere Handlungen determiniert sind (im Gegensatz zur Antike allerdings keineswegs aufgrund einer teleologischen Ordnung) und dies sogar die notwendige Voraussetzung für Willensfreiheit sei: Nur dann, wenn unsere Entscheidungen begründet sind, können wir das tun, was wir tun wollen und nur so sind wir auch für diese verantwortlich. Freiheit ist für ihn "a power of acting and not acting, according to the determinations of the will". Hume geht demnach von einer Handlungsfreiheit aus und argumentiert dafür, dass ein Willensfreiheit nicht darin bestehen könne, dass eine Entscheidung/Handlung zufällig erfolge. Dass man sich auch anders hätte entscheiden können, schliesst Hume aus. Ob reine Handlungsfreiheit für eine Willensfreiheit ausreicht, muss jedoch bezweifelt werden: Demzufolge würde eine an Zwangsstörungen leidende Person auch frei handeln. Eine gute summarische Einführung in die Diskussion zur Willensfreiheit, auch der Position Humes und ihrer Probleme bietet Ansgar Beckermann auf http://www.philosophieverstaendlich.de/freiheit